FondsDISCOUNT.de: Herr Gebert, im vergangenen Sommer wurde der Acatis Aktien Deutschland ELM (ISIN: LU0158903558) auf Nachhaltigkeit umgestellt. War das Ihre Idee? Wie kam es dazu?


Christoph Gebert: Es ist richtig, dass unser Fonds seit Ende Juli 2020 vollumfänglich nachhaltig ist. Für mich war schon immer das Thema Governance, also eine nachhaltige Unternehmensführung, ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor. Eine vollständige ESG-Integration (Environment, Social, Governance) in den Investmentansatz war für mich daher eine logische Konsequenz daraus. Außerdem rückt das Bewusstsein vieler, mehr auf nachhaltige Produkte zu schauen, immer stärker in den Vordergrund. Mittlerweile ist Nachhaltigkeit in Politik und Gesellschaft bereits gut angekommen und auch für den Finanzmarkt wird es immer wichtiger. Dabei möchten wir mit unserem Fonds Vorreiter sein.


Bei meiner Familie und mir haben wir privat immer stärker auf Nachhaltigkeit geachtet. Für mich war die Nachhaltigkeit daher auch eine Herzensangelegenheit. Insofern war ich dann ganz begeistert, dass wir mit unserem Partner der ACATIS Fair Value einen Nachhaltigkeitsspezialisten bereits im Hause haben. Nach sorgfältiger Prüfung kamen wir dann zu dem Ergebnis, dass wir unseren Investmentprozess um eine erste Stufe sinnvoll ergänzen können. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass der seit 18 Jahren erfolgreiche Investmentprozess für die Aktienauswahl davon unberührt bleibt. Für die Titelauswahl bedeutet das, dass wir uns zunächst nur noch diejenigen Unternehmen anschauen und prüfen, die den Nachhaltigkeitsfilter erfolgreich durchlaufen haben.


Seit März 2021 gilt die EU-Offenlegungsverordnung. Wo lässt sich der Acatis Aktien Deutschland ELM einordnen (Artikel 8/Artikel 9)? 


Wir werden unseren Fonds im Sommer entweder bei Artikel 8 oder 9 einordnen, wenn wir dann die KVG gewechselt haben. Vorher macht das leider die alte KVG nicht mehr, da der Prospekt angepasst werden muss. Ob es dann Artikel 8 und 9 wird, ist schwer zu sagen. Ich würde gerne direkt nach Artikel 9 klassifiziert werden. Wir machen das davon abhängig, wie viel in Prozent des Fondsvolumen der SDG-Beitrag der Portfolio-Unternehmen ausmachen. Aktuell sind es rund 70 Prozent. Unabhängig davon haben wir als Qualitätsmerkmal direkt beim ersten Prüfprozess das FNG-Siegel vom Forum für nachhaltige Geldanlagen erhalten. Das hat uns riesig gefreut.


Sie hatten den Fonds Anfang 2019 übernommen, nachdem der Fonds in den beiden Jahren davor unterdurchschnittlich performte. Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um das Produkt wieder auf Kurs zu bringen?


Unsere Erfolgsfaktoren in der Unternehmensanalyse, die sich langfristig fast über zwei Jahrzehnte bewährt haben, sind nach wie vor die gleichen. Im Fokus stehen drei Faktoren: die Stärke des Geschäftsmodell, die Qualität des Managements und die Bewertung. Drei Änderungen habe ich vorgenommen, die eher die Investmentphilosophie betreffen. Erstens: Der Schwerpunkt im Portfolio liegt nun ganz klar auf deutsche Nebenwerte. Ich habe den Nebenwerte-Anteil daher von ursprünglich 40–50 Prozent deutlich erhöht. Mittlerweile sogar auf 95 Prozent. Zweitens: In Zukunft wird es auch keine Beimischung mehr von Unternehmen aus Österreich und der Schweiz geben. Ich bin Deutschland-Spezialist und daher werden in Zukunft auch nur deutsche Unternehmen in den Fonds gekauft. Und drittens: Ich investiere ausschließlich langfristig in Unternehmen und bin kein Freund des Markttimings. Weder auf der Aktienseite noch bei Einsatz von Derivaten. Es wird also keine Absicherungsmaßnahmen geben. Die Kasse-Position ergibt sich implizit aus den Investitionsmöglichkeiten. Ganz einfach ausgedrückt, je mehr Investitionschancen desto geringer die Kasse, und umgekehrt. Mittlerweile liegt der Fonds auch ganz gut wieder auf Kurs. Die Performance seit Mitte 2019 hat sich schön verbessert.


