Als Charttechnik bezeichnet man eine technische Analyse, mit der Kursentwicklungen anhand von Daten aus der Vergangenheit abgeleitet werden. Der Begründer dieser Analyse ist Charles Dow – nach ihm wurde auch der US- Leitindex Dow Jones benannt. Die technische Analyse ist durchaus umstritten, denn es handelt es sich dabei nicht um eine wissenschaftlich fundierte Theorie, sondern viel mehr um die Einordnung von Trends an den Finanzmärkten anhand von Grafiken. Dennoch wird die Charttechnik häufig verwendet. Sie ist ein Instrument der Illustration für moderne finanztechnische Computermodelle.

Charttechniker wie Samir Boyardan – CEO des Finanzunternehmens Mastertrends.de – gehen davon aus, dass Finanzmärkte sich zyklisch verhalten und in kurz-, mittel- sowie langfristigen Wellen verlaufen. Boyardan glaubt nicht mehr an eine Aufholjagd des DAX in 2015. Im Interview mit Wirtschaft TV (siehe Video am Ende des Artikels) spricht der Börsen-Experte von einer „scharfen Korrektur“, die der Dax nach dem Einbruch der Börse in China durchmachen musste.

Erleben wir das Ende der langen Hausse?
Dabei fing das Börsenjahr 2015 vielversprechend an. Innerhalb weniger Monate kletterte der DAX um 27 Prozent auf einen Rekordstand von 12.374 Punkte. Nach dem Einbruch der Börse in China ging es dann noch schneller wieder bergab (Jahrestief 9.338 Punkte). Mit aktuell 9.939 Punkten (Stand: 21.09.2015) liegt die psychologisch wichtige Schwelle von 10.000 Punkten in greifbarer Nähe. „In den nächsten Monaten wird entscheidend sein, ob wir das Ende einer langen Hausse gesehen haben“, glaubt Boyardan.

Seiner Argumentation zufolge befindet sich der Leitindex im siebten und letzten Jahr einer langjährigen Hausse. Tatsächlich ging es mit dem DAX seit der Finanzkrise 2008 trotz einiger Korrekturen nur nach oben. „Ich kann mir vorstellen, dass wir nach der Korrektur im Sommer gerade in einer technischen Gegenbewegung sind. Wir werden keine bestätigenden Allzeithochs mehr dieses Jahr sehen. Im nächsten Jahr muss man aufpassen. Eine stärkere Korrektur oder ein Crash sind jederzeit möglich“, sagt der Charttechniker.

Nicht nur die langfristige Betrachtung des DAX spricht für diese Einschätzung. Die aktuelle Phase der Volatilität hält sich hartnäckig. Die Spekulationen um eine Zinswende werden bis Oktober wieder zunehmen. Der brandneue Skandal bei VW um die Manipulation von Emissionsdaten in Dieselfahrzeugen in den USA trägt zur weiteren Verunsicherung der Anleger bei. Die Aktie des VW-Konzerns verlor zum Wochenbeginn mehr als 21 Prozent.

Leichtes Wachstum zum Jahresende
Kurzfristige Gewinne seien jedoch nicht ausgeschlossen. „Ein realistisches Kursziel bis zum Ende des Jahres wird irgendwo zwischen 10.800 und knapp 11.000 Punkten liegen." Dann hätte der Index auch in diesem Jahr 10 Prozent zugelegt. Bis Februar könnten sich die Kurse leicht erholen, glaubt Boyardan. Wenn sich im März allerdings noch keine nachhaltigen Allzeithochs einstellen sollten, könnten „neue Bärenmärkte eingeleitet werden“. Die Frage sei nicht, ob wir einen Crash bekommen, sondern wann wir ihn bekommen.“ Crashs seien ein Naturgesetz und gehörten zur Börse einfach dazu.