Die Bergpredigt ist wegen ihrer neun Seligpreisungen bekannt. Lawrence Dougas Fink nennt seine Mitteilung zwar „Brief an die CEOs“, im Grunde handelt es sich aber auch um eine Predigt, denn in jenen Teilen, die über das Erklären ökonomischer Zusammenhänge hinausgehen, redet er der Wirtschaftselite direkt ins Gewissen und fordert eine Umkehr. Dabei beschränkt er sich auf zwei Preisungen, nämlich den Kapitalismus und den ökologischen Umbau der Wirtschaft: „Ich bin sehr optimistisch, was die Zukunft des Kapitalismus und der Wirtschaft anbelangt – nicht trotz der Energiewende, sondern gerade wegen ihr.“


Hatte Fink im vergangenen Jahr das Thema erstmals prominent in seinem Brief an die CEOs eingeführt, lässt sich jetzt gewissermaßen ein next-level erkennen. Fink spricht die Entscheider direkt an: „Je stärker sich der Übergang beschleunigt, desto mehr werden sich Unternehmen mit einer fundierten langfristigen Strategie und einem Plan für den Übergang zur Klimaneutralität bei ihren Stakeholdern profilieren. Also bei Ihren Kunden, den politischen Entscheidungsträgern, Ihren Mitarbeitern und Aktionären, die Ihnen vertrauen, dass sie Ihr Unternehmen gut durch diesen globalen Transformationsprozess steuern werden.“ Bei jenen Unternehmen dagegen, die die nötigen Anpassungen auf die lange Bank schieben, würden das Geschäft und die Bewertungen leiden – Umkehr also.


Der Ruf nach Zusammenarbeit mit dem Staat


Äußerst bemerkenswert und für einen US-amerikanischen Erz-Kapitalisten eine ordnungspolitisch geradezu revolutionäre Erkenntnis: Fink hält ein gedeihliches Zusammenspiel von staatlicher Führung und dem privatwirtschaftlichen Sektor nicht nur für angezeigt, sondern alternativlos. „Für einen erfolgreichen Übergang, bei dem die Lasten gerecht verteilt sind und der unsere Lebensgrundlagen nicht gefährdet, sind technologische Innovationen und eine auf Jahrzehnte angelegte Planung unverzichtbar. Erreicht werden kann er nur durch staatliche Führung, Koordinierung und Unterstützung auf allen Ebenen.“ Gemeinsam mit dem Privatsektor müssten Regierungen daran arbeiten, den Wohlstand zu maximieren. Besonders erwähnt Fink, dass in diesem Transformationsprozess die Menschen in den Entwicklungsländern Beachtung finden müssen, also „den Schwächsten keine doppelten Lasten“ aufgebürdet werden.


Der BlackRock-CEO betont erneut: „Klimarisiken sind auch Investmentrisiken. Aber wir sind auch überzeugt, dass die klimabedingten Veränderungsprozesse historische Anlagechancen mit sich bringen.“ Sehr erfreut zeigt er sich, dass trotz Corona-Pandemie und deren wirtschaftlichen Auswirkungen die Kapitalumschichtung in nachhaltige Anlagen noch stärker ausgefallen sei, als er erwartet hatte. „Von Januar bis November 2020 investierten Anleger weltweit 288 Milliarden US-Dollar in Nachhaltigkeitsfonds und -ETFs. Das ist ein Anstieg von 96 % gegenüber dem Vorjahr.“ Er sei überzeugt, dass dies der Beginn eines sich rasant beschleunigenden Wandels ist, der sich über viele Jahre hinweg vollziehen und die Preise von Vermögenswerten jeglicher Art grundlegend verändern werde.


Klare Berichterstattung gegen Greenwashing


Besondere Beachtung schenkt Larry Fink dem Greenwashing. Eine fundierte Einschätzung von Nachhaltigkeitsrisiken sei Anlegern nur möglich, wenn sie Zugang zu konsistenten, verlässlichen und wesentlichen Informationen haben. Aus diesem Grund hatte BlackRock im vergangenen Januar alle Unternehmen aufgefordert, ihre Nachhaltigkeitsberichte an den Empfehlungen der Task-Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und den Standards des Sustainability Accounting Standards Board (SASB) auszurichten. „Die seitdem zu beobachtende Entwicklung ist überaus ermutigend: Die Zahl der Unternehmen, die Berichte gemäß den SASB-Empfehlungen erstellen, sei um 363 % gestiegen.


Für die Wachstumsaussichten eines jeden Unternehmens werde die Energiewende von zentraler Bedeutung sein. „Wir rufen Unternehmen daher dazu auf, einen Plan vorzulegen, aus dem hervorgeht, wie sie ihr Geschäftsmodell an eine klimaneutrale Wirtschaft anpassen wollen,“ wendet sich Fink direkt an die CEOs, für die er sogar eine klare Forderung hat: „Wir fordern Sie auf darzulegen, wie Sie diesen Plan in Ihre langfristige Geschäftsstrategie einbinden und wie Ihr Aufsichtsrat die Einhaltung überprüfen wird.“


Für die Kommentatoren etwa der New York Times besteht kein Zweifel, dass Finks Brief an die CEOs weitreichende Konsequenzen haben wird angesichts der Marktmacht BlackRocks mit 9 Billionen USD (das ist die unfassbare Summe von 9.000 Milliarden USD) assets under management. Schon im vergangenen Jahr habe BlackRock auf Hauptversammlungen gegen 69 Unternehmen und 64 Vorstände wegen klimaschädlichen Verhaltens gestimmt und 191 Unternehmen auf eine Watchlist genommen, also die Gelbe Karte gezeigt. Lapidare Feststellung dazu im DealBook der NYT: „BlackRock hat viel Einfluss“.


Fazit


Was bedeutet das für Fondsanleger hierzulande? Es dürfte noch gefährlicher werden, in Geschäftsmodelle zu investieren, die auf fossilen Energieträgern basieren. BlackRock selber hat noch 85 Mrd. USD in Kohlefirmen investiert, zumeist in passiven Index-Fonds, die nicht disinvestiert werden könnten – allerdings laufen im Hintergrund Gespräche, diese Unternehmen nachhaltiger auszurichten. Schon in 2020 waren nachhaltige Fonds erfolgreicher, insbesondere solche mit Fokus auf Ökoaktien – es spricht viel dafür, dass sich dieser Trend verstärken wird. Denn, um nochmals die NYT zu zitieren: „Die Briefe von Mr. Fink bestimmen die Unterhaltungen in den Vorstandsetagen bereits seit Jahren.“