Die beiden Fondsmanager Marc Profitlich und Nicolas Schmidlin suchen dort nach potenziellen Investitionen, wo sich andere gelangweilt abwenden. In ihrem Mischfonds verwalten sie gemeinsam etwa 103 Millionen Euro, die überwiegend in Aktien und Anleihen angelegt sind. Bei vielversprechenden Aktien werden die Unternehmen auf Herz und Nieren überprüft. In Frage kommende Staatsanleihen werden erst nach ausgiebiger Analyse des Prospekts und der rechtlichen Rahmenbedingungen gekauft. Diese unermüdliche Fleißarbeit können sich nur flexible Fonds leisten, wie Marc Profitlich im Interview mit FondsDISCOUNT.de erläutert.

FondsDISCOUNT.de: Sie haben zusammen mit Nicolas Schmidlin eine Anlagestrategie entwickelt, die ihresgleichen sucht. Beim Management des ProfitlichSchmidlin Fonds (WKN: A1W9A2) konzentrieren Sie sich auf Aktien und Anleihen. Dabei trauen Sie sich auch an Investments heran, die auf den ersten Blick exotisch erscheinen, wie zum Beispiel griechische Staatsanleihen oder Anleihen des zahlungsunfähigen Karibikstaats Grenada. Woher nehmen Sie die Inspirationen für derartige Investments?

Marc Profitlich: Wir beschäftigen uns nur mit Staatsanleihen deren Renditeniveau attraktiv ist. Bei italienischen Staatsanleihen lohnt es trotz einiger prospektrechtlicher Besonderheiten derzeit nicht, sich detailliert mit den einzelnen Papieren zu beschäftigen. In den letzten zwei Jahren haben uns eher Russland, Ukraine, Serbien, Argentinien, Griechenland und Grenada usw. interessiert. Bei Staatsanleihen in Europa können wir auch auf eine eigene Datenbank, mit Anleihen, welche nach ausländischem Recht begeben wurden, zurückgreifen.

Grundsätzlich ist es aber sehr unterschiedlich wie wir auf einzelne Wertpapiere stoßen. Wir beschäftigen uns gerne mit vermeintlich unpopulären oder langweiligen Wertpapieren und Unternehmen, auch überdurchschnittlich komplexe Wertpapiere können interessante Chancen bieten.

FD: Das Sauren-Fondsmanager-Rating lobt Ihren Investmentansatz in den höchsten Tönen. Vor allem die „intensive Analyse der Bedingungen eines Emissionsprospekts“ bei Anleihen sowie das „kritische Lesen diverser Quellen“ werden hervorgehoben. Nun könnte man meinen: ‚Wer lesen kann ist klar im Vorteil. ‘ Kann das im Prinzip nicht jeder so machen?

Profitlich: Das stimmt prinzipiell. Tatsächlich sind viele Marktteilnehmer aber von einem engen Korsett eingeschnürt: Rating- und Liquiditätsanforderungen müssen erfüllt werden und häufig muss zusätzlich aus internen oder regulatorischen Anforderungen heraus die Volatilität gesteuert werden. Hinzu kommen Anreizstrukturen bei vielen Instituten die es erschweren, sich der allgemeinen Marktmeinung entgegenzustellen. Wir sind dagegen schlank und unabhängig aufgestellt und dank unserer Größe und unseren Fähigkeiten flexibel und anpassungsfähig.

Matt Levine, ehemaliger Investmentbanker bei Goldman Sachs und derzeit Bloomberg Kolumnist, behauptet: „Der gesamte Kapitalismus baut auf 100-Seitigen Dokumenten auf, die niemand liest.“ Das Thema wird auch in dem aktuellen Hollywoodfilm über die US-Subprimekrise „The Big Short“ aufgegriffen. Wie groß schätzen Sie die Gefahr ein, dass niemand sich mehr die Mühe macht oder die Kapazitäten aufbringen kann, um komplexe Finanzprodukte umfassend zu verstehen oder gar in Frage zu stellen?

