Eine neue Schuldenjagd beginnt. Die europäischen Banken haben am Dienstag so viele Anleihen zum Verkauf ausgegeben wie zuletzt vor 15 Monaten. Denn die Neuverschuldung ist so billig wie nie zuvor. Die durchschnittlichen Renditen für Unternehmensanleihen fallen nachhaltig unter die Ein-Prozent-Marke (siehe Grafik).

Doch warum machen sich die Banken mit der Ausgabe von Anleihen gerade jetzt viel Stress? – Klare Antwort: Die EZB hat mit ihrer Ausweitung der Geldpolitik die Nachfrage drastisch erhöht und die Banken wollen diese Nachfrage bedienen. Mario Draghi verkündete vergangene Woche, die Zentralbank werde ab Juni damit beginnen, neben Staatsanleihen auch Unternehmensanleihen aufzukaufen. Und Schuldtitel von Europas Banken stehen bei der EZB ganz weit oben auf der Einkaufsliste. Die Banken wittern die Chance, so günstig an neues Geld zu kommen wie nie zuvor.

Die Banken profitieren sogar doppelt. Die sinkenden Zinsen der Wertpapiere kommen den Kreditinstituten langfristig entgegen. Aber auch kurzfristig ergeben sich Opportunitäten: Denn fällt das Zinsniveau der Bankanleihen, steigt deren Kurs. Im Vorfeld der Einkaufsorgie durch die EZB bedeuten steigende Kurse dank des gigantischen Schuldenhungers der Notenbanker automatisch steigende Einnahmen für die Banken.

Der Kreditmarkt reagiert mit Entspannung nach der Verkündung Mario Draghis. Die Kosten für Kreditausfallversicherungen europäischer Schuldtitel – sogenannte Credit Default Swaps (CDS) – sind seit der EZB-Verkündung um knapp zehn Prozent gefallen, berichtet das Wall Street Journal. Auch die CDS-Preise für Hochzinsanleihen und Banken gingen in den Keller.

Da wundert es niemanden, dass die Deutsche Bank, die Royal Bank of Scotland und die Santander am Dienstag Anleihen im Wert von jeweils 1,5 Milliarden Euro ausgegeben haben. Doch damit nicht genug. Andere Kreditinstitute gaben Angaben der Financial Times zufolge weitere 1,8 Milliarden Euro aus.

Vor etwa einem Monat haben die Banken im Zuge der Talfahrt an den Börsen am meisten Federn lassen müssen. Zu den größten Verlierern gehörte damals die Deutsche Bank, die zeitweise mehr als sechs Prozent verlor. Zusammen mit dem Rekordverlust des größten deutschen Kreditinstituts hat die Deutsche Bank binnen drei Wochen rund 30 Prozent ihres Börsenwertes eingebüßt, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Der Grund dafür liegt paradoxerweise ebenfalls in den niedrigen Zinsen, die das Kreditgeschäft - das Kern-Geschäftsmodell der Banken - nachhaltig schädigen.

Renten-ETFs brechen sämtliche Einnahme-Rekorde
Neben den Banken profitieren auch Renten-ETFs von Unternehmensanleihen der Euro-Zone von der gesteigerten Kauflust der Europäischen Zentralbank. Allein zum Wochenbeginn am Montag haben solche Index-Produkte über 490 Millionen Euro von Investoren einsammeln können – der größte Zufluss, der jemals an einem Handelstag verzeichnet wurde. In der vergangenen Woche flossen 854 Millionen Euro in den Sektor – ebenfalls Rekord. Doch nicht nur passive Produkte, auch aktiv gemanagte Mischfonds mit Schwerpunkt auf Anleihen in Europa dürften von den steigenden Kursen der Unternehmensanleihen in ihren Portfolios profitieren.

Die EZB greift damit maßgeblich in den europäischen Rentenmarkt ein, der aufgrund der seit Jahren sinkenden Zinsen für Investoren immer unattraktiver wurde und im Segment der Staatsanleihen bonitätsstarker Euro-Nationen noch zum verlustfreien Parken von Kapital diente.

Das gleiche Schicksal droht nun Unternehmensanleihen zu widerfahren. Die Zinsen werden vermutlich weiter sinken. Vor der Verkündung der EZB hat die Berlin-Hannoversche Hypothekenbank mit der Emission einer Anleihe von 500 Millionen Euro sogar Geld verdient. Die Zinsen eines Anteilsscheins betrug -0,16 Prozent – das gab es im Rentenmarkt für Unternehmensanleihen noch nie. Auf dem Anleihen-Zweitmarkt notieren einige Schuldtitel von Siemens und der Deutschen Bahn bereits im negativen Bereich.

Noch ist unklar, welche Anleihen die EZB außerhalb des Bankensektors kaufen wird. Die deutschen Autobauer dürften von dem Programm ausgeschlossen werden. BMW, Daimler und auch VW haben für ihre Leasing- und Finanzierungsgeschäfte Banklizenzen. Von allen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors gab der Stahlkonzern ThyssenKrupp diese neue Schuldanteile im Wert von 750 Millionen Euro aus – bereitet man sich hier auch auf die hohe Nachfrage vor?

Unbestritten ist, dass die EZB ihre Bedeutung als einer der größten Asset Manager der Welt seit der vergangenen Woche gesteigert hat.