Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Aufwendungen eines in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten geschlossenen Fonds für die Fondsetablierung („weiche Kosten“, wie zum Beispiel die Provision für die Eigenkapitalvermittlung oder Honorare für die Fondskonzeption, Prospektgutachten sowie Steuer- und Rechtsberatung) in voller Höhe als Anschaffungskosten der erworbenen Wirtschaftsgüter zu behandeln, wenn sich die Kommanditisten aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligen (so zum Beispiel BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 8/10). Die Finanzverwaltung ist dieser Rechtsprechung in dem so genannten Bauherrenerlass gefolgt. Der Erlass und die daraus folgende Aktivierung der Initialkosten wurde anhand der BFH-Rechtsprechung entwickelt, um Fondsgestaltungen mit hohen Anfangsverlusten zu sanktionieren.


Das Urteil


Der vierte Senat des BFH hat nun mit Urteil vom 26. April 2018 (Az. IV R 33/15) entschieden, dass diese Rechtsprechung für Jahre seit dem Inkrafttreten von Paragraf 15b EStG nicht mehr anzuwenden ist. Denn diese Rechtsprechung beruhte auf der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung, für die der Gesetzgeber nunmehr durch Paragraf 15b EStG eine eigene Regelung getroffen hat. Der Gestaltungsmissbrauch wurde darin gesehen, dass statt der wirtschaftlich veranlassten Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für das anzuschaffende Wirtschaftsgut gesonderte Verträge über Dienstleistungen mit entsprechenden Honoraren vereinbart wurden, um auf diese Weise sofort abzugsfähige Ausgaben zu schaffen, die zu einer erheblichen Senkung der Steuerlast der Anleger führten.


Der BFH ist nun der Ansicht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Paragrafen 15b EStG eine Regelung getroffen hat, die auch die von der früheren Rechtsprechung als rechtsmissbräuchliche Gestaltung erfassten Sachverhalte regelt. Nach Paragraf 15b Abs. 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle, also dem einzelnen Fonds, erzielt.


Konsequenzen


Lisa Welne, Steuerberaterin bei Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, weist darauf hin, dass mit dem BFH-Urteil vom 26. April 2018 die Anwendung des Bauherrenerlasses durch die Finanzverwaltung verworfen wird. Die Folgen dieser Rechtsprechung gehen daher über den entschiedenen Einzelfall hinaus. Und auch wenn Gegenstand des Urteils ein Fonds war, der gewerbliche Einkünfte erzielt hat, ist das Urteil ebenfalls für geschlossene Immobilienfonds mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anwendbar, so Welne. Sie weist darauf hin, dass im BFH Urteil ausgeführt wird, dass im Entwurf zum Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen (§ 15b EStG) auch Verluste „aus … Vermietung und Verpachtung (insbesondere geschlossene Immobilienfonds)“ mitinbegriffen waren.


Die Nutzung der Anfangsverluste klingt auf den ersten Blick positiv, kann sich für geschlossene Immobilienfonds jedoch auch negativ auswirken. Durch die Berücksichtigung der Fondsetablierungskosten erhöht sich zwar das Verlustverrechnungspotenzial. Welne warnt vor einem unerfreulichen Nebeneffekt: „Sollte in den Jahren bis zur Veräußerung der Immobilie der Verlust nicht durch die laufenden Erträge gedeckt sein beziehungsweise sich vergrößern, wird kein Totalüberschuss aus der reinen Vermietungstätigkeit erzielt.“ In diesem Fall könnte die vom BFH entwickelte „Verklammerungstheorie“ zur Anwendung kommen. Der BFH sieht dann eine gemischte Tätigkeit zwischen der Veräußerung und den laufenden Mieterträgen. Diese ist als eine einheitliche – über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinausgehende – gewerbliche Tätigkeit zu behandeln, so Welne. Und bei gewerblichen Einkünften ist die sonst steuerfreie Veräußerung der Immobilie nicht mehr möglich.


Reaktion der Anbieter


Die Anbieter von geschlossenen Fonds, die heute alternative Investmentfonds (AIF) heißen, sehen die geänderte Rechtsprechung mit Gelassenheit. Die steuerlichen Berater der Hahn Gruppe sind der Auffassung, dass das Urteil die Hahn-Fonds nicht betrifft. Bei dem Urteil ging es um ein Blindpool-Konzept, bei dem die Fondsetablierungskosten klar von den Anschaffungsnebenkosten des Erwerbs der Investitionsgüter abgetrennt werden konnten. Da bei den Hahn-Fonds aber das Investitionsgut bereits feststeht, können hier die Etablierungskosten nicht eindeutig von den Erwerbsnebenkosten des Investitionsgutes getrennt werden und sind insofern im Zweifel den Anschaffungskosten zuzurechnen und somit aktivierungspflichtig. Wäre die BFH-Rechtsprechung auch auf die Hahn-Fonds anwendbar, so wäre dies aus vertrieblicher Sicht sogar positiv, argumentiert Hahn. Es würde dazu führen, dass bei den Hahn-Fonds eine Verlustzuweisung von etwa 15 bis 16 Prozent entstehen würde, womit der steuerliche Totalüberschuss in der Regel im sechsten Jahr erreicht werden könnte und die Ausschüttungen in den ersten fünf Jahren steuerfrei blieben. Patrizia weist darauf hin, dass man sich unmittelbar nach Veröffentlichung des BFH-Urteils damit beschäftigt und die betroffenen Fonds entsprechend analysiert hat. In Abstimmung mit den steuerlichen Beratern wird prognosegemäß auch unter der neuen Rechtsprechung ein steuerlicher Totalgewinn erzielt, so Patrizia. INP verweist darauf, dass sich die Finanzverwaltung zu diesem BFH-Urteil noch nicht geäußert hat und insofern die Anwendbarkeit des Urteils auf Fonds abzuwarten bleibt. Sollten die Fondsetablierungskosten tatsächlich sofort abzugsfähig sein und nicht mehr aktiviert werden müssen beziehungsweise dürfen, würde sich ein steuerlicher Anfangsverlust ergeben, der beim aktuellen „26. INP Deutsche Sozialimmobilien“ bei prognosegemäßem Verlauf durch in den Folgejahren entstehende steuerliche Gewinne bereits im Jahr 2024 ausgeglichen werden würde. Insofern ist kein Gewinn aus der Veräußerung der Objekte notwendig, um einen steuerlichen Totalüberschuss zu erzielen, so INP. Auch die Hannover Leasing weist darauf hin, dass das oben genannte Urteil noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde und deshalb über den entschiedenen Einzelfall (Schiffsfonds mit gewerblichen Einkünften) hinaus grundsätzlich nicht anwendbar ist. Fraglich sei daher, ob und wie die Finanzverwaltung dieses BFH-Urteil umsetzt, insbesondere, ob dieses für alle modellhaften Investitionsvorhaben und auch für vermögensverwaltende Fonds angewandt werden wird, so die Hannover Leasing. Die Hannover Leasing sieht daher aktuell noch keine rechtssichere Grundlage hinsichtlich der Anwendung des oben genannten BFH-Urteils und prüft das künftige Vorgehen noch intern. Für den Fall, dass auch vermögensverwaltende Fondsgesellschaften betroffen sind und die Finanzverwaltung dieses Urteil anwenden sollte, wären ergänzend mögliche Folgeeffekte im Zusammenhang mit der Anwendung der so genannten Verklammerungstheorie abzuklären.