Herr Jann, Anleihen sind ein wichtiger Bestandteil ihrer Anlagestrategie, zum Beispiel im WALSER Portfolio German Select. Welcher Bedeutung kommen deutsche Bundesanleihen in diesen volatilen Börsenzeiten zu?

Eine große Bedeutung. All unsere Mischfonds investieren in Anleihen u.a. auch in deutsche Bundesanleihen, da es im Moment kein risikofreieres Asset gibt als die Bundesanleihe. Die Investitionsquote im WALSER Portfolio German Select wird anhand eines regelbasierten Allokationskonzepts umgesetzt, welches die Allokation von Aktien und Anleihen bestimmt und dabei die besser performante Anlageklasse systematisch übergewichtet. Deutsche Bundesanleihen (REXP) erfüllen in diesem Konzept den Sicherheitsbaustein – die Renditequelle kommt aus den Aktien (DAX).

Das Niedrigzinsumfeld mit negativen Zinsen am kurzen Ende bei Bundesanleihen, das die EZB auf die Beine gestellt hat, ist für Investoren und Kunden natürlich suboptimal. Wir wollen trotzdem nicht ganz auf Bundesanleihen verzichten.
Die EZB versucht, die Wirtschaft mit günstigem Geld anzukurbeln, was an den Kapitalmärkten eine gewisse Geldschwemme zur Folge hat. Die US-Zentralbank Fed hat das viel besser gemacht. Ihr ist es gelungen, die Zinsen nicht in den negativen Bereich abfallen zu lassen. Im Euroland dagegen stellt sich bei vielen Investoren die Sinnfrage von Investments in bestimmten Anleihensegmenten.

Wie sind Sie in das Börsenjahr gestartet?

Im WALSER Portfolio German Select sind wir am Ende des letzten Jahres mit 97 Prozent in Aktien investiert gewesen, bevor der schlechte Start an der Börse seinen Anfang genommen hat. Aufgrund der Systematik im Investmentprozess ist der Aktienanteil im Portfolio am ersten Werktag dieses Jahres automatisch auf 50 Prozent zurückgeführt worden.

Auch in unseren Strategiefonds haben wir zum Jahreswechsel Aktienpositionen etwas reduziert und Anleihen im Gegenzug etwas aufgebaut. Bundesanleihen als Anlageklasse mit dem geringsten Kreditrisiko haben zuletzt sehr gut performt. Dies zeigt, dass man auch mit einer negativen Zinskurve Geld verdienen kann – aber die Luft zum Atmen wird immer dünner.

Trotzdem muss man in gewissem Maß investiert sein. Denn das Geld einfach in der Kasse liegen zu lassen, ist keine Alternative. Die Negativverzinsung bei den Banken beträgt 30 Basispunkte, bei schlechterem Kreditrating und damit höherem Kreditrisiko. Die EZB drängt mit ihrer extremen Niedrigzinspolitik Investoren insofern immer stärker in nicht risikofreie Anlagen. Aktuell sehen wir das Zinsrisiko bei Bundesanleihen geringer an, als bei den Banken. Insofern führt an der Bundesanleihe trotz allem weiterhin kein Weg vorbei.

Erwarten Sie, dass die Inflation in diesem Jahr endlich steigt? Das EZB-Anleihenkaufprogramm scheint dieses Ziel ja bislang nicht zu erreichen?

Die Konjunktur ist schon ein bisschen angesprungen – das ist der positive Effekt. Dass man dies bei der Inflation noch nicht sieht, hängt auch mit dem Ölpreis zusammen und dafür kann die EZB nichts. Das wird früher oder später bei einer Stabilisierung des Ölpreises aber sichtbar werden.

Die EZB betreibt mit ihrer ultralockeren Geldpolitik auch Währungspolitik. Sie schwächt damit direkt und indirekt den Euro gegenüber dem US-Dollar. Diese Währungsabschwächung generiert auch Wachstum – und ist inflationsfördernd. Wir erwarten sowohl beim Wachstum auch bei der Inflation im laufenden Jahr Werte, welche leicht oberhalb des Niveaus von 2015 liegen.

Wird die EZB ihr Programm über 2017 hinaus ausweiten?


Weiter als 2017 lässt sich derzeit nicht wirklich in die Zukunft blicken. Bis dahin sollte die EZB ihre ultralockere Geldpolitik aufrechterhalten. Das Zinsniveau in Euroland wird dadurch auf recht tiefem Niveau bleiben, wobei auf Sicht zwölf bis 18 Monaten die Zinsen vor allem bei längeren Laufzeiten über dem aktuellen Niveau liegen sollten. So oder so wird es für die Anleger immer schwieriger Geld zu verdienen – auch und vor allem an den Anleihenmärkten.

Um auf den Fonds zurück zu kommen. Die negative Verzinsung von Bundesanleihen bei Laufzeiten bis fünf Jahren ist für den WALSER Portfolio German Select solange zu verkraften, solange aus entsprechenden Aktienpositionen Geld verdient wird. Insofern muss die Rendite aus dem Aktieninvestment kommen.

Sind wir bei Aktien jetzt in einen nachhaltigen Bärenmarkt eingetreten?

