Die Befolgung internationaler Finanzmarktregeln stellt mittlerweile eine größere Hürde für Fondsboutiquen dar, als Überrenditen zu erzielen und Assets zusammenzustellen, heißt es in einer Studie der TABB Group über die Zukunft der Fondsboutiquen und deren Anpassung an neue Regularien. Für 68 Prozent aller Befragten hat das Thema höchste Priorität. Im Jahr 2013 waren es lediglich 17 Prozent.

Um Investoren anzulocken und diese langfristig an sich zu binden, müssen Boutiquen neben einer überzeugenden Anlagestrategie auch versichern können, dass es keine Risiken bezüglich Richtlinien gibt, die noch nicht umgesetzt wurden. Die Regulatoren verlangen indes immer mehr Informationen, sodass die Compliance-Kosten steigen. Boutiquen müssen daher schneller Erträge erwirtschaften, um die steigenden Kosten decken zu können. Das gilt für Fondsboutiquen auf der ganzen Welt.

Globaler Investmentansatz – globale Compliance
Die Suche nach attraktiv bewerteten Aktien mit guten Dividenden und Unternehmen mit starken Bilanzen bei niedrigem Schuldenstand ist schwieriger geworden. Sie verlangt ein größeres Maß an Spezialisierung und Recherche. Fondsboutiquen haben sich auf eine derartige Asset Allokation spezialisiert. Bei Unternehmen in den USA ist derzeit ein Strukturwandel bemerkbar. Sie suchen sich ihre Beteiligungen mittlerweile in Europa und in der Asien-Pazifik-Region. Aufgrund des QE-Programms der US-Notenbank gilt der Aktienmarkt in der Heimat als überbewertet. Der US-Markt ist zwar aufgrund seiner Größe und Liquidität immer noch attraktiv, Asset Manager richten ihren Investmentansatz aber verstärkt auf eine globale Strategie aus.

Mit diesem Wandel ändern sich auch die Compliance-Anforderungen. Während auf dem US-Markt das Finanzmarktstabilisierungs-Gesetz Dodd-Frank Act und das Steuer-Reportinggesetz FATCA im Vordergrund stehen, ist auf dem europäischen Markt die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MIFID-II) das Maß der Dinge. Die Richtlinie soll die Finanzmärkte innerhalb der EU harmonisieren. Nationale Regelungen für Finanzdienstleistungen, ihre Transparenz und der Anlegerschutz sollen angepasst werden.

Die größten Herausforderungen für Fondsboutiquen
So müssen Boutiquen in den USA auch die europäischen Regeln befolgen und umgekehrt. Boutiquen auf der ganzen Welt müssen sich innerhalb kürzester Zeit über etliche Richtlinien in den größten Wirtschaftsräumen informieren, um zu verstehen, welchen Verpflichtungen sie nachkommen müssen. Angaben über einzelne Transaktionen verlangen Investitionen in neue Technologien, Systeme und Prozesse, die bislang noch nicht nötig erschienen. Im Rahmen der europäischen MIFID II-Richtlinie gibt es nicht nur neue Regeln zu den Bereichen Transparenz und Investorenschutz. Auch die Marktstruktur, die Organisation, die Dokumentation von Transaktionen und die Art der Geschäftsführung müssen überarbeitet werden. Nicht selten holen sich Boutiquen daher Rat bei Anwälten und Beraterfirmen.

Neben diesen dominierenden Themen fliegen kleinere Vorschriften, wie die Regeln gegen Marktmissbrauch (MAR), oft unter dem Radar. Die europäische Marktmissbrauchsverordnung muss bis Juli 2016 umgesetzt werden. Unter anderem werden die Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation auf sämtliche gehandelten Finanzmarktinstrumente sowie auf Derivate ausgedehnt. Mittlerweile ist ein Drittel der gesamten Belegschaft von Fondsboutiquen mit Compliance-Themen beschäftigt.

Compliance: Ein Fluch für Fondsboutiquen?
Boutiquen, die sich diesem Anpassungsdruck bewusst sind, sind sehr besorgt darüber, dass sie im Vergleich zu großen Gesellschaften benachteiligt werden könnten. Die Kosten für Broker werden voraussichtlich steigen, was zu einem spezifischen Nachteil für Boutiquen werden kann, die mit ihrem Fokus auf Stock Picking viele Transaktionen abwickeln müssen und auf detaillierte Marktdaten (Research) von ihren Brokern zu den einzelnen Investments angewiesen sind.