Es muss klar sein, dass wir uns bei unseren Anleihen Investitionen häufig in Nischenbereichen des Kapitalmarkts bewegen. Beispielsweise wurde bei der Emission von Tier 1-Anleihen in den vergangenen Jahren Wildwuchs betrieben und es wurden Papiere mit sehr komplexen und heterogenen Bedingungen emittiert. Dies führt zu Ineffizienzen und eröffnet Chancen, ohne dass dadurch für das Finanzsystem direkt Gefahren entstehen. Ich gebe Ihnen aber tendenziell recht: Beispielsweise gab es in den letzten Jahren bei Restrukturierungen und Rettungsaktionen von Banken in Europa immer wieder Streitigkeiten, ob diese Kreditausfallsversicherungen auslösen oder nicht. Darin sehe ich durchaus eine Gefahr. Hier muss Klarheit geschaffen werden, auch um zukünftig die Handelbarkeit der Instrumente besser standardisieren zu können.

Dass der rechtliche Hintergrund vor allem bei Staatsanleihen wie im Beispiel Griechenland eine große Rolle spielt, hat Ihr Investment aus dem Jahr 2012 eindrucksvoll gezeigt. Damals konnten Sie den Schuldenschnitt umgehen, weil sie ausschließlich in griechische Anleihen nach ausländischem Recht investierten. Athen musste die Anleihen in voller Höhe zurückzahlen. Wo liegen im Anleihenuniversum die nächsten Perlen dieser Art verborgen?

Wir haben im letzten Jahr begonnen, ein diversifiziertes Portfolio aus sogenannten CMS-Linkern (Constant Maturity Swap, Anm. d. Red.), also variabel verzinslichen Tier 1-Anleihen* von Banken, zu kaufen. Diese weisen komplexe Bedingungen auf und notieren aufgrund des niedrigen Zinsniveaus und den sich daraus ergebenen geringen Kupons bei Kursen zwischen 50 und 70 Prozent. Dies stellt für die Banken eine attraktive Chance dar, denn die Institute können durch Rückkäufe der Papiere unter Pari hartes Kernkapital generieren. Derzeit ist das Zustimmungserfordernis des Bankenregulators – seit kurzem ist das die EZB – jedoch das Nadelöhr.

Neben den kreativen Investments im Anleihensegment setzen Sie langfristig auf unterbewertete Aktien, die sie erst nach einer tiefgründigen Fundamentalanalyse auswählen. Dabei suchen Sie gezielt nach Werttreibern. Welche Aktien sind für Sie derzeit attraktiv?

Unsere größte Beteiligung ist derzeit AerCap. Das Management des Flugzeugleasing Unternehmens hat in der Vergangenheit mehrfach Intelligenz und Kreativität bei der Allokation des Kapitals bewiesen. So wurden Flugzeuge zu attraktiven preisen veräußert, günstig nachrangige Schulden begeben und aus den erlösen Aktien zurückgekauft. Diese Fähigkeit des Managements sollte aus unserer Sicht den Kurs stützen. Gleichzeitig ist das Unternehmen Marktführer und kann sich so den positiven und negativen regionalen Entwicklungen, beispielsweise im Iran (positiv) oder Russland (negativ) anpassen.

Eine andere neuere Investition von uns sind Aktien des Schweizer Mobilfunkanbieters Sunrise Communications. Die Aktien hatten aus Furcht vor einem Preiskampf mit Salt, dem drittgrößten Anbieter des Landes, an Wert verloren. Angesichts der Aktionärsstruktur der beiden Unternehmen und der hohen Verschuldung von Salt, halten wir jedoch eher einen Zusammenschluss der beiden Unternehmen für wahrscheinlich.

Sie sehen Investitionschancen bei Unternehmen, in denen Veränderungen stattfinden und bei denen Sie Werttreiber identifizieren können, zum Beispiel durch Übernahmen, Abspaltungen, Aktienrückkäufe, Managementanreize). Wie spüren Sie solche Gelegenheiten auf?

