FondsDISCOUNT.de: Frau Bliebenicht, Sie sind Teil des Multi-Asset-Teams bei AllianceBernstein. Können Sie uns einen kleinen Einblick in Ihre Aufgaben geben?


Meike Bliebenicht: Ja, gern. Unser Bereich verwaltet Multi-Asset-Fonds und -Portfolios, die nach einem Total-Return- oder Income-Ansatz gemanagt werden. Dazu gehören sowohl globale also auch regional ausgerichtete Investmentstrategien, wie zum Beispiel Emerging Markets Multi-Asset und China Multi-Asset.


Mein Team und ich stellen die Schnittstelle dar zwischen dem Investmentteam und ABs Relationship-Management- und Vertriebsteams. Wir kommunizieren die Investmentstrategie und Portfoliopositionierung sowie unseren Marktausblick. Ich arbeite dazu eng mit den Portfoliomanagern und den Makroökonomen zusammen, habe aber auch regelmäßigen Kontakt mit Vertriebskollegen und Kunden weltweit.


Der Job ist sehr dynamisch und kein Tag ist wie der andere, und das liegt mir. Außerdem manage ich ein kleines globales Team. Mit der richtigen Teamkultur kann man viel miteinander und voneinander lernen. Es macht mir viel Freude, die Kollegen zu fordern und zu fördern und auf ihrem Karriereweg zu begleiten.


Auch innerhalb altbewährter Anlagebereiche kann man diversifizieren. Der Multi-Asset-Ansatz von AllianceBernstein setzt aber zusätzlich einen besonderen Fokus auf Integration innovativer Ideen und Titel. Welche Überlegung steckt dahinter?


Die Asset-Allokation ist hauptverantwortlich für Rendite und Risiko jedes Multi-Asset-Portfolios. Die Implementierung der Allokationen sollte dann darauf abzielen, die gewünschten Marktbetas abzubilden und diese durch erfolgreiche Einzeltitelauswahl zu verbessern.


Bei AB profitiert unser Multi-Asset-Team davon, dass wir auf eine breite Palette von Aktien- und Rentenstrategien mit einer starken Erfolgsbilanz zugreifen können. Beispielsweise haben wir gerade eine taktische Präferenz für Schwellenländeraktien. Um diese Position in den Portfolios umzusetzen, nutzen wir momentan unsere aktiv gemanagte wertorientierte Emerging-Markets-Strategie, um vom Rebound der Value-Aktien zu profitieren.


Welche Strategien nutzen Sie zur Auswahl interessanter Titel?


Im Aktienbereich nutzen wir primär einen Bottom-up-Ansatz, der es uns erlaubt, Unternehmen aufgrund ihrer Fundamentaldaten und dem firmen- und sektorspezifischen Ausblick auszuwählen.


Zu unseren momentanen Favoriten gehören Unternehmen in Bereichen, die von einer Rückkehr der Weltwirtschaft zur Normalität profitieren sollten. Dazu zählen beispielsweise Unternehmen des Finanzsektors. Diese sollten zyklisch von der Belebung der Wirtschaftstätigkeit profitieren, weil sie Kredite an die Realwirtschaft vergeben. Weitere Positionen sind Öl- und Gasunternehmen sowie der Automobilsektor. Auch hier erwarten wir, dass Unternehmensgewinn und -umsatz von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage profitieren.


Im Anleihenbereich unserer Multi-Asset-Portfolios verfolgen wir zunächst einen Top-down-Ansatz und konzentrieren uns erst danach auf die Titelauswahl.


Unabhängig von den Anlageklassen und Sektoren stehen bei AllianceBernstein immer die ESG-Themen im Vordergrund. Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen hier erfüllen, um in die engere Auswahl zu kommen?


Der primäre Ansatz von AB, ESG Themen im Portfolio abzubilden, ist die Integration von ESG-Faktoren in die Research- und Investmentprozesse aller aktiv verwalteten Aktien- und Anleihestrategien. Es gibt also keinen separaten ESG-Analysten, sondern der Prozess ist integraler Bestandteil der Titelselektion unserer Fundamental-Research-Teams.


