Nicht mehr Politiker, sondern Notenbanker planen die Wirtschaft. Das wurde auch am Donnerstag wieder deutlich, als Japans Notenbankpräsident Haruhiko Kuroda verkündet, die Geldpolitik in Japan nicht weiter lockern zu wollen. Damit hat die Bank of Japan (BoJ) die Märkte bewusst verunsichert, so Japan-Experte Jesper Koll, CEO der ETF-Sparte von WisdomTree in Japan.

„Die Entscheidung zur Zurückhaltung war konservativer, als sich das viele Marktteilnehmer gewünscht hatten. Aber das bedeutet keineswegs, dass Abenomics gescheitert ist“, so Koll, der vor seiner Tätigkeit als ETF-Chef bei WisdomTree das Equity Research Team von JPMorgan Chase angeführt hat und auch bei Merrill Lynch als Ökonom tätig war. Die Einführung weiterer geldpolitischer Maßnahmen wäre aus der Sicht der BoJ ein Zugeständnis gewesen, dass die bisherigen Bemühungen, allen voran die Einführung der Negativzinsen im Januar, gescheitert sind. Doch das sei ganz und gar nicht der Fall. Die BoJ befinde sich auf einem ruhigen und bestimmten Weg. „Die Konfrontation mit den Erwartungen des Marktes wurde von der BoJ unserer Ansicht nach bewusst in Kauf genommen“, so der ehemalige Hedgefonds-Manager.

An ein derart abruptes Ende der ultralockeren Geldpolitik in Japan glaubt Koll noch nicht. Er rät dazu, die nächste Fiskal-Ausgaben-Initiative im Mai abzuwarten. Dann könne die BoJ den Märkten bereits zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen. Im Rahmen der Abenomics sollen Fiskal- und Geldpolitik koordiniert werden. „Sobald die Behörden sicher sind, dass dies geschieht, werden diese weiteren geldpolitischen Anreize kommen – vielleicht schon im nächsten Monat“, so Koll.

Japans Geldpolitik liefert Blaupause für die EZB
Bereits 40 Prozent aller Anleihen in Japan befinden sich im Portfolio der Zentralbank, das entspricht Schätzungen zufolge umgerechnet etwa 25 Milliarden Euro. Wenn es nach den Marktteilnehmern geht, dann soll die Zentralbank nahezu 100 Prozent aller Anleihen aufkaufen. Denn auf diese Weise landen sämtliche Staatsschulden – im Fall Japans sind das bombastische 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – bei der Notenbank. Die heutige Ankündigung des Zentralbankchefs, die Maßnahmen nicht auszuweiten führte dazu, dass der japanische Aktienindex Nikkei deutlich einbrach.

Die Europäische Zentralbank ist in ihrem Geldpolitikzyklus der Strategie Japans gefolgt. Bereits etwa 30 Prozent aller verfügbaren Staatsanleihen befinden sich in ihrem Besitz. Tendenz steigend, denn Mario Draghi hat sein Ankaufprogramm bereits ausgeweitet und will ab Juni sogar Unternehmensanleihen in das Portfolio aufnehmen. Für den weiteren Verlauf der Geldpolitik in Europa ist es daher denkbar, dass die EZB die Finanzmärkte künftig häufiger enttäuschen könnte. Japan macht es vor.