FondsDISCOUNT.de: Herr Ohme, deutsche Aktien sind Ihr ausgewiesenes Spezialgebiet. Wenn Sie auf die zurückliegenden Monate blicken: Wie haben sich die heimischen Konzerne behauptet, gab es Überraschungen und wo sehen Sie für den weiteren Jahresverlauf gute Chancen?


Christoph Ohme: Insbesondere Unternehmen aus den exportorientierten Sektoren haben nach den dramatischen Einbrüchen im zweiten Quartal 2020 eine starke Erholung bei der Nachfrage gesehen. Gleichzeitig entwickelten sich einige Unternehmen, die zum Beispiel mit E-Commerce-Geschäftsmodellen von Lockdowns profitieren konnten weiterhin sehr gut. Für den weiteren Jahresverlauf erwarten wir eine weitere Nachfrageerholung in exportorientierten Sektoren, zu denen Automobil, Chemie und Industrie gehören. Allerdings beobachten wir Lieferengpässe bei elektronischen Bauteilen und Halbleitern. Hohe Kosten in den Bereichen Transport, Energie und Rohstoffe könnten ebenfalls belasten. Bei Unternehmen, die im Lockdown einen sehr starken Rückenwind verspürten, sollte sich die Nachfrage weiter normalisieren. Allerdings glauben wir, dass die Coronakrise eine nachhaltige Änderung von Gewohnheiten beschleunigt hat. Geschäftsmodelle mit Schwerpunkt E-Commerce und Online-Lieferungen könnten durchaus auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Krise landen.


Trotz Unwägbarkeiten ist die Frage nach der weiteren Börsenentwicklung immer sehr beliebt. Daher interessiert uns Ihre Einschätzung: Wo sehen Sie den Dax zum Jahresende hin?


Zunächst sollten wir einen Schritt zurücktreten und die vergangenen Monate Revue passieren lassen. Die internationalen Aktienmärkte haben nach dem Corona-Tiefpunkt im Frühjahr 2020 eine enorme Aufholjagd gestartet. Der S&P 500 hat die schnellste Verdoppelung seines Niveaus aus einer Krisensituation heraus seit dem 2. Weltkrieg vollzogen, wenn auch unterstützt durch massive monetäre Hilfen der Zentralbanken. Natürlich kann es nach so einer enormen Rallye auch immer Rücksetzer geben. Das wäre durchaus auch normal und nur gesund.


Nichtsdestotrotz sehen wir weiteres Erholungspotenzial bei den Unternehmensgewinnen, insbesondere bei den exportorientierten Unternehmen. Wir behalten jedoch die aktuellen Lieferengpässe und die hohen Kosten für Rohstoffe, Energie und Transport im Auge. Mit Blick auf mögliche Mutationen und Varianten könnte auch die Corona-Pandemie für Volatilität an den Aktienmärkten sorgen. Zudem werden die Notenbanken irgendwann auf eine restriktivere Geldpolitik einschwenken, sollten sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt weiter erholen. Entsprechende Ankündigungen können durchaus zu Konsolidierungen und Korrekturen führen, wie die Vergangenheit gezeigt hat.


Mittelfristig halten wir jedoch an unserer positiven Einschätzung für die Aktienmärkte und den Dax fest und gehen davon aus, dass sich die Dax-Gewinner weiter erholen – getrieben durch zyklische, exportorientierte Sektoren.


Im September wird der Dax von bisher 30 Mitgliedern auf 40 Notierungen erweitert. Wie bewerten Sie die Erweiterung: Ist dies der richtige Schritt und welche Auswirkungen sind Ihrer Meinung nach damit verbunden?


Wir begrüßen die Ausweitung, da der Dax dadurch gestärkt wird und gerade auch in der internationalen Wahrnehmung noch mal an Gewicht gewinnen dürfte. Mit E-Commerce und Gesundheitstechnologie werden voraussichtlich neue Sektoren dazukommen, die sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt haben. Insgesamt wird sich aber an der Sektorgewichtung zur Zeit noch nicht viel ändern, da es sich beim Großteil der Neulinge eher um kleine Werte handelt, die im neuen Dax nach aktuellem Stand rund 17 Prozent an Gewicht ausmachen. Allerdings kann sich das langfristig mit dem Wachstum dieser Unternehmen ändern.


Beispiel Airbus: Aufgrund des Börsengewichts von derzeit rund 87 Milliarden Euro dürfte der Einfluss des Flugzeugbauers auf die Indexentwicklung groß sein. Andere internationale Indizes beinhalten noch wesentlich mehr Titel. Kann der Dax die deutsche Wirtschaft überhaupt repräsentieren, auch wenn jetzt zehn Titel mehr enthalten sind?


Nach der Reform wird der Dax rund 80 Prozent der Marktkapitalisierung des deutschen Aktienmarktes abdecken und somit ein breites Bild vom deutschen Aktienmarkt liefern. Das dürfte den Index international in jedem Fall aufwerten und für ausländische Investoren interessanter machen.


Derzeit veröffentlichen die Gesellschaften ihre Quartalszahlen, zum Teil mit herausragenden Ergebnissen und Aussichten. Sind solche Berichte für Sie Anlass, Investitionen zu tätigen bzw. Positionen aufzustocken? Und auf welche Kriterien achten Sie als Profi-Investor außerdem, wenn es um die Titelauswahl geht?


Unternehmensergebnisse sind generell ein wichtiger Gradmesser, auch für die Allokation der Titel in den Portfolios. Natürlich hat der Aktienmarkt im ersten Halbjahr 2021 auch schon einen Gutteil dieser Erholung vollzogen, was daran erkennbar ist, dass die Aktienkurse auf sehr gute oder besser als erwartete Unternehmenszahlen teilweise negativ reagierten.


Wichtig bleibt für das zweite Halbjahr die Frage, ob sich die starke Nachfrageerholung fortsetzen kann. Und vor allem, wie Unternehmen mit Herausforderungen wie steigenden Kosten, Lieferengpässen und Lockdowns in wichtigen Zulieferregionen – wie zum Beispiel Südostasien – umgehen können.


Bei der Auswahl und Allokation von Titeln spielen neben den Unternehmensergebnissen aber noch weitere Komponenten eine Rolle. So zum Beispiel die Managementqualität, die Zuverlässigkeit in den Prognosen, eine strukturell hohe, stabile Profitabilität, eine Resilienz auch in Krisenphasen, eine solide Bilanz, überproportionale Wachstumsraten und eine führende Position im entsprechenden Markt. Das alles natürlich gepaart mit einer Aktienbewertung, die nicht zu hoch erscheinen sollte.


Warum gehören deutsche Aktien Ihrer Meinung nach ins Depot und wo liegen die Stärken der deutschen Wirtschaft?


Deutsche Unternehmen bieten aus unserer Sicht über ihren Exportanteil in Wachstumsregionen wie zum Beispiel Asien weiterhin ein attraktives Profil. Das ist gepaart mit einer hohen Qualität der Unternehmen, auch wenn dies in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung mit Blick auf einzelne Unternehmen beziehungsweise Sektoren von einigen Rücksetzern begleitet war. Wir glauben aber weiterhin an die Innovationskraft und Qualität deutscher Unternehmen und auch an deren Fähigkeit, mit herausfordernden Situationen umzugehen. Insofern sehen wir nach wie vor viele attraktive Investmentchancen – insbesondere bei jungen, aufstrebenden Wachstumsunternehmen. 


Herr Ohme, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen und Ihre Einschätzungen zum deutschen Aktienmarkt!


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