Die britischen Fondsanbieter bekommen mit etwas Verzögerung die volle Wucht des Brexit-Schocks zu spüren. Seit dem Jahr 2012 wurde in keinem Monat so viel Geld aus den Fonds in Großbritannien abgezogen, wie in diesem Juni: Insgesamt belaufen sich die Nettomittelabflüsse der vier großen Anbieter M&G, Schroders, Fidelity und Invesco, auf jeweils mehr als eine Milliarde Pfund, so eine Analyse von Morningstar, die erstmals konkrete Daten liefert, wie die britischen Asset-Manager vom Brexit getroffen wurden.

Neben der Frage, wie die Fondsanbieter überhaupt aus Großbritannien weiter arbeiten sollen, treibt die Investoren auch die Sorge um britische Firmen um: „Die Fondsmanager aus Großbritannien leiden vor allem darunter, dass die Anleger ihr Risiko minimieren wollen und sich daher aus Aktienfonds zurückziehen, um so die Abhängigkeit von Unternehmen reduzieren, die voraussichtlich verlieren werden“, zitiert die Financial Times den Europa-Direktor von Mornigstar, Ali Masarwah. Die Risikominimierung im vergangenen Monat sei eine Folge des Brexit-Votums. „Die betroffenen Fondsgesellschaften sind britisch oder haben ihre Basis im Vereinigten Königreich“, so Masarwah.

Es war vorherzusehen, dass die Investoren ihre Mittel aus den Fonds ziehen. „Das war im Wesentlichen die Massenflucht der nervösen Anleger“, zitiert die FT weiter. In der Zeit unmittelbar nach dem Referendum fiel das Pfund auf ein 30-Jahres-Tief und die Märkte gerieten durcheinander. Die Aktienkurse zahlreicher börsennotierter Vermögensverwalter in Großbritannien brachen ebenfalls ein.

Keine Entspannung
Die Aussichten der Fondsmanager sind daher auch nicht besonders rosig, wie eine Umfrage von Merrill Lynch zeigt: vor dem Referendum hatten noch 26 Prozent der befragten Fondsmanager Aktien aus der Eurozone übergewichtet. Nach dem Brexit waren es nur noch vier. Das war laut Merrill Lynch der heftigste Positionswechsel innerhalb eines Monats seit drei Jahren.

Entspannung ist nicht in Sicht, denn die aktuellen Wirtschaftszahlen aus Großbritannien sind beunruhigend: Der britische Einkaufmanagerindex ist im Juli von 52,4 auf 47,7 Punkte abgestürzt, so eine Analyse von Markit. So niedrig war der Wert das letzte Mal im April 2009 – mitten in der Finanzkrise. Der britische Aktienindex FTSE gab nach Veröffentlichung dieser Daten erstmal deutlich nach. Ab einem Wert unter 50 Punkten gilt eine Rezession als sehr wahrscheinlich.

Bei den britischen Immobilienfonds zeigte sich die Skepsis der Investoren bereits in vollen Zügen: Weil zahlreiche Anleger ihr Kapital aus dem Fonds ziehen wollten, mussten einige Fonds sogar geschlossen werden. Um die Anleger zu bedienen, müssen einige Fonds jetzt ihre Immobilien verkaufen – in einer denkbar schlechten Marktphase.

Politik beruhigt
Die Politik beschwichtigt indes: Für den Herbst hat der britische Finanzminister Philip Hammond ein Konjunkturprogramm in Aussicht gestellt. Es werde eine „fiskalische Antwort“ geben, so Hammond am Rande des G20-Finanzministertreffens in China. Die britische Wirtschaft habe sich aufgrund der „Unsicherheit“ nach dem Brexit-Votum verschlechtert. Hammond hofft daher auf schnelle Austrittsverhandlungen mit der EU: „Die Unsicherheit wird erst aufhören, wenn das Abkommen geschlossen ist“, so der Finanzminister.

Aufhorchen ließ auch der neue britische Außenminister und Brexit-Befürworter Boris Johnson. Bei seiner ersten US-Reise im Amt versicherte er, dass die Banken in Großbritannien ihren EU-Pass behalten sollen. Das hieße, dass britische Geldhäuser ihre Dienste und Produkte weiterhin in den EU-Staaten anbieten können. Diese Aussage wurde mit Erstaunen aufgenommen, da die Voraussetzung für einen EU-Pass eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union voraussetzt. Wie genau das umsetzbar sein soll, hat Johnson vorerst nicht beantwortet. Der Brexit selber könnte Europas Banken bis zu 40 Milliarden Euro kosten.

Der richtige Zeitpunkt
Bis zum planmäßigen Austritts Großbritanniens werden noch mindestens zwei Jahre vergehen. Für Anleger besteht nun die Kunst, den richtigen Zeitpunkt für einen Widereinstieg in die Märkte zu finden. Ein Beispiel ist etwa der Aktienfonds „Capital Group European Growth and Income Fund“ (ISIN: LU0193726345), der mit einem Anlageschwerpunkt von 41,50 Prozent in Großbritannien involviert ist (Frankreich an zweiter Stelle mit 12,40 Prozent). Der Fonds wird auf Einzeltitelebene ohne Berücksichtigung der Indexgewichtung verwaltet.

Fonds, die auf deutsche Titel setzen, konnten die Auswirkungen des Brexits im Vergleich etwas abfedern, zum Beispiel der „DWS Aktien Strategie Deutschland LC“ (ISIN: DE0009769869), der vorwiegend in deutschen Standardwerten (Blue Chips) und wachstumsstarken mittleren (Mid Caps) und kleineren Werten (Small Caps) investiert.

Am wenigsten mit dem Brexit zu tun hatten Fonds, die auf US-Titel setzen, wie der DWS Top Dividende LD (DE0009848119), der 41,30 Prozent seines Portfolios in US-Aktien hält. Nach Angaben des Emittenten ist bei der Aktienauswahl die Höhe der Dividendenrendite ein wichtiges Kriterium.