Immer, wenn ein Thema besonders „heiß“ ist, werde ich als Value Investor besonders skeptisch. Das war vor einigen Jahren bei Bitcoin so, und es ist aktuell bei Cannabis so. Ich nehme die Presseartikel zur legalen Cannabis-Industrie immer mal wieder zur Kenntnis, aber ich habe mir noch keins der Unternehmen angeschaut, denn die Branche wird gerade gehypt. Leider ist es bei „normalen“ Privatanlegern immer wieder genau umgekehrt. Wenn ein Thema gehypt wird, fahren sie wie die Lemminge drauf ab. Nun hat das Cannabis-Magazin durchschnittliche Verdienstzahlen in der Branche veröffentlicht. Das Durchschnittsgehalt eines „Cannabis-CEOs“ beträgt 528.000 US-Dollar, das durchschnittliche Gehalt aller CEOs in den USA 196.000 US-Dollar. Ein/e LadenmanagerIn der Branche bekommt durchschnittlich 68.000 US-Dollar. Das sind 11.000 US-Dollar mehr als andere Shop-Manager. Verkäufer verdienen 32.000 US-Dollar – 6.000 US-Dollar oder 20 Prozent mehr als der US-Durchschnitt. Das sind ziemlich untrügliche Indikatoren, dass die Branche gehypt wird. Schauen Sie sich woanders nach Investments um!


Eine andere Assetklasse, die derzeit nach langem Dornröschenschlaf in Deutschland explodiert, sind Immobilien. Hier würde ich ebenfalls beim derzeitigen Preisniveau zu großer Vorsicht raten. Zwischen 2005 bis 2018 stiegen die Preise um etwa 50 Prozent. Die Preise in den ohnehin schon teuren Regionen stiegen am stärksten – in Berlin um 129 Prozent, im Landkreis München mit 127 Prozent und der Stadt München um 116 Prozent. So klaffen die Immobilienpreise in Deutschland immer weiter auseinander. Und die Medien springen bewusst oder unbewusst auf den Zug auf und heizen die Blase an. So schreibt die Wirtschaftswoche: „Den immer neuen Preissprüngen zum Trotz können sich immer mehr Mieter vorstellen, eine Immobilie zukaufen. Jeder dritte unter 50-jährige Mieter plant der Studie zufolge den Erwerb von Wohneigentum. Und nur zwölf Prozent glauben noch, dass sich der Kauf einer Immobilie nicht lohnt.“ Auch hier dasselbe paradoxe Verhalten: die Preise steigen, und immer mehr Menschen wollen eine Immobilie kaufen. Das kann nicht gut sein. Im Der Privatinvestor hinterfragen wir diese Entwicklungen kritisch. Benjamin Graham sagte einmal, dass man nicht unbedingt richtig investiere, wenn man mit der Masse investiere. Aber auch nicht, wenn man gegen die Masse investiere, sondern dass man dann gut investiere, wenn man im Einklang mit den Fakten ist. Und die sind bei Immobilien eindeutig: die Preise sind in guten Regionen extrem hoch, die Mietrenditen niedrig.


Zudem gehen Debatten um Enteignung los. Das kann man bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. Die Ungleichheit ist in den letzten Jahrzehnten explodiert. Wir hatten auch aufgrund der Niedrigzinsen eine massive Asset Price Inflation, während die Löhne und Gehälter stagnierten und die Mieten in den Städten explodierten. Mit einem normalen Einkommen kann man es sich fast nicht mehr leisten, in der Stadt zu leben. Es ist verständlich, dass die Leute da rebellieren. Der bekannte Hedgefondsmanager Ray Dalio hat in seinem Buch über Schuldenkrisen geschrieben, dass die Zeiten extremer Ungleichverteilung (1900–1930 und 1990–2019) gegen Ende auch immer Zeiten des Populismus und der Umverteilungsdebatten sind. Er spricht sich daher dafür aus, das System zu reformieren. Ob Mietpreisbremsen und Enteignungen allerdings das geeignete Instrument sind, wage ich zu bezweifeln.


Max Otte