Axel Krohne gilt als ausgewiesener Experte für Frontier-Märkte und Emerging Markets. Seine Expertise holt er sich am liebsten vor Ort, mittlerweile hat Krohne fast alle Schwellenländer persönlich besucht. Damit ist er genauso unternehmungslustig wie Alexander von Humboldt, der im 18. und 19. Jahrhundert die Welt bereist hat, und der Namensgeber für den Mischfonds ist, den Krohne verantwortet. Am Humboldt imponiert Krohne nicht nur dessen Biografie: „Er war zu Lebzeiten nach Napoleon der zweitberühmteste Mensch der Welt. Dies gerät heute oftmals in Vergessenheit. Und er war auch der erste, der den Umweltgedanken verstanden hat und die Natur nicht als Untertan angesehen hat.“

Der im Januar 2015 aufgelegte Fonds AvH Emerging Markets (ISIN: DE000A1145G6) setzt auf den Nachhaltigkeitsgedanken und investiert vor allem in Aktien, die möglichst den Prinzipien der Value-Anlage gerecht werden und eine für Investitionen attraktive Bewertung aufweisen. Im Universum der Schwellenländer werden attraktiv bewertete Qualitätsaktien gesucht, die so lange im Portfolio gehalten werden, wie die Unterbewertung offensichtlich ist. Um dies zu erreichen, investiert der Fonds zu mindestens 51 Prozent in Wertpapiere von Ausstellern aus Emerging Markets oder Wertpapiere von Ausstellern, die den überwiegenden Anteil ihrer wirtschaftlichen Aktivität in den Emerging Markets ausüben. Aktuell ist Russland die größte Position im Portfolio nach Ländern.

FondsDISOCUNT.de: Der im Januar 2015 aufgelegte AvH Emerging Markets Fonds soll es Anlegern ermöglichen, an der Kursentwicklung unterbewerteter Value-Anlagen und Spezialchancen aus den Schwellenländern zu profitieren. Seit einem Jahr sind Sie als erfahrener Schwellenländer-Experte Head of Portfolio Management. Wie finden Sie Ihre Perlen in einem doch eher schwierigen Marktumfeld?
Axel Krohne: Auf den Punkt gebracht: Wir suchen gute Unternehmen, die günstig bewertet sind. Die Suche erfolgt bevorzugt in Aktienmärkten, die schlechter entwickelt sind oder generell unpopulärer sind. Zur Selektion: Ich reise sehr viel. Die größte Motivation, vor Ort zu sein, ist es, sich mit dem wirtschaftlichen Umfeld vertraut zu machen. Ein Taxifahrer ist oft ehrlicher als der IWF oder ein Ökonom, dem man im Flugzeug trifft. Ich will vor Ort von der Nachhaltigkeit eines Unternehmens überzeugt werden. Bei Banken etwa, ob sie neue Regularien erfüllen müssen, bei einer Zementfirma, ob Bauaufträge ausstehen oder bei einer Brauerei, ob es Pläne gibt, zu expandieren. Ich will meine Aktien über Jahre halten und nicht nach 12 oder 24 Monaten wieder verkaufen.

Sie haben seit Auflage des Mischfonds Ihren Vergleichsindex MSCI Emerging Markets Index in fast jedem Zeitabschnitt geschlagen. Das ist bei Schwellenländerfonds ungewöhnlich. Woher erklären Sie sich diese Konstanz?
Unser Vorteil ist, wir sind vom Volumen her noch klein. Die meisten Schwellenländerfonds sind groß, was gleichzeitig bedeutet, dass sie viele Milliarden Dollar bewegen müssen. Die großen Emerging-Markets-Fonds gehen daher nicht in kleinere Unternehmen, die weitgehend unbekannt sind. Vor allem, weil es ja zu diesen Unternehmen auch noch kein Research von Aktienhäusern vor Ort gibt.

Der Anlage-Schwerpunkt des Fonds liegt in Russland, dessen Aktien gehören zu den großen Gewinnern des Vorjahres. Warum hatten Sie bei Russland so ein gutes Gefühl?
Das liegt an meiner Vorgehensweise: Ich unterhalte mich mit unglaublich vielen Leuten vor Ort. Ich treffe Firmenvertreter, in fast allen Fällen auf Vorstandsebene, meist CEO und CFO. So finde ich schnell heraus, ob die jeweiligen Firmen anlegerfreundlich sind, dass sie also keine Schulden haben und eine hohe Dividende zahlen. Nicht nur große Ölfirmen sind interessant, mir geht es vor allem darum, dass die Kleininvestoren auch geschützt sind. Bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 2,3 oder 4 wird es für uns interessant, dann wird gekauft.

