„Anlagenotstand“ (2016), Zinswende (2015), „Guthabengebühr“ (2014) oder „Billiges Geld“ (2013) – die Börse Düsseldorf ermittelt seit 2001 jedes Jahr ein Unwort für die Finanzwelt, welches auf kritische Entwicklungen hindeutet. Für 2017 entschieden sich die Düsseldorfer Börsianer für „Bitcoin-Boom“ – der häufig zitierte Begriff habe „oft ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst“, heißt es in der heute veröffentlichten Pressemitteilung. „Auch aktuell nehmen Reizwörter wie Bitcoin, Blockchain, Krypto oder ICO in der Berichterstattung der Medien und Beiträgen sozialer Netzwerke großen Raum ein. Und manchmal wirken sie wie Zauberformeln: Allein eine entsprechende Unternehmens-Umbenennung und bloße Ankündigungen, in diesem Umfeld aktiv werden zu wollen, haben schon zu teilweise abstrusen Steigerungen im Aktienkurs geführt. Doch unter einem Boom versteht man an der Börse eher etwas anderes“, teilt die Börse mit.


So werde der Begriff „Boom“ im Wirtschaftslexikon als „ausgeprägte Zunahme der wirtschaftlichen Aktivität“ definiert; typischerweise als Phase im Konjunkturzyklus oder bei einer Börsenhausse. „Beim sogenannten Bitcoin-Boom darf eben diese wirtschaftliche Aktivität in Frage gestellt werden“, begründet Thomas Dierkes, Geschäftsführer der Börse Düsseldorf, die Entscheidung für das Börsen-Unwort des Jahres. Während ein Anstieg der Aktienkurse regelmäßig als Konsequenz auf starkes Wachstum bei den Unternehmensgewinnen oder prognostizierten Umsatzzahlen hindeute, sei hinter dem phänomenalen Kursanstieg des Bitcoins von über 1.000 Prozent in 2017 nur wenig Substanz erkennbar. „Das ursprünglich digitale Zahlungsmittel ist zum reinen Spekulationsobjekt geworden, was seine Funktion als Währung stark in Frage stellt“, erklärt Dierkes. Manche vergleichen den Bitcoin-Boom mit der holländischen Tulpenmanie im frühen 17. Jahrhundert, als für die Blumenzwiebeln exotischer Sorten immer höhere Preise geboten wurden, was dann auch einfache Bürger in ein Spekulationsfieber versetzte.


Für Börsenkenner jedenfalls signalisiere das großangelegte Medieninteresse am „Bitcoin-Boom“ und das Engagement von eigentlich unerfahrenen Normalbürgern das baldige Ende desselben. Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), warnte kurz vor Weihnachten in der Bild-Zeitung sogar vor dem „höchst spekulativen Charakter“ und dem Totalverlustrisiko solcher Internetwährungen.


Die beachtlichen Kurssteigerungen hätten jedoch immer mehr Zocker angelockt, was weiter für extreme Kursausschläge gesorgt habe. „Doch wo bei steigenden Aktienkursen fundamentale Kennzahlen die Einordnung erleichtern und auch die Realwirtschaft über Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen positive Effekte zeigt, ist die Spekulation mit Bitcoins davon weitgehend entkoppelt“, so die Einschätzung der Börse Düsseldorf.


„Technisch betrachtet steckt in der beim Bitcoin zum Einsatz kommenden Blockchain-Technologie großes Potenzial, was in der Finanzindustrie bisweilen auch als Bedrohung der eigenen Geschäftsmodelle wahrgenommen wird“, konkretisiert Dierkes. „Einige der zahlreichen Neugründungen in diesem Umfeld werden sich auch erfolgreich etablieren können.“


Im Hinblick auf die Umwelt müsse der immense Energieverbrauch angemahnt werden. Für das Schürfen von Bitcoins sollen dieses Jahr angeblich so viel Strom benötigt werden, wie in ganz Argentinien. Zwar sei es nachvollziehbar, dass viele Anleger beim „nächsten großen Ding“ dabei sein wollen „aber wer so bescheiden ist und in Niedrigzinszeiten mit seinen Investments nur vom breiten Wachstum der Wirtschaft partizipieren will, könnte am Ende der Glücklichere sein“, lautet die Einschätzung der Börsenprofis.