FondsDISCOUNT.de: Die meisten Banken zeigten sich nach dem EZB-Stresstest Ende Juli erleichtert. Die deutschen Banken kamen zwar nicht gut weg, betonten aber, dass die Lage „vollkommen stabil“ sei. Was ist der Stresstest Ihrer Meinung nach Wert?

Dirk Müller: Der Stresstest ist ziemlich wenig Wert. Vor allem, weil kein richtiger Stress ausgelöst wurde. Die Möglichkeit, dass es eine dauerhafte Phase von Negativ- und Niedrigzinsen gibt, wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Wesentliche Elemente waren so gar kein Teil des Tests, daher macht er wenig Sinn.

Wie würde Ihr persönlicher Stresstest ausfallen, welches Zeugnis stellen Sie dem Bankensektor in Europa und Deutschland aus?

Der Bankensektor steht vor enormen Problemen. Die italienischen Banken sitzen etwa auf mehr faulen Krediten als vor der Finanzkrise. Dabei ist das konjunkturelle Umfeld – gerade in Deutschland – gut. Trotz dieser Rahmenbedingungen fällt es denn Banken wahnsinnig schwer, Geld zu verdienen. Das liegt einerseits an dem Regulierungsdruck, dem die Banken unterliegen, andererseits an den niedrigen Zinsen. Wenn sich das konjunkturelle Umfeld verschlechtert, wird der Druck auf die Banken weiter zunehmen.

Ein weiteres Problem ist, dass es zu viele Banken gibt, vor allem in Deutschland. Die kleineren, wie Volksbanken und Sparkassen, bedienen das Massengeschäft. Oben greifen die großen US-amerikanischen Geldhäuser an, die wesentlich bessere Kostenstrukturen und zuhause weniger direkte Konkurrenz haben. Gegen diese Investmentbanken haben es deutsche Privatbanken schwer, da sie irgendwo dazwischen stehen.

Wo liegen die größten Versäumnisse der Banken in den vergangenen Jahren?

Viele Institute sind vor der Finanzkrise zu hohe Risiken eingegangen. Aber auch danach wurden Geschäfte getätigt, bei denen es besser gewesen wäre, diese sein zu lassen. Zudem gibt es eine gewisse Sprunghaftigkeit zu beobachten: Die Deutsche Bank beispielsweise versucht seit Jahren, sich umzubauen und hat zahlreiche Vorstandwechsel hinter sich. Dann konzentrierte man sich zunächst aufs Privatkundengeschäft und kaufte die Postbank. Plötzlich hatte das Investmentgeschäft die höchste Priorität. Jetzt interessiert man sich wieder für die Privatkunden und den Mittelstand. Mit diesem Verhalten bleibt man zwischen Baum und Borke hängen.


Wie stark bedrohen FinTechs die Vormachtstellung der Banken? Ein globales Konsortium von Großbanken hat sich im vergangenen Jahr zusammengetan, um gemeinsam an der Blockchain-Technologie zu arbeiten. Kann das reichen, um gegen die neuen Wettbewerber zu bestehen?

FinTechs sind in der Tat riskante Mitspieler für die großen Banken. Ich vergleiche das gern damit, dass sie als kleine Boote einen Tanker angreifen. Große Banken sind ja in ihrer Flexibilität, Änderungen vorzunehmen, ungefähr so manövrierfähig wie ein Tanker.

Da die FinTechs oft abseits des Regulariums agieren, haben sie einen entscheidenden Vorteil. Die Behörden sind gar nicht so schnell, diese Spieler auszukontern. Die FinTechs sind effizienter – wenn allerdings was schiefgeht, endet das oftmals in der Pleite. Obwohl es dieses Risiko gibt, macht es das Leben der Banken nicht einfacher.

Kommt es zu einem Crash auf dem Bankensektor? Und wie oft wird sich der Steuerzahler noch mit Bankenrettungen beschäftigen müssen?

Das steht zu vermuten, auch wenn die aktuellen Kapitalausschüttungen schön geredet werden. Neben einer möglichen Rettung durch die Steuerzahler, droht natürlich auch ein Bail-in. Ich denke, diese beiden Instrumente werden künftig noch ein paar Mal zum Einsatz kommen.

Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch!

Wie in dem Interview bereits deutlich herauszuhören ist, empfiehlt Dirk Müller aktuell keine Finanztitel. So ist es wenig verwunderlich, dass es auch keine Bankaktien mehr im Portfolio des Dirk Müller Premium Aktien Fonds (ISIN: DE000A111ZF1) gibt. Die zwei einzigen Geldhäuser wurden vor kurzem aus dem Depot geschmissen, da sich die Gefahren durch die Banken zugespitzt haben, wie Dirk Müller uns in einem vorigen Interview erklärt hat.