Rote Fahnen und knallige Propaganda-Plakatwände auf der einen, Gucci- und Versace-Läden auf der anderen Seite. In der Innenstadt von Vietnams Hauptstadt Hanoi prallen die alten Gegensätze aufeinander: Kommunismus und Kapitalismus. Vor 20 Jahren hat sich das Land für die Marktwirtschaft geöffnet. Ähnlich wie in China blieb die Führung aber sozialistisch. Das Modell funktioniert. In den Jahren 2000 bis 2010 wuchs das BIP mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 immer um mindestens sieben Prozent. „Das Land geht denselben Weg wie China, es liegt allerdings noch 15 Jahre zurück“, ordnet Eugen von Keller, Chef der Hongkonger Investmentgesellschaft Xanadu, das Land am Mekong ein. Während China schon selbst entwickle, setzten Fabriken in Vietnam vorwiegend Teile zusammen. Die gestiegenen Lohnkosten beim „großen Bruder“ im Norden kommen der Wirtschaft Vietnams zugute. Ausländische Unternehmen in China verlagern einfache Fertigung zunehmend zum südlichen Nachbarn. Und immer mehr chinesische Firmen machen es genauso. Das sind vor allem Textil-, Elektro- und Maschinenbauunternehmen. Daher zählen diese Branchen neben dem Tourismus und der Mineralölindustrie zu den wichtigsten Sektoren in Vietnams Wirtschaft. Große Ölvorkommen befinden sich im Norden des Landes. Zudem ist der südostasiatische Staat der zweitgrößte Reis- und Kaffee-Exporteur der Welt. Die Landwirtschaft trägt immerhin 15 Prozent zum BIP bei. Zuletzt hatten die „Preußen Südostasiens“, wie die Vietnamesen wegen ihres Fleißes und ihrer Zuverlässigkeit genannt werden, jedoch Probleme, das hohe Wachstumstempo durchzuhalten. 2012 legte die Wirtschaft „nur“ um 5,2 Prozent zu, die Inflation bewegte sich im hohen zweistelligen Bereich.

Strukturreformen stocken
Grund ist nach Meinung von Landeskennern, dass nötige Strukturreformen zu zögerlich angegangen würden. Noch immer sind mehr als 50 Prozent der Betriebe in Staatsbesitz. Kommunistische Kader blockieren weitere Privatisierungen. Die Justiz ist unberechenbar und benachteiligt Ausländer. Allgegenwärtig ist auch die Korruption. Hinzu kommen schlechte Infrastruktur und wenig qualifiziertes Personal. Da in diesen Problembereichen zuletzt von der Regierung wenig getan wurde, sind auch die lange Zeit reichlich fließenden ausländischen Direktinvestitionen 2012 zurückgegangen. Zudem erschütterten im Vorjahr Finanzskandale das Land. Das brachte auch den Aktienmarkt in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, unter Druck. Die vietnamesische Börse war 2012 bezüglich der Performance eine der schwächeren in Asien.

Der Markt gilt schon lange als extrem schwankungsanfällig und leicht manipulierbar. So erzeugten deutsche Zertifikateemittenten in den Jahren 2006 und 2007 einen künstlichen Hype an der Börse in Ex-Saigon, indem sie viele Papiere auf den engen vietnamesischen Aktienmarkt auflegten. Anschließend folgte ein tiefer Absturz. Deshalb hat Vietnam bei vielen ausländischen Anlegern bis heute ein schlechtes Image und gilt als hochspekulativ. Wer es jedoch links liegen lässt, macht einen Fehler. Hellten sich doch zuletzt die Perspektiven wieder auf. 2013 soll laut Regierung das Wachstum wieder 6,5 Prozent betragen, Investitionen und Konsum ziehen an. Das Land profitiert dabei von der Erholung der chinesischen Wirtschaft. Das allein führte aber nicht zu der Hausse beim Leitbarometer Ho-Chi-Minh-Index, der seit Anfang Dezember um 17 Prozent nach oben schnellte. Auslöser war vor allem die seit Ende 2011 von 18 Prozent auf 6,8 Prozent gefallene Inflation. Die Zentralbank verkündete im Dezember, sie auch 2013 unter Kontrolle halten und ihren Zinssenkungszyklus fortsetzen zu wollen. „Wenn die Erfolge bei der Inflationsbekämpfung weitergehen, sind die Aussichten für diesen Tigerstaat ausgezeichnet. Risikobereite Anleger sollten erste Positionen aufbauen“, rät Gerd Bennewirtz, Geschäftsführer des Fondsanbieters SJB FondsSkyline. Damit wären sie in guter Gesellschaft: Die US-Kaffeehauskette Starbucks hat gerade ihre erste Filiale in Vietnam eröffnet.