Im Rahmen ihrer umfassenden Analysen verwenden unsere Research-Teams eine Reihe von qualitativen und quantitativen ESG-Indikatoren, zum Beispiel, um die Leistung der Managementteams der Unternehmen zu bewerten, in die wir investieren. Ein anderer Aspekt unseres ESG-Researchs besteht darin, die Corporate-Governance-Struktur der Unternehmen zu analysieren und festzustellen, ob sie über wirksame Risikomanagementstrukturen und Eskalationsprozesse verfügen.


Diese und andere Aspekte fließen dann direkt in die Anlageempfehlungen der Analysten ein und führen auch des Öfteren dazu, dass ein Unternehmen, das unter Betrachtung der Fundamentaldaten allein eine Kaufempfehlung gewesen wäre, aus ESG-Gründen nicht im Portfolio landet.


Nicht nur in Ihrer Rolle als Multi-Asset-Expertin setzen Sie sich für Vielfalt ein, Sie engagieren sich auch beim Diversity Project als Botschafterin für Neurodiversität. Im vergangenen Jahr gewann Ihre Arbeitsgruppe die Auszeichnung „Diversity Initiative of the Year“ der „Women in Finance“. Was genau sind die Ziele dieser Arbeitsgruppe?


Das Diversity Project ist eine im Jahr 2016 ins Leben gerufene Initiative, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Diversität in der Londoner Investmentindustrie zu erhöhen und die Inklusion zu verbessern. Über 70 Asset-Management-Firmen sind mittlerweile Mitglieder der Initiative. Es gibt unterschiedliche Arbeitsgruppen und ich leite die Arbeitsgruppe für Neurodiversität.


Neurodiversität ist ein relativ neuer Aspekt der gesamten Diversität unserer Arbeitswelt und bezieht sich auf die neurologische Vielfalt. Neurodiversität betrachtet Unterschiede darin, wie unser Gehirn "verdrahtet" ist, einfach als eine weitere natürliche Variation unter uns Menschen. Darunter fallen zum Beispiel Kollegen mit Autismus, Legasthenie und ADHS. Es wird geschätzt, dass zehn bis 15 Prozent der Weltbevölkerung neurodivers sind. Wir alle haben also Kollegen, Freunde und Familienmitglieder unter uns.


Unsere neurologische Diversität kann einen besonders wichtigen Beitrag zur allgemeinen Gedankenvielfalt leisten. Neurodivergierende Gehirne sind leicht unterschiedlich vernetzt und denken, lernen und analysieren daher per Definition anders. Aus Sicht eines Unternehmens können diese Unterschiede in den kognitiven Funktionen einen einfachen Zugang zu häufig nachgefragten Fähigkeiten ermöglichen: Menschen mit „einer anderen Denkweise“, die „Dinge anders betrachten“, „etablierte Denkweisen in Frage stellen“.


Es ist jedoch nach wie vor häufig der Fall, dass Autismus, ADHS, Legasthenie und so weiter als defizitär angesehen werden. Beispielsweise kommt es im Arbeitsleben oft vor, dass umfangreiches Vorbereitungsmaterial für ein wichtiges Meeting nur kurzfristig zur Verfügung gestellt wird. Kollegen mit Legasthenie brauchen in der Regel länger, schriftlich verfasstes Material durchzuarbeiten. Oft bevorzugen sie einen aktiven Lernansatz und einen regen Gedanken- und Ideenaustausch. In Schule, Ausbildung und Universität wird dies berücksichtigt, zum Beispiel durch zusätzliche Lesezeit bei Klausuren. In der Arbeitswelt ist dies dann aber oft nicht mehr der Fall. Und Beobachtungen, wie dass Unterlagen nicht detailliert durchgearbeitet wurden und folglich nur limitiertes Wissen bezüglich des Inhalts besteht, werden dann oft negativ bewertet, zum Beispiel als mangelndes Interesse am Thema oder sogar als mangelnde Intelligenz. Dies ist nicht nur für die Person mit Legasthenie sehr frustrierend, sondern vor allem für Unternehmen eine riesige vergebene Chance. Denn der aktive Lernansatz ist auch mit der oft mit Legasthenie verbundenen erhöhten Kreativität in Verbindung zu bringen. Und Kreativität und die Fähigkeit der Innovation sind unter Unternehmen natürlich ein hochgeschätztes und stark nachgefragtes Gut.


