FondsDISCOUNT.de: Herr Hellmeyer, zunächst möchten wir einen Blick auf die Entwicklungen in China werfen. Wie schätzen Sie die Situation ein, was rollt da auf uns zu?
Folker Hellmeyer: Seit dem Frühjahr 2015 bemühen sich einige Teilnehmer der politischen, der ökonomischen, der finanzanalytischen und der medialen Zunft, Chinas konjunkturelle Probleme groß zu reden. Fakt ist, dass die Wachstumsprognose Chinas für 2015 im Jahresverlauf marginal von 7,1 Prozent auf jetzt voraussichtlich 7,0 Prozent angepasst werden musste. Mehr noch stellen diese 7 Prozent eine größere realwirtschaftliche Nachfrageausweitung dar als 10 Prozent vor fünf Jahren. Die identischen Protagonisten, die aktuell Chinas vermeintliche Konjunkturprobleme thematisieren, sprachen vor fünf Jahren von chinesischen Überhitzungsgefahren. Sie erkennen die Absurdität der aktuellen Argumentation – so etwas ist bezüglich Analyse nicht konsistent!

Der sukzessive Rückgang der Wachstumsraten hat mit dem Phänomen des Gesetzes der großen Zahl zu tun. Offensichtlich sind einige Protagonisten nicht im erforderlichen Maße firm in Prozentrechnung! Mehr noch wird in China die Forderung des Westens umgesetzt, das ökonomische Gleichgewicht zu Gunsten des Dienstleistungssektors neu zu justieren. Es gibt kein Land weltweit, das diese Neujustierung so sakrosankt wie China umsetzte. Mittlerweile liegt der Anteil der Produktion am BIP bei nur noch circa 42 Prozent, während der Anteil des Dienstleistungssektors auf Werte im Dunstkreis von 50 Prozent anzog.

Der offizielle Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor legte zuletzt mit mehr als 54 Punkten auf den höchsten Wert seit August 2014 zu. Das korreliert mit dem verstärkten Anstieg der Einzelhandelsumsätze von 10,5 Proeznt auf 11,2 Prozent im Jahresverglich in der zweiten Jahreshälfte 2015. Der Produktionssektor wächst mit 5 Prozent bis 6 Prozent, auch wenn der Einkaufsmanagerindex des britischen Anbieters Markit bei nur 48,2 Punkten lag und damit vermeintliche Kontraktion impliziert.

Die Rolle der Aktienmärkte spielt in der von Einkommen getriebenen Ökonomie in China (Sparquote 40 Prozent, Konsumverschuldung bei 0 Prozent der Arbeitseinkommen), ganz im Gegensatz zu den USA, die in wesentlichen Teilen eine Wirtschaft haben, deren Wohl und Wehe von der Bewertung der Aktien- und Immobilienmärkte abhängig ist, keine wesentliche konjunkturelle Rolle. Es sind ohnehin nur 5 Prozent der Bevölkerung am Aktienmarkt aktiv. Weder hatte der dynamische Anstieg der Aktienmärkte von Herbst 2014 bis Frühjahr 2015 eine konjunkturelle Wirkung, noch der dann folgende Rückgang.

Wir stehen 2016 vor der Umsetzung des Projekts der Seidenstraße, das statistisch ab Mitte des Jahres positive Akzente für die Konjunktur Chinas setzen sollte. Vor diesem Hintergrund ist ein Wachstum in Höhe von 6,7 Prozent bis 7,0 Prozent per 2016 in hohem Maße wahrscheinlich. Sie sehen mich entspannt!

Welche Herausforderungen dürften Anleger in den kommenden Monaten außerdem beschäftigen?
Mit der Fokussierung auf China wurde die massive Wachstumsverfehlung der USA per 2015 aus dem Fokus genommen und übrigens auch die positive Überraschung aus der Eurozone in der Wahrnehmung neutralisiert. Lag die Prognose per 2015 für das US-BIP jenseits der 3-Prozent-Marke, müssen nach aktueller Datenanalyse die Prognosen wohl auf circa 2 Prozent reduziert werden. Im laufenden Jahr wird die US-Konjunktur mindestens mit dem Begriff der Rezession flirten. Das produzierende Gewerbe, 12 Prozent der US-Wirtschaftsleistung, befindet sich bereits in einer Rezession. Der Konsum wackelt, der mit circa 70 Prozent der US-Wirtschaftsleistung in Verbindung steht, weil die Konsumverschuldung seit 2008 um mehr als 30 Prozent zulegte und die mittleren Einkommen nominal seit 2008 nur um circa 4,5 Prozent stiegen.

