FondsDISCOUNT.de: Herr Professor Otte, Ihr Buch „Die Krise hält sich nicht an Regeln“ wurde Anfang Februar veröffentlicht. Entwickelt sich die Lage bisher so, wie Sie es im Buch vermuten, oder gab es Überraschungen?


Prof. Dr. Max Otte: Die im Buch beschriebenen Szenarien sind weitgehend eingetreten. Die durch die Coronakrise gebeutelte Weltwirtschaft wird mit Helikoptergeld, Gelddrucken und massiven Beihilfen wie auch dem New Green Deal der Europäischen Zentralbank gestützt.


Geldvermögen muss vernichtet werden, weil die Welt überschuldet ist. Schon in der Coronakrise erreichten die globalen Schulden absolut und relativ gesehen einen neuen Höchststand und seitdem ist es schlimmer geworden.


Das kann durch Inflation, Vermögenstransfers von Vermögensinhabern zu Schuldnern oder durch einen Crash passieren. Da man den Crash unbedingt vermeiden will, bleiben nur Inflation und Vermögenstransfers durch Staatseingriffe. Die Inflation zieht bereits merklich an. Und die Menschen werden durch die Corona-Maßnahmen immer mehr an staatliche Eingriffe gewöhnt, sodass auch Vermögenstransfers kommen können. Aktien sind aber relativ sicher, wie die Geschichte zeigt, ich komme später noch einmal darauf zurück. Es sind vor allem Bankeinlagen und Immobilen, die gefährdet sind.


In der Webkonferenz, die Sie im März für die Kunden von FondsDISCOUNT.de abgehalten haben, sprechen Sie davon, dass Sie einen finalen „Melt-up“ für noch wahrscheinlicher halten als einen Crash. Was bringt sie zu dieser Vermutung?


Die Geldmenge M1 hat sich in den USA seit Ausbruch der Coronakrise verdreifacht. Nach der Finanzkrise 2008 dauerte es immerhin fünf Jahre, bis sich die Geldmenge verdreifacht hat. Das zeigt, wie verzweifelt die Notenbanken sind, wie fragil das Geldsystem ist und wie nahe der finale Melt-up gerückt ist. Denn einen Crash wird man durch massive Staatseingriffe verhindern.


Der Max Otte Vermögensbildungsfonds (ISIN: DE000A1J3AM3) ist ein Mischfonds, der überwiegend in Aktien investiert. Viele Experten halten Aktien derzeit für überbewertet – welche Auswirkungen hat das auf Ihren Fonds?


Aktien sind in der Breite sicherlich nicht mehr billig. Es geht jetzt weniger darum Schnäppchen zu machen, als aktiv Vermögenssicherung zu betreiben. Aber Aktien sind dennoch, teils deutlich, billiger als zum Beispiel Immobilien. Alles in Allem MUSS man Sachwerte wie Aktien, Immobilien und Edelmetalle halten, um ökonomisch zu überleben. Eigentum vor Forderungen ist das, was zählt.


Zudem ist eine Aussage wie „Aktien sind nicht mehr billig“ ja sehr allgemein und bezieht sich auf den Aktienmarkt insgesamt. Auch in einem leicht überteuerten Gesamtmarkt lassen sich noch günstige Titel finden. Erst, wenn Sie definitiv in einer Blase sind, wird es schwierig. Es ist immer relativ zu sehen, nicht allgemeingültig.


Wie gehen Sie bei der Identifikation potenzieller Titel für Ihren Fonds vor?


Wir sind zunächst einmal Value-Investoren und Stockpicker. Dabei lassen wir uns von Investoren wie Warren Buffett oder Peter Lynch inspirieren. Wir suchen die Aktien der besten Unternehmen und prüfen sie auf Herz und Nieren. Dazu analysieren wir 1. Geschäftsmodell, 2. Management und 3. Bilanz. Wenn dann auch noch eine attraktive Bewertung vorliegt, beziehungsweise weiteres Wertsteigerungspotential vorhanden ist, kaufen wir. Dabei dürfen qualitativ gute Unternehmen auch zum fairen Preis gekauft werden, da sie ohnehin äußerst selten günstig sind.


Aktien guter Unternehmen überstehen (fast) alle Krisen. Zudem sind Unternehmen mit guten Produkten oder Dienstleistungen auch gegen Inflation oder eine Währungsreform geschützt. Sie geben die Preissteigerungen einfach an ihre Kunden weiter oder stellen ihre Rechnungslegung auf die neue Währung um. Eine Aktie bleibt dann eine Aktie. Wichtig ist, dass das dahinterstehende Unternehmen an sich funktioniert.


Makroökonomische Analysen ergänzen unsere Entscheidungen. So ist offensichtlich, dass sich durch Corona/COVID-19 die Wirtschaft geändert hat und stark in Richtung Digitalisierung getrieben wird, obwohl unsere Gesetze noch nicht immer auf die neue Situation angepasst sind. Deswegen suchen wir aktuell verstärkt bei den Digitalisierungsgewinnern.


Sind die Investmentbewegungen für die Anleger transparent?


Transparenz ist für uns ein wichtiges Thema. Wir veröffentlichen zum Beginn eines jeden Monats einen Bericht für den Vormonat. Diesen können Sie unter max-otte-fonds.de abrufen oder Sie tragen sich in den Newsletter ein und erhalten ihn direkt per E-Mail. In dem Bericht informieren wir Sie über die Performance und geben ebenfalls Auskunft zu Transaktionen. Zudem führen wir quartalsweise ein Webinar für interessierte Investoren durch, das im Anschluss auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht wird. Gelegentlich ergänzen wir noch Sonder-Webinare, so wie in der Corona-Panik im März 2020.