Sie sind von Haus aus ein Spezialist für deutsche Nebenwerte. Worin sehen Sie das Potenzial für Small & Mid Caps hierzulande?


95 Prozent des deutschen Aktienmarkts sind Nebenwerte. Wer in deutsche Aktien investieren möchte, kommt daher an Nebenwerten nicht vorbei. Außerdem ist es auch gar nicht möglich, ein konzentriertes Portfolio aufzubauen, wenn man sich nur auf den DAX, also die 30 größten deutschen börsennotierten Unternehmen fokussieren würde. Je kleiner die Unternehmen werden, desto weniger Analysten und Investoren schauen sich diese an. Auch ein Grund, wieso Nebenwerte ein großes Performance Potential aufweisen. Unsere Analysen zeigen, dass auf den vorderen Plätzen mehrheitlich die Nebenwerte sind, wenn es um die Berücksichtigung von wichtigen Finanzkennzahlen wie Profitabilität, Rentabilität, Wachstum und Eigenkapitalquote geht. Das führt dazu, dass Nebenwerte gegenüber den DAX-Werten langfristig mehr Performance einfahren, im Fachjargon auch Nebenwerte-Prämie genannt. Diese wollen wir noch stärker im Fonds vereinnahmen.


Aktuell sind Sie bei Citywire auf Jahressicht der erfolgreichste Fondsmanager in der Kategorie Aktien Deutschland. Welche Werte waren denn die Treiber in den letzten Monaten?


Ich freue mich sehr, dass es in den letzten Monaten so großartig gelaufen ist und gebe täglich mein Bestes, dass es auch so bleibt. Drei Faktoren haben zu dem guten Ergebnis beigetragen. Mit besseren Wirtschaftsaussichten und der Möglichkeit der Impfung laufen nun Value-Titel wieder besser. Hier sind wir mit unserem Investmentansatz, der stark auf Bewertung ausgerichtet ist, gut positioniert. Unser Portfolio besteht zu mehr als die Hälfte aus Value-Aktien. Außerdem laufen nach einer temporären Phase der Underperformance die Small Caps besser als die Mid- und Large Caps. Fast zwei Drittel unseres Portfolios besteht aus den kleineren Nebenwerten. Und zu guter Letzt war die Aktienselektion gut gewesen. In 2020 hatten wir mit der Encavis, Energiekontor, LPKF und Jungheinrich Unternehmen im Fonds, die sich alle ungefähr verdoppelt haben. Auch in diesem Jahr gibt es Werte wie Basler (+66 Prozent seit Jahresanfang 2021), Süss Microtec (+45 Prozent) und Helma (+38 Prozent), die stark performen.


Ist das auch aktuell so? Wo liegt derzeit der ökonomische Fokus bei den Investments. Welche Unternehmen meiden Sie?


Wir haben unseren Fonds nun langfristig ausgerichtet. An dieser PF-Struktur wollen wir nun nichts ändern. Der Fokus liegt auf Value, Small Caps und Nachhaltigkeit. Wir haben Schwerpunkte in den Branchen Industrie, Technologie, erneuerbare Energien und Medizintechnik gesetzt. Gemieden werden alle Unternehmen, die nicht die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Ausgeschlossen werden alle Unternehmen, die in Bereichen wie Kohle, Fracking, Kinderarbeit, Rüstung/Waffen tätig sind.  Wer die Nachhaltigkeitskriterien erfüllt, wird im zweiten Schritt auf Herz und Nieren geprüft. Wir favorisieren Unternehmen, die eine gute Marktstellung haben und strukturell wachsen können.


Wie wird sich aus Ihrer Sicht der Markt nach Corona entwickeln? Welche Chancen und welche Risiken sehen Sie?


Wir sehen große Veränderungen in Branchen und Geschäftsmodellen. Corona hat beim Thema Digitalisierung wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Geschäftsmodelle, die keine großen Markteintrittsbarrieren haben, können schnell in die Zange genommen werden. Stichwort Amazon. Auch die Art der Kundenkommunikation dürfte sich verändern. Es muss nicht immer überall zum Kunden hingeflogen werden. Der Vertrieb kann auch mehr digital stattfinden. Im Übrigen wird damit auch ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit geliefert. Unternehmen, die sich schnell auf Veränderungen einstellen können, werden zu den Gewinnern zählen. Chancen ergeben sich aus den Megatrends wie Digitalisierung/Technologie, Gesundheit, Industrie 4.0 und erneuerbare Energien.

 


Herr Gebert, wir danken Ihnen für die spannenden Einblicke.