Die Kreditvergabestandards sind mittlerweile so lax wie vor 2008! In den USA wurden seit der Krise keine Strukturreformen gemacht, sondern schlussendlich das Regime, das zur Krise 2008/2009 führte, wiederbelebt. Die Exportseite wird durch den festen US-Dollar erodiert. Sollten Zinsen seitens des Offenmarktausschusses der Federal Reserve weiter erhöht werden droht hier Ungemach.

Die USA sind ökonomisch neben dem UK konjunkturelle Wackelkandidaten. Die geopolitischen Risiken sind so ausgeprägt wie seit der Kubakrise nicht mehr. Dieses Risikocluster wird uns weiter extrem beschäftigen. Die Fliehkräfte nehmen in der EU von Osteuropa bis Großbritannien zu. Hier sind verschärfte Gemengelagen jederzeit mit destabilisierenden ökonomischen als auch Marktfolgen nicht auszuschließen. Gleichwohl gilt es zwischen EU und Eurozone zu differenzieren. Die extreme Niedrigzinspolitik, ergo das System politischer Preise, kann zu zukünftigen Systemkrisen beitragen. Ergo sind die Unsicherheiten per 2016 ausgeprägt.

2016 dürfte Marktkennern zufolge ein Jahr mit großer Volatilität werden. Welche Strategien empfehlen Sie angesichts dieser Unsicherheiten?
Wesentlich muss man die mit den Risiken korrelierten Chancen erkennen. Aktives Management der Positionen bezüglich der hohen Volatilitäten ist absolut unverzichtbar. In Schwäche gilt es, solide Aktienportfolios aufzubauen. Die Edelmetallmärkte haben das Potential 2015 die seit 4 ½ Jahren anhaltende Korrektur zu beendigen. Mit der Seidenstraße steht das Thema Ende der Baisse der Industrierohstoffe und der Ölpreise als Möglichkeit im zweiten Halbjahr 2016 im Raum.

Mitte Januar startete der BLB Global Opportunities Fund, den Sie zusammen mit einem Team managen. Was hat Sie dazu bewogen, selbst im Portfolio-Management mitzuarbeiten und was wollen Sie anders machen als andere Konzepte?
In unserem täglich erscheinenden Forex-Report bieten wir unter anderem eine Börsenampel an. Die Performance ist seit Jahren überzeugend. Kunden und Nichtkunden haben uns darauf angesprochen, wann wir diese Expertise in ein Anlageangebot umsetzen. Dem sind wir mit diesem Produkt nachgekommen. Ich freue mich, meinen Input liefern zu können und mich dieser Herausforderung stellen zu dürfen. Unser Team, das das Modellportfolio bereits im letzten Jahr als Trockenübung erfolgreich umsetzte, funktioniert auf fachlicher und menschlicher Basis sehr gut und ist sehr motiviert.
Das Konzept verbindet durch die Assetauswahl via Scorecard konservative Anlageansätze mit aktivem Management einer Personengruppe, die 150 Jahre Berufserfahrung vorweisen kann. Uns ist es wichtig, die großen Themen, Beispiel Seidenstraße, rechtzeitig auf dem Radarschirm der Chancen zu haben, ebenso wie die anstehende US-Malaise auf dem Radarschirm der Risiken.Der Mainstream ist für uns nicht ausschlaggebend.

Kennzeichnend für Ihren Fonds sollen eine besondere Flexibilität und ein betont aktives Management sein. Nach welchen Kriterien wollen Sie die Titel auswählen?
Wir haben eine Scorecard, die uns bezüglich der wesentlichen Unternehmenskennziffern in der Auswahl hilft. Hier wird quasi ein „Warren Buffett“-Ansatz gelebt.

Welche Vorzüge hat Ihre Herangehensweise?
Unsere Vorgehensweise kombiniert Nachhaltigkeitsansätze mit den Erfordernissen der heutigen Märkte. Mario Draghi sagte im letzten Jahr treffend, dass die Volatilitäten zunehmen würden. Diese Tendenz wird sich verstärken. Unser aktives Management ist die Antwort darauf.

Wie wollen Sie aktientypische Risiken in Ihrem Portfolio absichern?
Wir werden die Sicherungsphasen mit entsprechenden Futures absichern. Wie sich bereits in weiteren von uns gemanagten Fonds gezeigt haben, lässt sich dank der Scorecard selbst bei neutraler Positionierung noch Ertrag erwirtschaften.

An welchen Anlegertyp richten Sie sich mit Ihrem Konzept?
Das aktive Management bedeutet nach der geltenden Regulatorik, dass es für den sportlichen Investor geeignet ist. Der Trackrecord der Börsenampel, die wir bis auf 2007 zurückgetestet haben, lieferte im schlechtesten Jahr nur 8 Prozent Bruttoertrag...

Herr Hellmeyer, vielen Dank für dieses Interview!