Welche Länder sind für den Fonds von besonderem Interesse? Welche Aktienmärkte werden von jetzt bis Ende 2021 besser performen: USA, Europa oder Deutschland?


Grundsätzlich suchen wir in allen Ländern, in denen wir Kompetenz haben. Es kommt auf die Unternehmen an, auf die Geschäftsmodelle und auch die Umsatzgenerierung. Das ist uns wichtiger als der Unternehmenssitz.


Hat der Fonds einen thematischen Schwerpunkt? Oder gibt es Branchen, die Sie meiden?


Mit „Themen“ lassen sich gut Finanzprodukte und Fonds verkaufen. Wir wollen aber gute Unternehmen finden und diese langfristig „begleiten“. Deswegen schauen wir in allen Ländern und Branchen, die wir verstehen und attraktiv finden. Wichtig ist, vor allem die Liquidität und Handelbarkeit der Aktien sowie Rechtssicherheit.


Ansonsten versuchen wir attraktiv bewertete Stabilitätsanker mit robusten Geschäftsmodellen durch die Gewinner von Morgen zu ergänzen. Das sind aktuell vor allem Digitalisierungsunternehmen mit skalierbaren Geschäftsmodellen und wenig Investitionsaufwand.


Welche Rolle spielen Themen wie Nachhaltigkeit und ESG in Ihrem Fonds?


Auch für uns spielen die Themen Nachhaltigkeit und ESG eine zunehmend wichtige Rolle. Von den ganz großen Schweinereien, wie Rüstungsunternehmen, halten wir uns aber ohnehin schon immer fern. ESG und Nachhaltigkeit liegen aber auch ein Stück weit im Auge des Betrachters. Wenn ein Unternehmen jedoch Kundenbedürfnisse befriedigt und die Gesellschaft an sich nach vorne bringt, dann macht man schon einiges richtig. Durch neue regulatorische Vorgaben der Strategie für nachhaltige Geldanlagen der EU-Kommission werden wir uns diesen künstlichen Kriterien in Zukunft noch stärker widmen. Innerhalb unserer Risikobewertung spielen sie bereits jetzt eine Rolle im Rahmen unseres Bewertungsschemas.


Was halten Sie von Trends wie Wasserstoff-Aktien oder Kryptowährungen? Denken Sie, dass diese Sektoren zukunftsfähig sind?


Es kann beim Thema Wasserstoff sicher einmal gute Unternehmen geben, aber es ist noch viel zu früh, das abzuschätzen. Das ist wie beim Internet 1998. Neun von zehn Unternehmen, die damals „Hoffnungsträger“ waren, gibt es heute nicht mehr. Vielleicht sogar noch mehr. Wenn ein Becken zu voll ist, haben die Fische nicht ausreichend Platz. Vor allem in jungen Branchen muss erst eine Konsolidierungswelle die größten Kapazitätsbinder aussortieren. Wir investieren nicht in Hoffnungen, sondern in robuste Geschäftsmodelle. Es ist wichtiger, die Risiken nach unten zu vermeiden, als den großen Wurf zu schaffen. Es gelingt nur sehr selten, die Amazon-Aktie von Morgen zu finden. Außerdem wäre es auch schon lukrativ gewesen, später einzusteigen, solange die unternehmerische Entwicklung stimmt.


Die Kryptowährungen sind hoffnungslos gehypt. Wenn sie den Staaten wirklich gefährlich werden, werden die Börsen geschlossen oder stark reguliert und die Staaten kommen mit eigenen Kryptos auf den Markt. Schauen Sie da einfach mal nach China. Das ist kein Geld oder Geldersatz, sondern ein Spekulationsgut. Ein „Vermögenswert“, der Tagesschwankungen von 20 Prozent aufweist, kann doch nüchtern betrachtet nicht als wertstabil bezeichnet werden.


Wie schätzen Sie die Entwicklung von Gold ein? Und wie sieht es mit anderen Edelmetallen – Silber, Lithium etc. – aus?


Gold, Silber Ja, die anderen zu speziell. Zudem muss unterschieden werden zwischen physischem Kauf und Aktien beziehungsweise darauf spezialisierten Instrumenten.


Lassen Sie uns zu Aktien zurückkommen. Warum sind Sie weiter Aktien-Fan?


Google, Amazon & Co. sind die neuen Konsumaktien. Sie werden auch in vielen Jahren noch da sein und die kommenden Krisen überstehen. Wie Jeff Bezos einmal sagte: „Es ist sicher, dass die Leute in zehn Jahren günstige Preise geboten bekommen wollen“. Das Geschäftsmodell ist intakt, Angebot und Nachfrage stimmen. Vielleicht legt die Kursentwicklung mal eine temporäre Pause ein, aber diese Unternehmen werden sich weiterentwickeln. Zudem rücken noch andere vielversprechende Unternehmen nach.


Beim Kauf von Aktien beteilige ich mich an einem Unternehmen. Ist es ein gutes Unternehmen, arbeiten dort viele Menschen daran, mein Vermögen zu mehren. Ich muss nur mitfahren und den Zug gut beobachten. Es hilft sehr, sich bei der Analyse vorzustellen, dass die Aktie gar nicht börsengehandelt sei, und sich so dem Investment als „Deal-Maker“ zu nähern. Wenn Sie einen guten „Deal“ machen, ohne die ganzen Börsenschlagzeilen, dann wird sich das in der Performance widerspiegeln.


Zudem haben Aktienbesitzer eine starke Lobby, da viele Aktienbesitzer international mobil sind. Anders als bei Kontoguthaben oder Immobilien halte ich Sonderabgaben für sehr unwahrscheinlich.


Herr Professor Otte, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!


Wertentwicklung im Fünf-Jahreszeitraum