Wir haben den deutlichen Einbruch zu Beginn des Jahres – wie die meisten Akteure – nicht wirklich in diesem Ausmaß auf dem Radar gehabt. Wir gehen aber davon aus, dass am Ende des Jahres 2016 die Aktienkurse höher sein werden als jetzt. Das ist nun aber auch leichter zu behaupten, weil die Kurse derzeit deutlich von den Höchstständen aus dem Jahr 2015 entfernt sind. Die Brötchen, die gebacken werden, werden aber deutlich kleiner werden. Wir haben jetzt fünf, sechs sehr gute Jahre erlebt. Diese vergangenen Ergebnisse bei gleicher Risikotragfähigkeit der Investoren auch künftig erzielen zu können, wird nicht gelingen.

Erwarten Sie, dass die Zinsen in den USA weiter steigen werden?

Wir gehen nicht davon aus, dass die Fed kräftige Leitzinserhöhungen durchsetzen kann, aber mit ein bis zwei weiteren Zinsschritten im laufenden Jahr muss gerechnet werden. Die Zentralbank bleibt insofern auf ihrem Pfad, lediglich der zeitliche Abstand zwischen den Zinserhöhungen wird sich wohl erhöhen. Der nächste Zeitpunkt für eine Anhebung der Zinsen im März ist noch nicht ganz vom Tisch, wird aber immer unwahrscheinlicher. Jetzt stehen erstmal die finalen Zahlen für das Bruttoinlandsprodukt der USA an und die muss man abwarten. In den letzten Jahren war das erste Quartal in den USA sehr schwach - eine Zinserhöhung wäre in so einer Zeit falsch. Daher rechne ich erst im Juni mit der nächsten Erhöhung durch die Fed.

Auf das Gesamtjahr gesehen sind 2,5 Prozent Wachstum in den USA durchaus möglich. Der Arbeitsmarkt entwickelt weiterhin sich gut. Daher war es richtig, dass die Fed die Zinsen im Dezember angehoben hat. Und wenn das Wachstum weltweit nicht völlig zum Erliegen kommt, wird die US Notenbank Fed in ihrem eingeleiteten Zinserhöhungszyklus weiter fortfahren.

Wie werden sich steigende US-Zinsen dann auf den europäischen und deutschen Anleihenmarkt auswirken?

Steigende Zinsen bedeuten fallende Kurse – das ist natürlich negativ. Schauen wir es uns aber etwas genauer an: Wir haben zwar zwei unabhängige Märkte in den USA und Europa, eine völlige Abkopplung wird aber trotzdem nicht möglich sein. Auch wenn die EZB – wie von uns erwartet – in diesem Jahr nicht den Spuren der US Notenbank folgen wird und nicht an der Zinsschraube nach oben drehen wird, werden die kapitalmarktzinsen in Euroland am Jahresende etwas oberhalb der aktuellen Werte liegen.

In Großbritannien dagegen rückt die erste Zinsanhebung näher. Doch die Diskussion um einen möglichen Brexit – einen Austritt Großbritanniens aus der EU – könnte dem einen Strich durch die Rechnung machen. So oder so wird die Bank of England vermutlich erst nach einem weiteren Zinsschritt in den USA selbst aktiv werden.

Die Börsenkurse sind seit Jahresbeginn im Keller. Wie sieht die Aktienstrategie des WALSER Portfolio Aktien Europa derzeit aus?

Der WALSER Portfolio Aktien Europa ist ein reiner Aktienfonds basierend auf einem Minimum-Varianz-Konzept (Performance, siehe Chartbild, oben). Bei der Aktienauswahl suchen wir nach Titeln, welche im Bezug auf das Gesamt-portfolio zur Reduzierung der Volatilität beitragen. Wir mögen europäische Aktien, weil die Märkte hier noch die geldpolitische Unterstützung der heimischen Notenbank haben. Besonders im aktuellen Bärenmarkt macht uns der Fonds im Gegensatz zu reinen Indexfonds Freude. Auch auf längere Sicht hat der Fonds eine erfreuliche Entwicklung genommen.

Was sind Ihre derzeitigen Lieblingsaktien?

Lieblingsaktien im Kontext unseres WALSER Portfolio Aktien Europa sowie WALSER Portfolio Classic Nordamerika sind Aktien mit einem niedrigen Beta. Durch den Minimum-Varianz-Ansatz betrachten wir die Einzeltitel im Gesamtportfolio und hieraus ergeben sich Werte europäischer Aktien wie eine Fresenius, SAP oder Münchener Rück sowie amerikanische Titel wie Broadcom, United Health oder Dr. Pepper, wenngleich ich lieber Coca Cola trinke.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Was macht Ihnen an Ihrem Job derzeit am meisten Spaß?

Die Tatsache, sich immer wieder auf Neues einstellen zu müssen und sowohl am Markt, als auch in der Wirtschaft an einem so großen geldpolitischen Experiment teilhaben zu dürfen. So ein geldpolitisches Umfeld, wie im Moment, gab es noch nie. Niemand weiß genau, was die Folgen einer anhaltend ultralockeren Geldpolitik aller Notenbanken weltweit sein werden. Es ist auch ein ganz großes Experiment für die Finanzmärkte. Das bereitet nicht nur Probleme, sondern auch phasenweise Spaß, wie zum Beispiel während des ersten Quartals 2015.

Herr Jann, wir danken Ihnen vielmals für das Gespräch.