Türkei Massive Kapitalflucht zwingt Fonds zum Handeln
Die Lage in der Türkei ist auch Wochen nach dem Putsch angespannt. Anleger ziehen sich im großen Stil aus dem Land zurück. Fonds, die in Schwellenländer investieren, müssen ihr Portfolio überdenken.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan galt lange Zeit als Vater des türkischen Aufschwungs. Mittlerweile haben mit S&P und Fitch zwei der größten Ratingagenturen Konsequenzen aus der momentanen Situation in der Türkei gezogen und das Rating für türkische Bonds auf Ramschniveau gesenkt – was die Anleger weiter verschreckt. Die Wirtschaft schwächelt aber nicht erst seit dem Putschversuch: Fonds, die in türkische Aktien investieren, machten in den vergangenen drei Jahren im Schnitt rund sechs Prozent Minus pro Jahr. In den vergangenen zwölf Monaten verloren sie im Schnitt 2,2 Prozent, schreibt Capital.
Investoren sind skeptisch
Zahlreiche Fonds ziehen aus der Türkei-Krise jetzt ihre Konsequenzen, wie etwa der Kames Emerging Market Bond Fund (ISIN: IE00BYNFPB54). Der Fonds investiert mindestens 80 Prozent seines Vermögens in Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern weltweit. „Seit Atatürk hat das türkische Militär gewährleistet, dass die Trennung von Religion und Staat in einem gewissen Maß aufrechterhalten wird. Es sieht sich als Überwacher der Verfassung von 1928 in welcher die Festlegung des Islam als Staatsreligion eliminiert wurde. Das Militär war bis anhin der Vertreter aller sozialen Gruppen, Klassen und Religionen und wurde allgemein als Retter der Türkei betrachtet“, schreibt Scott Fleming, CFA, Investment-Manager - Fixed Income bei Kames Kapital, in einem Marktkommentar und begründet die Untergewichtung von türkischen Positionen im Fonds. Die Ereignisse nach dem Putsch seien weitgehend eine Reaktion auf die schleichende Islamisierung der türkischen Regierung und türkischer Institutionen gewesen und eine Folge der Warnung, die das Militär 2007 an die AKP richtete.
„Wir betrachten die Maßnahmen der Regierung seit dem gescheiterten Putschversuch als bedeutendes Vertrauensmanko Schlüsselinstitutionen wie Justiz, Medien und der Bildungssektor haben in der letzten Woche eine Beschränkung ihrer Unabhängigkeit erfahren. Als Folge davon riskiert die Türkei ein Staat zu werden, in dem Politik und Institutionen extraktiv wirken anstatt integratives Wachstum zu unterstützt. Zusammen mit der Abhängigkeit der Türkei von kurzfristiger Fremdfinanzierung könnte dies das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des Landes untergraben und wir können Anfänge von Widerstand gegen die Erneuerung von einem Teil der Konsortialkredite feststellen, zum Beispiel im türkischen Bankensektor. Zum Mindesten wird dies teurer. Wir sind ebenfalls darüber besorgt, dass diese Entwicklung ein politisches Vakuum in Syrien erzeugen könnte und schließlich Auswirkungen auf den Rest von Europa hat“, so Fleming weiter.
Bis heute sei die Türkei fiskalisch ziemlich zurückhaltend, „das Haushaltsdefizit betrug im vergangenen Jahr knapp über ein Prozent des BIP und die Staatsverschuldung war auf einem niedrigen Niveau. Sollte die Türkei diesen steuerlichen Anker lichten, wird sich das Bild aus Anleihensicht weiter verschlechtern. Dies könnte der Preis sein, den man unter einer veränderten Verfassung bereitwillig bezahlt, um die Popularität eines Präsidenten mit neu erweiterten Befugnissen zu steigern“, so der Fondsmanager.
Rückzug aus den Märkten
Aufgrund dieser Anleihen-Nachteile werden im Kames Emerging Market Bond Fund Positionen in der Türkei untergewichtet. „Diese Einschätzung wurde bereits vor dem Putschversuch umgesetzt, da wir Bedenken hatten bezüglich der Auswirkung eines Schlages gegen den türkischen Tourismus-Sektor auf das aktuelle Leistungsbilanzdefizit. Wir betrachteten das als erhöhte Abhängigkeit von Fremdfinanzierung des Portfolios“, begründet Fleming die Portfolio-Anpassung.
Trotz der Türkei-Krise sehen Experten in den Schwellenländern generell weiterhin gute Investitionschancen. Ein aktueller Kommentar von Goldman Sachs prophezeit den Emerging Markets sogar eine Outperformance. Die Anfragen der Anleger seien seit dem Brexit-Referendum massiv gestiegen, so Prashant Khemka, Chief Investment Officer für Emerging Market Aktien bei Goldman Sachs Asset Management, in einem Marktkommentar. „Die Rekordzahl der derzeitigen Investorenanfragen erweckt den Eindruck, dass große Vermögensinhaber auf der ganzen Welt diese Positionen gerade wieder aufzubauen versuchen. Eine strategische Allokation zugunsten dieser Anlageklasse ist unabdingbar“, so Khemka.