Neuer Markt und Subprime-Kredite: Die größten Blasen der jüngsten Geschichte


Zum Jahrtausendwechsel gingen die Aktienkurse am Börsensegment „Neuer Markt“ durch die Decke. Was heute als „Dotcom-Blase“ bekannt ist, war eine weltweite Überbewertung neuer Unternehmen, vor allem im IT-Bereich. Diese gingen an die Börse, ohne vorher jahrelange Gewinne vorzuweisen. Der mit viel Medienrummel und Werbung begleitete Börsengang der Deutschen Telekom und der allgemeine Hype um neue Kommunikationstechnologien förderten das Aufblähen der Blase. Selbst Start-ups, die Verluste schrieben und absurde Geschäftsideen hatten, wurden von Banken und Anlegern mit Geld gespeist. Falsche Ad-hoc-Meldungen der Unternehmen über Projekte sollten die Investoren bei Laune halten und ihre Fantasie ankurbeln. Teilweise erfundene Aufträge und Kunden täuschten in manchen Unternehmen einen nicht vorhandenen Umsatz vor. Die Partystimmung konnte jedoch nicht auf Dauer die Verluste der Firmen kaschieren. Nachdem der Nasdaq (National Association of Securities Dealers Automated Quotations) in den USA und der Nemax (Neuer-Markt-Index) in Deutschland im März 2000 ein Rekordhoch erlebte, brachen die Kurse ein. Zwei Drittel der Unternehmen am Neuen Markt gingen insolvent, laut Manager Magazin wurden etwa 200 Milliarden Euro Börsenbewertung verbrannt, etliche Arbeitnehmer im IT-Bereich wurden arbeitslos. Im Juni 2003 wurde der Nemax von der Deutschen Börse geschlossen.


Um den wirtschaftlichen Abschwung durch die Dotcom-Blase und die Anschläge des 11. Septembers abzufangen, senkte der damalige Vorsitzende der US-Notenbank Alan Greenspan den Leitzins zwischen 2001 und 2005 nach und nach von 6,5 Prozent auf ein Prozent. Aufgrund dieser Senkung wurde es in den USA immer attraktiver, Schulden zu machen und die Amerikaner bekamen den Eindruck, dass jeder ein oder mehrere Häuser kaufen könnte. Finanziert wurde dies mit Subprime-Immobilienkrediten, die kurze Laufzeiten von ein bis fünf Jahren und niedrigeren Zinsen hatten. Diese Kredite waren jedoch wenig bis gar nicht von Eigenkapital gedeckt. Die Anleger spekulierten darauf, die Häuser und Wohnungen nach kurzer Zeit für einen höheren Preis weiterzuverkaufen. Die Blase platzte 2008, woraufhin die Notenbanken und die Politik mit noch niedrigeren Zinsen und dadurch noch billigerem Geld weltweit Rettungsschirme aufspannten. Doch auch wenn das Wort „Spekulationsblase“ wie ein Ereignis der Gegenwart klingt, entstand die „Mutter aller Blasen“ bereits 1636/37 in den Niederlanden.


Die Niederlande – ein Land im Blütenrausch


Zu Beginn des 17. Jahrhunderts tobte der Dreißigjährige Krieg in Europa. Die Habsburger in Spanien und Österreich fochten aus dynastischen Gründen vor allem gegen Frankreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark. Die heute beschaulichen Niederlande waren damals aufgrund ihrer Kolonialherrschaft eine Großmacht. In den größten Städten mehrte sich der Reichtum durch den Fernhandel. Das gut betuchte Bürgertum ging der Gärtnerei als Freizeitbeschäftigung nach und präsentierte geladenen Gästen bei Feiern ihre Blumengärten. Eine Blume stach dabei als besondere Schönheit hervor – die Tulpe. Bis heute sind die Niederlande für ihre Tulpenzucht berühmt. Dass die aus der Türkei eingeführte Pflanze jedoch für den ersten Börsencrash der Welt sorgen würde, hatte niemand geahnt.