Hat Russland vielleicht sogar von den verhängten Sanktionen profitiert?
Nein, das kann man so nicht sagen, Russland hat nicht von den Sanktionen profitiert. Die Sanktionen waren ja gegenseitig und wurden oft kreativ umgangen. Ein kleines Beispiel: Nachdem französischer Käse in Russland auf der Verbotsliste stand, wird der einfach in einem Drittland umgepackt und von dort eingeführt. Das wissen alle, daher sind die Sanktionen ein klein bisschen eine Augenauswischerei. Natürlich wäre es dennoch hilfreich, wenn die Strafmaßnahmen aufgehoben werden. Was Russland im vergangenen Jahr wirklich genutzt hat, war der steigende Ölpreis, der ja im vergangenen Jahr um rund 60 Prozent gestiegen ist.

Sie haben in Ihrer Funktion als Fondsmanager mehr als 80 Länder besucht. Welche Vorteile hat es, ständig vor Ort zu sein?
Um nochmal auf Russland zurückzukommen. Da ich in Kalifornien lebe habe ich meine Informationen über das Land bis vor zwei Jahren hauptsächlich über die US-Medien bezogen. Da wurde recht aggressiv gegen Russland geschrieben. Der Eindruck, der vermittelt wurde, war, dass Russland noch in der Steinzeit ist, alle böse und korrupt sind und das Land in der Rezession steckt. Doch vor Ort habe ich gesehen, dass Geschäfte und Restaurants gut besucht sind und die Menschen optimistisch sind. Das Umfeld ist dort viel besser, als die Zeitungen schreiben.
Genau andersrum war es in Hongkong, wo es offiziell ein Wachstum von 6 bis 7 Prozent geben soll, doch in Wirklichkeit befindet sich das Land in der Rezession. Als Fondsmanager sollte man weniger Glauben schenken, was in den Zeitungen geschrieben wird, sondern sich selbst vor Ort überzeugen.

Ihr Kollege, mit dem Sie den Fonds managen, hat Sie in einem Interview einmal als „Value-Extremist“ bezeichnet. Was macht Sie dazu?
Value heißt, günstig zu kaufen. Ich bin hier allerdings sehr extrem. Ganze einfach: Ich will weniger zahlen, als ich dafür bekomme. Wenn etwas 100 wert ist, kaufen viele schon bei 80. Ich bin erst zufrieden bei einem Kaufpreis von 50. Bei Aktien achte ich auf einen KGV von 4 bis 5 und hohe Dividendenrendite ab 10 Prozent. Finanztitel kaufe ich für weniger als die Hälfte des Buchwerts. Mit der Methode bleiben wenige Werte übrig, aber ich bin auch wenig kompromissbereit. Der AvH hält daher aktuell auch nur 70 Prozent Aktien.

In welchen Ländern liegen aktuell die größten Chancen und wovon sollte man besser die Finger lassen?
Der russische Aktienmarkt ist immer noch relativ günstig und wird erst normal bewertet sein, wenn die internationalen Beziehungen sich entspannen. Bis dahin bin ich optimistisch, dass der Markt noch länger interessant bleibt. In Ecuador gibt es günstige Aktien. Kolumbien ist auch sehr günstig, vor allem, nachdem dort endlich Frieden herrscht. In Vietnam finde ich ebenfalls oft Unternehmen, die günstig sind. Afrikanische Märkte sind ebenfalls billig. Die haben sich extrem schlecht entwickelt, daher sind diese Märkte umso interessanter für mich.
Nicht infrage kommen Indien und China. Die beiden Länder sind zu groß und komplex – das überlasse ich anderen, sich dort die Finger zu verbrennen.

Wie reduzieren Sie auf dem globalen Markt die Auswahl Ihrer Assets?
Bei der Selektion ignoriere ich ganze Branchen. Ich gehe etwa gar nicht in Rohstoffe. Auch Versorgungsunternehmen tragen ein politisches Risiko, ebenso Industriegüter. Ich achte auf einen Markt mit einer wachsenden Mittelschicht, dann ist es mir egal ob in Sandwichs, Bier oder Finanztitel investiert wird.
Und, auch ganz wichtig, ich achte bei den betreffenden Unternehmen auf eine geringe Verschuldung. Diese genannten Faktoren reduzieren bereits die Auswahl dramatisch. Wenn ich jetzt noch das KGV von 4 bis 5 voraussetzte, bleiben weltweit nur ein Dutzend Unternehmen übrig.
Ich will jene Unternehmen mit den besten Zukunftschancen. Diese Unternehmen sind so günstig, die müssen Ihren Wert gar nicht mehr steigern, die müssen ihren Wert nur halten.

Gibt es 2017 das große Comeback der Emerging Markets?
Ich habe – ehrlich gesagt – keine Ahnung, wie sich die Aktienmärkte weiter entwickeln. Eines ist klar, die Emerging Markets werden wichtiger, da dort der Wohlstand über die Jahre wächst. Als ich das erste Mal in Vietnam war vor 15 Jahren, gab es dort nur Fahrräder, heute hat fast jeder ein Auto. Und wer hätte gedacht, dass in Kenia einmal Luxusshoppingmalls gebaut werden. Die Bevölkerung in den Schwellenländern wird im Schnitt reicher. Dass vergisst, wer nur Zeitung liest. Für diese Länder, und hier vor allem für die Armen, wird es besser.

Herr Krohne, vielen Dank für das Interview!