Ein Austritt Großbritanniens aus der EU – allgemein auch Brexit genannt – werde verheerende Konsequenzen für den britischen Finanzsektor nach sich ziehen, sagt BlackRock, der größte Fondsmanager der Welt. Die Währung sei dabei der größten Gefahr ausgesetzt: Es sei nicht auszuschließen, dass das britische Pfund Sterling in einen „Teufelskreis“ gerate. Die Währung könne schlagartig abwerten, der Kapitalfluss nach Großbritannien könne austrocknen und somit das Vertrauen in den britischen Markt erschüttern, wenn der schlimmste aller Fälle eintreten sollte.

„Wir können nicht ausschließen, dass das Pfund ins Bodenlose stürzt“, sagt Rupert Harrison, Makro-Analyst für Multi-Asset-Strategien bei BlackRock und ehemaliger Berater des britischen Finanzministers George Osborne. In diesem Falle müsse die Bank of England die Zinsen anheben, auch wenn die Wirtschaft sich abschwächen sollte, berichtet das Wall Street Journal.

Doch selbst wenn die Briten im Juni gegen einen Austritt aus der EU stimmen sollten, werde die Währung sich weiter abschwächen, bis die Wahllokale öffnen. Denn, wenn es eine Sache gibt, die die Märkte hassen, dann ist es Unsicherheit. Das Pfund ist in diesem Jahr bereits um fünf Prozent zum Euro gefallen und hat zum US-Dollar seit dem vergangenen Sommer sogar zwölf Prozent eingebüßt. Die Londoner Großbank HSBC geht davon aus, dass das Pfund im Falle eines Brexits um 15 bis 20 Prozent verlieren wird. Im gleichen Zug werde die Inflation um fünf Prozentpunkte steigen.

Die Finanzindustrie werde infolge eines Brexits unwiderruflich schrumpfen, so BlackRock weiter. Der Überschuss im britischen Haushalt – immerhin 18,5 Milliarden Pfund – werde infolge der regulatorischen Herausforderungen durch einen EU-Ausstieg aufgezehrt werden. Denn mit dem Brexit verliert Großbritannien den Zugang zum einheitlichen EU-Binnenmarkt. Sämtliche Vereinbarungen über Finanzgeschäfte müssten mit den einzelnen Staaten in Europa neu ausgehandelt werden.

Überdies müsse der britische Staat zahlreiche EU-Richtlinien aus über 40 Jahren in eigene Gesetze umwandeln – darunter sämtliche Regelungen, die unter die Finanzmarktrichtlinie MiFID fallen – eine gewaltige bürokratische Aufgabe. Selbst dann sei noch nicht sichergestellt, dass britische Unternehmen weiterhin Zugang zum europäischen Markt erhalten. Wenn die EU britischen Unternehmen diesen Zugang verwehrt – zum Beispiel zur Abschreckung anderer Länder, die es sich überlegen könnten, aus der EU auszutreten – müssten die Unternehmen ihre Firmensitze ins Ausland verlegen, was der britischen Wirtschaft wiederum enormen Schaden zufügen würde.

„Unsere Schlussfolgerung lautet, dass ein Brexit viele Risiken hervorbringt, darunter ein schwächeres Wirtschaftswachstum, weniger Investitionen, mehr Arbeitslosigkeit und Inflation“, schreibt BlackRock Vizepräsident Philipp Hildebrand in einem Bericht an seine Kunden, der von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert wird. „Alle möglichen Vorteile eines Austritts erscheinen uns vor diesem Hintergrund formlos und unsicher.“ BlackRock verwaltet insgesamt Assets in Höhe von etwa 3,3 Billionen Pfund (4,2 Billionen Euro).

Großbritannien laufe überdies Gefahr, von den Rating-Agenturen schlechtere Bewertungen zu bekommen. Ministerpräsident David Cameron nimmt all diese Nachteile in Kauf. Er will von der EU Reformen und Zugeständnisse erzwingen. Großbritannien zahlt jedes Jahr hohe Summen an die EU und profitiert eigenen Angaben zufolge nicht ausreichend von dem einheitlichen Wirtschaftsraum.