Das ist sehr unterschiedlich: Viel ist Lesen und Fleißarbeit, einige Ideen entwickeln wir zusammen mit anderen Investoren aus unserem Netzwerk.

Unternehmen aus der Finanzbranche kommen im Aktienbereich in der Regel für Ihren Fonds nicht in Frage. Warum nicht?

Die Finanzkrise hat gezeigt, dass man sich auf die Buchwerte in den Bilanzen der Banken im Ernstfall nicht verlassen kann. Die Branche hat zwei weitere Probleme: Erstens, eine häufig für die Aktionäre sehr unvorteilhafte Anreizstruktur des Managements und zweitens, zunehmend höhere Kapitalanforderungen des Regulators welche die Kapitalrenditen reduzieren und für Verwässerungen der Aktionäre sorgen.

Nach dem Börsencrash in China zu Jahresbeginn wurde auch der Dax deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Kommt da die Nervosität der Anleger zum Ausdruck oder sehen wir den Beginn eines nachhaltigen Abwärtstrends, der das Börsenjahr 2016 bestimmen könnte?

Ich beschäftige mich lieber mit meinem eigenen Portfolio als mit Prognosen für den Gesamtmarkt – hier bin ich zuversichtlich.

Wie schaffen Sie es im aktuellen Marktumfeld, die Volatilität des ProfitlichSchmidlin Fonds niedrig zu halten?

Wir versuchen, zu hohe Abhängigkeiten von einzelnen volkswirtschaftlichen Risiken, wie etwa von der volkswirtschaftlichen Entwicklung in China, zu vermeiden. Außerdem ist die geringe Volatilität ein Resultat unserer Diversifikation über Werttreiber aus verschiedenen Anlageklassen. Sicherlich wird es aber auch Zeiträume geben in denen die Volatilität des ProfitlichSchmidlin Fonds höher ist als sie es in den letzten Jahren war.

Transparenz wird bei ProfitlichSchmidlin anscheinend groß geschrieben. Auf Ihrer Webseite finden interessierte Anleger zahlreiche Informationen zum Fonds sowie einen Blog mit ausführlichen Artikeln zu Ihren Investments. Was versprechen Sie sich von dieser Offenheit?

Wir hoffen, dass unsere Investoren verstehen, was sie von uns erwarten können und was nicht. Wir betreiben kein Markttiming und sichern das Portfolio nicht ab. Wir orientieren uns nicht an einer Benchmark. Die Zinssensitivität unseres Anleihenportfolios ist relativ gering. Wir spekulieren nicht mit Währungen. Für die Beurteilung unserer Leistung müssen Investoren unser Konzept verstehen. Darum schreiben wir detaillierte Quartalsberichte, monatlich kurze Updates per Mail und ab und zu Blogbeiträge zu einzelnen ausgewählten Investitionen und Überlegungen.

Auf Ihrer Webseite habe ich ein Zitat von Albert Einstein entdeckt: „Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.“ Das klingt sehr anstrengend. Wie oft kommt es bei Ihnen vor, dass Sie interessante Ideen für Investments wieder verwerfen müssen?

Sehr häufig. Zuletzt bin ich nach Barcelona gereist um dort einige Unternehmen zu treffen. Insbesondere ein Unternehmen hatte es mir vor der Reise angetan. Leider war ich vom Management und dessen Mentalität enttäuscht, so dass wir keine Aktien des Unternehmens kaufen werden. Trotzdem habe ich auf dem Trip viel gelernt und das ist doch das Schöne an unserer Arbeit.

Herr Profitlich, ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch.

*Weitere Informationen zu den Investments des ProfitlichSchmidlin Fonds – zum Beispiel zum Thema variabel verzinsliche Tier-1-Anleihen – finden Sie auf dem Blog der beiden Fondsmanager.