In China geschah der erste große Ausbruch des Virus. Nach offiziellen Zahlen, deren Wahrheitsgehalt letztlich jeder Investor selber bewerten muss, scheint die Situation dort unter Kontrolle. Viele Unternehmen fahren die Produktion wieder hoch. Heißt dies, nun vermehrt in chinesische Titel oder solche, die dort über große Produktionsstätten verfügen, zu investieren, weil dort der Aufschwung beyond Corona als erstes startet? Michael Lai, Portfoliomanager in China bei Franklin Templeton Emerging Markets Equity, unterstreicht, dass die inländische Stimmung in China im Vergleich zur ausländischen Betrachtungsweise viel widerstandsfähiger gewesen sei. „Die chinesische Regierung hat einen klaren politischen Fahrplan herausgegeben und alle geeigneten Instrumente, sei es die Geld- oder die Finanzpolitik, eingesetzt und konnte Ressourcen zur Bekämpfung des Virus umleiten“ so Lai. Allerdings: Während zu Beginn einige Marktkommentatoren davon ausgingen, dass das Virus nur das erste Quartal negativ beeinflussen würde, werde es nun „trotz aller Maßnahmen mindestens zwei Quartale dauern, bis wir eine Erholung sehen. China wird sich erholen, aber nicht sehr schnell und auch erst einmal nicht raketenartig.“


Auch Fabrice Jacob, CEO der JK Capital Management Ltd. mit Sitz in Hong Kong, sieht die Situation in Asien als vielschichtig an. Asiatische Anleihen verzeichneten in der vergangenen Woche starke Kursrückgänge, als eine Welle der Risikoreduzierung über die globalen Märkte hinwegfegte. Es sei zu beobachten gewesen, dass die Kurse festverzinslicher Anlagen begannen, sich deutlich von den Fundamentaldaten abzuheben. Trotz Anzeichen einer Stabilisierung des Virusausbruchs in China hätten alle Sektoren in Asien nur wenig von der globalen Abwärtsbewegung profitiert.


Auf der Aktienseite sei die Lage besser, da die wichtigsten Aktienmärkte im asiatischen Raum weiterhin sehr liquide sind. Der A-Aktienmarkt Chinas (Shanghai und Shenzhen) sei in dieser Hinsicht außergewöhnlich und habe in diesem Jahr bisher eine sehr deutliche Outperformance gegenüber dem Rest der Welt erzielt. Es sei daran erinnert, dass der Markt für A-Aktien weitgehend von der heimischen Wirtschaft bestimmt wird, die ausländische Beteiligung liegt nach wie vor im einstelligen Bereich, und dass China im Kampf gegen das Coronavirus der Welt voraus ist. Die chinesische Regierung habe es geschafft, nach mehr als zwei Monaten der Abriegelung etwa 80 Prozent ihrer Wirtschaftstätigkeiten wieder zu aktivieren und konzentriert sich nun auf die wirtschaftliche Belebung.


Gute Investitionschancen sieht Jacob auch in Hongkong, Taiwan und Korea, da diese Länder ihre Liquidität gut erhalten hätten, weil die nationalen Investoren auf diesen Märkten in der Regel über hohe Barreserven verfügen. „Die Stabilität des chinesischen RMB und des taiwanesischen Dollars sind weitere Gründe, warum diese beiden Märkte relativ sichere Handelsplätze sind.“ Weniger positiv gestimmt ist der Experte aus Hong Kong für Südostasien (Indien, Indonesien, Thailand, Malaysia, Philippinen). Die Währungen dieser Länder haben in den letzten Tagen starke Abwertungsbewegungen erfahren, die einen starken Verkaufsdruck von ausländischen Investoren ohne ein großes nationales Kaufinteresse auslösten. Eine Reihe von Unternehmen in diesen Märkten erfuhren Tag für Tag einen „Limit-Down“ und wurden infolgedessen vom Handel ausgesetzt. Das erklärt auch, warum China-Fonds aktuell im Schnitt eine bessere Performance als Asien-Fonds aufweisen.


Losgelöst von der Frage, ob es eine schnellere oder langsamer Erholung der Wirtschaft gibt zeigt sich Michael Lai überzeugt, dass sich die Art und Weise, wie die Menschen auf der ganzen Welt leben, durch die Umsetzung der "social distancing" Vorgaben grundlegend verändert hat. Da beispielsweise immer mehr Unternehmen auf Home Office umsteigen, seien besonders Anbieter von Rechenzentren interessant. An anderer Stelle könnten große On-Demand-Lieferservices profitieren, da sich der Lebensmittelkonsum der Kunden in den letzten Wochen dramatisch verändert hat. Diese Art von Unternehmen hat sich im Zuge des Coronavirus zu einem "kontaktlosen Lieferservice" entwickelt. Für das produzierende Gewerbe bleibt der Franklin-Templeton-Experte vorsichtig, denn selbst wenn man in China wieder uneingeschränkt produzieren könne bleibe der Nachfrageschock bestehen: „Zum Beispiel werden die Hersteller von Kopfhörern in China noch nicht die volle Produktion aufnehmen wollen, weil die Nachfrage nach dieser Art von Produkten im Moment sehr gering ist. Die langfristige Geschichte der chinesischen Wirtschaft bleibt unserer Ansicht nach gleich - die Trends in Technologie, Konsum und Marktkonsolidierung erfahren Gegenwind und sind vor große Herausforderungen gestellt, werden aber nicht verschwinden.“


Massive Veränderungen in der Arbeitswelt und im Freizeitverhalten erwartet Nina Lagron, Head of Large Cap Equities bei La Française und Fondsmanagerin des Fonds La Française LUX - Inflection Point Carbon Impact Global. „Wir glauben, dass die bedeutendsten langfristigen Auswirkungen im Technologiesektor zu spüren sein werden, da Digitalisierung in der Welt nach Covid-19 eine wichtige Rolle spielen wird.“


Auch Lagron glaubt, dass Anbieter von Rechenzentren sowie von Software für Kommunikationsinfrastrukturen zu den Hauptprofiteuren der gegenwärtigen Beschränkungen zählen werden. Denn die aktuelle Gesundheitskrise werde sich nachhaltig auf die Arbeitswelt auswirken. Aufgrund der derzeitigen Beschränkungen sind die Unternehmen gezwungen, mit einer nahezu 100%igen Heimarbeit zu agieren. Bis vor kurzem wurden in vielen Ländern von den Arbeitgebern noch immer nicht in großem Umfang Homeoffice-Modelle angeboten. Da der Zeitraum der Einschränkung immer länger wird, muss die Kommunikations- und Software-Infrastruktur umfassender und spezifischer/individueller werden.


Investoren, die die Meinung teilen, der Bau und Betrieb großer Rechenzentren sei in Zukunft ein noch attraktiveres Geschäftsmodell als ohnehin, können bei der Auswahl der Fonds also darauf achten, ob einige der führenden Titel der Branche enthalten sind: Equinix, Cyrus One, Digital Reality Trust, Core Site, Interxion oder Switch Inc. zählen zu den bekanntesten Titeln.