Weitere große Herausforderungen sind der Tabb Group zufolge die unzähligen Anforderungen an die Berichterstattung. Es müssen Angaben vor, während und nach einem Trade gemacht werden. Schwierig ist zudem, herauszufinden, welche Berichte an externe Dienstleister ausgelagert werden dürfen und was in der Verantwortung des Asset Managers bleibt. Fondsboutiquen müssen ihre Daten speichern, anpassen und regelmäßig aktualisieren. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als in neue Datenverarbeitungs-Systeme zu investieren oder Dienstleistungs-Unternehmen mit der neuen Datenflut zu beauftragen.

Tabb-Autorin Rebecca Healey zieht daraus den Schluss, dass „es nicht mehr länger genügt, Investoren die Risiken verständlich zu machen. Asset Manager haben jetzt eine Fürsorgepflicht ihren Kunden gegenüber.“ In dieser neuen Ära der Verantwortlichkeit ist die Überwachung der eigenen Arbeit essentiell für das Überleben der Boutiquen. Der Einsatz von digitalen Überwachungsinstrumenten versichert Asset-Management-Unternehmen, dass sie den Risiko- und Compliance-Anforderungen zu jeder Zeit entsprechen.

Compliance als Segen
Doch in den neuen Verordnungen verbergen sich auch Chancen. Unternehmen, die flexibel genug sind, um sich den Anforderungen anzupassen, werden effizienter als die Konkurrenz, können neue Kunden gewinnen und somit wachsen. Obwohl zwei von drei Befragten Boutiquen derzeit nicht in einer vorteilhaften Position sehen, ist die Agilität und Flexibilität einer kleinen Boutique ein strategischer Vorteil im laufenden Adaptionsprozess für die Zukunft. Fast jeder zweite Befragte glaubt nicht mehr daran, dass große Asset Manager einen Investmentvorteil haben. Je größer ein Fonds wird, desto unflexibler ist sein Management. Ihre Manager verhalten sich zunehmend risikoavers. Zu risikoreiche Investments können dem Fondsmanager schnell den Job kosten. Aus diesem Grund erklärt sich auch die Neigung dazu, sich an einem Index zu orientieren. Auch das wachsende Fondsvolumen von ETFs lässt sich dadurch erklären.

In ihrer Einschätzung gehen die Befragten jedoch davon aus, dass es in Zukunft wieder eine Rückkehr zu mehr aktiv gemanagten Fonds geben wird. Zwar sind ETFs und Smart Beta Fonds auf dem Vormarsch, doch nur etwa ein Drittel aller befragten Fondsmanager sehen in der technologischen Entwicklung ein hilfreiches Werkzeug, um ihre Produktpalette zu erweitern. Das liegt zum einen an der Umstellung auf neue Systeme, die teuer und komplex sind und deren Mehrwert sich nicht immer gleich deutlich darstellt.

Der digitale Wandel macht eine technologische Aufrüstung jedoch unvermeidlich. Die Befragten, die bereits in eine neue IT-Struktur investiert haben, berichten neben den Vorteilen für die Compliance von einer verbesserten Kommunikation, geringeren Kosten für den Start neuer Fonds, verbesserten Investmentprozessen und Analysewerkzeugen. Modernes Monitoring ermöglicht ein präziseres Risikomanagement. Zudem erhalten die Asset Manager einen breiteren Zugang zu Kunden auf der ganzen Welt.

Für Boutiquen, die sich der Herausforderung stellen und Compliance nicht länger als notwendiges Übel, sondern als Chance für Innovation und mehr Effizienz verstehen, werden sich neue Vorteile und Wachstumsmöglichkeiten ergeben. Im Gegensatz zu großen und behäbigen Gesellschaften könnten Boutiquen aufgrund ihrer Flexibilität den kürzesten Weg zum Asset Management der Zukunft haben.

Weitere Beiträge der Serie über Fondsboutiquen:
Teil 1: Die neue Welt der Fonds-Boutiquen
Teil 2: Mandarine Unique: Die Perlentaucher
Teil 3: Quantex Global Value Fund schlägt die großen Namen
Teil 4: MainFirst Interview: Multi-Investment-Boutique ohne Grenzen
Teil 5: Compliance erzeugt hohen Anpassungs-Druck
Teil 6: Die Bedeutung von Fondsboutiquen wird zunehmen (Interview)
Teil 7: Value Opportunity Fund - Werthaltige Assets zur richtigen Zeit