Aber die Interpretation von Beobachtungen und Verhaltensweisen vom neurotypischen Standpunkt aus und die daraus schnell entstehenden Schlussfolgerungen und Vorurteile verhindern leider oft, dass wir auf die erstaunlichen Fähigkeiten zugreifen können, die mit unterschiedlichen Denkprozessen unserer neurodiversen KollegInnen einhergehen.


Unsere Arbeitsgruppe möchte das Bewusstsein dafür stärken, dass es kein ideales Gehirn und keine ideale Kombination von Fähigkeiten gibt, die der Maßstab für alle anderen Gehirne sein sollte. Stattdessen gibt es viele verschiedene Arten des Lernens und viele unterschiedliche Wege, hervorragende Ergebnisse zu erzielen.


2019 erhielten Sie die Auszeichnung „Role Model of the Year“ – der Award wird an Frauen verliehen, die andere Frauen und Mädchen dazu inspirieren, in ihrem Job exzellente Leistungen zu erzielen. Was bedeutet Ihnen dieser Award?


Da bin ich immer noch sehr stolz drauf. Ich habe die Auszeichnung für eine Initiative bekommen, die wir vor einigen Jahren in der Investmentindustrie gestartet haben. Die Zugangsvoraussetzung für eine Karriere in der Londoner Finanzwelt ist typischerweise immer noch ein guter Studienabschluss, erworben an einer Universität mit hervorragendem Ruf. Das schließt natürlich viele ansonsten hochqualifizierte Bewerber von vornherein aus. Und wir wollten mit unserer Initiative den Fokus darauf lenken, dass es auch anders geht.


Unser Ausbildungssystem in Deutschland ist ja so aufgebaut, dass man sich für einen Universitätsbesuch entscheiden, aber eben auch durch das duale System sehr angesehene Abschlüsse erreichen kann. Diese eher praxisnahen Ausbildungswege sind aber in Großbritannien, oder allgemein im Ausland, nicht bekannt und zumindest weniger üblich. Das Konzept von Berufsausbildungen gibt es im Vereinigten Königreich auch, es wird allerdings in unserer Branche regelmäßig mit geringen Karrierechancen gleichgesetzt.


Ich selbst habe eine Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht und danach berufsbegleitend meinen Diplom-Bankbetriebswirt. Ich habe dann meine eigene Laufbahn dazu genutzt, den Kollegen in London näherzubringen, dass es auch andere Wege gibt. Natürlich haben die englischen Eliteuniversitäten einen hervorragenden Ruf und ich kenne jede Menge unglaublich schlauer (und netter) Kollegen, die einen Abschluss in Oxford oder Cambridge erworben haben. Der Besuch einer Eliteuniversität sollte aber nicht der einzige Weg zu beruflichem Erfolg sein.


Wir haben also eine Reihe von Informationsveranstaltungen und Initiativen in den Investmentfirmen gestartet, die darauf aufmerksam machen sollten. Außerdem haben wir Kontakte zwischen Investmentfirmen und Universitäten hergestellt, die einen eher geisteswissenschaftlichen oder künstlerischen Fokus haben, um den akademischen Talentpool zu vergrößern. Die Initiative hatte guten Erfolg, und obwohl wir natürlich noch immer nicht am Ziel sind, sind die ersten Schritte gemacht.


Frau Bliebenicht, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!


Aktuelle Multi-Asset-Fonds von Alliance Bernstein


AB SICAV I - Emerging Markets Multi-Asset Portfolio A EUR (ISIN: LU0633140644)


AB FCP I - Dynamic Diversified Portfolio A EUR (ISIN: LU0592679061)


AB SICAV I - All Market Income Portfolio A EUR H (ISIN: LU1127386651)


Wertentwicklung im Fünf-Jahreszeitraum