Exotische Handelsgüter aus der Ferne


Mit Beginn der Neuzeit, also nach der Reformation und zu Beginn der Kolonialzeit, kamen nicht nur seltene Tiere oder Mineralien auf den Schiffen nach Europa. Zahlreiche Pflanzen, die bisher unbekannt waren, eroberten den alten Kontinent. Narzissen, Krokusse oder Iris betörten mit ihrer exotischen Schönheit. Doch eine Blume lief allen anderen den Rang ab – die Tulpe. Das vielseitige Gewächs, das nur zwei Wochen im Jahr blüht, bestach durch ihre wechselnden intensiven Farben und Formen. Eine Zwiebel, deren Blüte in einem Jahr schlicht gelb war, konnte im nächsten Jahr eine dunkelrote hervorbringen. Manche Tulpe begeisterte mit glatten, andere mit fedrigen Blütenblättern. Die Ankunft der Pflanze aus dem Nahen Osten bewegte die Menschen jedoch nicht wie bei anderen neuen Gewächsen dazu, sie zu studieren, um neue Medikamente zu finden. Der Humanismus prägte zwar das Bild vom gebildeten und vielseitig interessierten Menschen, doch die farbenfrohe Blume war vor allem eins – schön. Die Besitzer pflanzten sie vereinzelt und von Erdflächen umrahmt in ihre Gärten und ließen sie sogar portraitieren, um sich auch nach der Blüte an ihrer Schönheit zu erfreuen. Das Zwiebelgewächs wurde mehr und mehr zum Statussymbol. Vor allem in den großen Städten der Niederlande entwickelte sich eine Gier nach den Zwiebeln, die über das Interesse, den Garten damit zu schmücken, weit hinausging. Der Preis für die Zwiebeln stieg immer weiter und so entwickelten sich die Blumen zu einer Geldanlage, die hohe Gewinne versprach. Immer mehr Menschen stiegen in das Geschäft ein und die Begeisterung für Tulpen entwickelte sich zur Tulpenmanie.


Schankhäuser dienten als Handelsplatz


In den Schankhäusern der großen Städte wurden die Verkäufe schriftlich festgehalten und von Tulpenkennern überwacht. Sie schafften auch die Regeln für die Preisgestaltung, so wurde zum Beispiel das Gewicht der Zwiebel ab 1636 für den Preis mitbewertet. Ab Anfang der 1630er Jahre stiegen auch immer mehr Geschäftsleute in den Markt mit ein. Dieser wurde jedoch schnelllebiger, denn die „Bloemisten“ verlangten nach immer ausgefalleneren Variationen, die es vorher noch nicht gab. Immer mehr Kaufleute investierten mit dem Ziel in die Zwiebeln, sie kurz darauf für einen noch höheren Preis weiterzuverkaufen. Bei einer Auktion 1637 wurden die Zwiebeln des kurz zuvor verstorbenen Tulpenzüchters Wouter Bartholomeusz Winkel versteigert. Allerdings waren diese noch im Garten eingegraben. So konnte sie niemand sehen, geschweige denn mitnehmen. Ein Termingeschäft wurde vereinbart und weder Geld noch Ware wechselten an diesem Tag den Besitzer. Solch ein Geschäft war nicht unüblich in den Niederlanden, wurde aber als spekulativ angesehen. Sicherheiten mussten auf beiden Seiten geboten werden. Es ging um viel Geld, denn für Winkels Zwiebeln wurden nie gekannte Höchstpreise erzielt: 70.000 Gulden kamen zusammen, jedoch nur auf dem Papier. Zum Vergleich: 1.500 Gulden entsprachen in etwa dem Gegenwert eines Stadthauses zu dieser Zeit.


Jeder Markt benötigt seinen letzten Käufer


Warum der Markt letztendlich zusammenbrach, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Es ist möglich, dass die Menschen begannen, den hohen Preisen zu misstrauen. Nach und nach brach das Geschäft ein und aus Zweifel wurde Angst, Geld zu verlieren. Die daraus entstandene Panik führte zu Massenverkäufen, sodass die Preise ins Bodenlose fielen. Immer mehr Geschäftsleute erklärten, dass sie die Termingeschäfte zu den vereinbarten hohen Preisen nicht einhalten wollten. Lediglich eine kleine Entschädigung erhielten die geprellten Verkäufer.


„Lege nicht alle Eier in einen Korb“


Heute gilt der Zusammenbruch des Tulpenmarktes als die erste geplatzte Spekulationsblase und wird immer wieder als Vergleichsbeispiel herangezogen. Die Tulpenmanie zeigt, wie stark die Psyche und Emotionen auf den Börsenmarkt einwirken können und dass eine gute Risikostreuung im Portfolio vor Totalverlusten schützen kann. Bei einem „Trendobjekt“ steht immer die Frage im Raum, ob es tatsächlich den ihm zugeschrieben en Gegenwert besitzt. Im Rückblick erscheint es nahezu unglaublich, dass eine Blumenzwiebel mehr wert sein konnte als Gold. Daher ist es sinnvoll, das Risiko-Rendite-Profil bei jedem Investment zu überdenken. Je höher die Chancen auf einen hohen Gewinn, desto größer ist (in der Regel) auch das Risiko für Verluste.