Kommt sie oder kommt sie nicht? Bei der nächsten Sitzung der US-Zentralbank mit anschließender Pressekonferenz könnte Fed-Chefin Janet Yellen bereits am Donnerstag kommender Woche die Zinswende einleiten. Angesichts der Turbulenzen an den Börsen in den vergangenen Tagen nimmt die Unsicherheit darüber, ob Yellen zu diesem Schritt bereit ist, zu. Für eine Zinswende sei die Inflation zu niedrig und das Wachstum der US-Wirtschaft zu gering, sagen Kritiker. Die Zinswende sei längst überflüssig, behaupten Befürworter. Zudem dürfe sich die Fed in ihrer Zinspolitik nicht von Kursschwankungen an den Finanzmärkten wie nach dem Börsencrash in China beeinflussen lassen.

Die Anhebung der Zinsen ist abhängig von der Entwicklung des US-Arbeitsmarktes. Die Arbeitslosenquote sinkt, die Zahl der neuen Jobs steigt. Dennoch fiel der aktuelle Arbeitsmarktbericht etwas schlechter aus. Für eine konkrete Prognose reichen die Arbeitsmarktdaten nicht aus. FondsDISCOUNT.de fragte deshalb deutsche Wirtschaftsinstitute nach ihrer Einschätzung und möglichen Auswirkungen einer Zinswende.

Die große Verunsicherung
„Die große Gefahr liegt in der Verunsicherung der Marktteilnehmer“, sagt Dr. Markus Demary, Senior Economist beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW). „Die Fed hat in der Vergangenheit ihre Zinswenden häufig in einem robusten Umfeld mit starker Inflation und starkem Wachstum durchgeführt (siehe Abbildung, unten: Inflation und Produktionswachstum zum Zeitpunkt der Zinswende, ein Jahr davor und ein Jahr danach, Grafik: IW Köln). Aktuell liegt die Inflationsrate der USA bei 0,2 Prozent. Das ist zu wenig für eine Zinswende.“ Auf der anderen Seite werde Yellen die Märkte enttäuschen, wenn sie die Zinswende ausfallen lässt.

Dieses Dilemma schränkt die Handlungsfähigkeit der Fed deutlich ein. Professor Dr. Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält eine schnelle Zinswende für eher unwahrscheinlich. „In jedem Fall dürfte die FED aus den Zinsanhebungen vor der Finanzkrise gelernt haben. Wenn sie dieses Mal die Zinsen anhebt, wird es nur in sehr, sehr kleinen Trippelschritten geschehen“, sagte Schäfer auf Nachfrage von FondsDISCOUNT.de.

Auswirkungen auf den Anleihenmarkt
Der US-Leitzins (Federal Fund Rate) ist der wichtigste Zinssatz der Welt. Er ist die Kalkulationsgrundlage für Aktien-, Anleihen- und Devisenpreise auf der ganzen Welt. Anleger müssen daher im Falle steigender Zinsen mit Turbulenzen rechnen.

„Ein Zinsanstieg bedeutet, dass die Altanleihen mit einem niedrigen Zinskoupon an Wert verlieren. Für Pensionskassen und Versicherungen würde das Bewertungsverluste (oder Veräußerungsverluste, falls die Altanleihen verkauft werden) bedeuten. Diese Abschreibungen würden sich negativ auf den Jahresgewinn und, unter Umständen, auch negativ auf das Eigenkapital auswirken“, sagt Professor Schäfer.

„Anleger – besonders Finanzinstitute, Investmentfonds und Unternehmen – könnten in Liquiditätsprobleme kommen, wenn sie selbst sehr kurzfristig finanziert sind“, so die DIW-Wirtschafts-Expertin weiter. „Wenn die Finanzierung nur zu höheren Zinsen weitergeführt werden kann, steigt der Liquiditätsbedarf an. Das könnte Verkaufsdruck auslösen.“ Wenn alle gleichzeitig verkaufen wollen, könnten die Kurse fallen. Die Auswirkungen würden stark davon abhängen, wie hoch die mutmaßliche Zinsanpassung ausfällt. Von einem zinsbedingten Massenverkauf von Anleihen und starken Kurseinbrüchen geht Schäfer daher nicht aus.

Auswirkungen auf den Aktienmarkt
In der Vergangenheit sind die Anleihezinsen infolge einer Zinserhöhung deutlich gestiegen. Es gibt aber auch Ausnahmen: „In den Jahren 1967/1968 und 2004/2005 sanken die Zinsen auf 10-jährige US-Staatsanleihen nach der Leitzinserhöhung“, sagt Finanzmarkt-Experte Demary. Vermutlich würden die Märkte der Fed auch im aktuellen Umfeld keine dauerhaft höheren Leitzinsen abnehmen. Dann reagieren die Märkte schwach, weil sie nur vorrübergehend höhere Zinsen erwarten. „Die Reaktion der Aktien hängt auch von den Reaktionen der Anleihemärkte ab“, so der IW-Forscher.

Sollte die Fed entgegen allen Erwartungen die Zinsen plötzlich, stark und dauerhaft anheben, dann kommt es zu einer heftigeren Reaktion der Finanzmärkte. „Sollte dies der Fall sein, so werden sich auch Hypotheken, Studienkredite und Autofinanzierungen verteuern.“

Das billige Geld von der US-Notenbank hat die Börsenkurse in den USA über Jahre hinweg angetrieben. Wenn die Kurskorrektur infolge der Zinswende überwunden ist, dürften die Kurse deutlich langsamer steigen als in der Vergangenheit.

Schutz vor Kursverlusten
Die genauen Auswirkungen einer Zinswende sind nicht prognostizierbar. „Von Vorteil ist hier auf jeden Fall, ein gut diversifiziertes Portfolio zu besitzen, welches nicht so anfällig für Änderungen der Federal Funds Rate ist“, empfiehlt Demary. Vorsorge ist wichtig. Um flexibel zu bleiben, sollten es Anleger vermeiden, „bei einem eventuellen Zinsanstieg in einer unrentablen Langfristanlage gefangen“ zu sein, ergänzt Schäfer. Anleger, die US-Anleihen im Portfolio haben, müssen sich auf sinkende Kurse einstellen.

Fazit: Auch im Vorfeld der Fed-Entscheidung, das Anleihen-Ankaufprogramm zu beenden (QE3), gab es Zweifel, ob die Märkte schon bereit für eine Eindämmung der expansiven US-Geldpolitik seien. Doch die Reaktion der Börsen fiel verhalten aus. Die Anhebung der Zinsen ist für Janet Yellen der nächste logische Schritt. Die Zinswende könnte für die Fed-Chefin aber auch nach hinten losgehen. Die schwache Inflation in den USA könnte schon bald einen Rückzieher erforderlich machen. Wirtschafts-Institute glauben daher nicht an eine rasche Zinswende.