Das Geld ist nicht länger Mittel zur Wertaufbewahrung. Damit wird der Sparer zum Dummen. Denn wer spart wird dafür mit Null- oder Negativzinsen bestraft. Während sich gut informierte Selbstentscheider für Investments in Fonds und andere Kapitalanlagen entscheiden, ruft Buchautor Thomas Mayer den Rest der Gesellschaft dazu auf, das bestehende Geldsystem komplett zu überdenken. Einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftsexperten legt mit seinem Buch „Die neue Kunst, Geld anzulegen“ das Fundament für ein völlig neues Verständnis für die Geldanlage.

FondsDISCOUNT.de: Herr Mayer, was halten Sie von der Finanzbildung in Deutschland?
Leider kennen sich die Deutschen in Fragen der Vermögensanlage kaum aus. Man vertraut auf das Sparbuch, zieht höchstens mal eine kürzer laufende Bundesanleihe in Erwägung und hat eine Heidenangst vor Aktien. Solange es noch Zinsen auf Spareinlagen und Bundesanleihen gab, fiel das nicht auf, obwohl man schon damals die Chance auf eine höhere Vermögensbildung durch Aktien verpasste. Heute kann mit den von den meisten Deutschen bevorzugten Finanzanlagen überhaupt kein Vermögen mehr gebildet werden. Doch noch immer scheint die Angst vor Aktien schier unüberwindlich.

Thomas Mayer: Wie kann man die Zahl der mündigen Selbstentscheider bei der Vermögensbildung erhöhen?
Nur durch Aufklärung. Aber das wird dadurch erschwert, dass die meisten Finanzprofessoren eine Finanztheorie lehren, die nichts taugt, und viele Praktiker diese unreflektiert anwenden. Diese Finanztheorie ist wesentlich dafür verantwortlich, dass wir seit den achtziger Jahren alle zehn Jahre eine größere Finanzkrise haben. Denken sie an den Aktiencrash von 1987, die Schwellenländerkrise von 1998, den Aktiencrash von 2000-02 und schließlich die große Kreditkrise von 2007-08, von der wir uns bis heute nicht erholt haben.

Wie wird man zum Meister der neuen Kunst, Geld anzulegen?
Indem man vier Dinge versteht:

Erstens, Risiko ist ein am Ende des Anlagehorizonts entstehender Verlust und nicht Preisschwankungen während des Anlagehorizonts.

Zweitens, Risiko ist nicht präzise messbar, man kann es nur grob abschätzen.

Drittens, die Diversifizierung eines Portfolios dient nicht zur Verringerung von Preisschwankungen, sondern zur Verringerung der Folgen von unvermeidlichen Irrtümern über die Zukunft einer Anlage.

Viertens, der Finanzmarkt befindet sich in einem dauernden Unruhzustand, man könnte sagen in einem dynamischen Ungleichgewicht. Dort treffen Leute mit ihrem subjektiven Wissen und ihrem subjektiven Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge aufeinander und lernen voneinander, indem sie am Markt handeln. Marktteilnehmer sind also weder rational noch irrational, sondern sie sind subjektiv rational. Märkte sind weder effizient noch ineffizient, sondern dynamisch effizient. Sie bieten das beste Verfahren zur Entdeckung neuer Möglichkeiten durch Versuch und Irrtum.

Warum brauchen wir eine völlig neue Geld- und Finanztheorie und auf welchem Weg gelangen wir dorthin?
Wir brauchen eine neue Theorie, weil die alte versagt hat, aber immer noch unser Denken bestimmt. Die Politik der Zentralbanken, die Regulierung durch den Staat, die Anlageentscheidungen vieler institutioneller Anleger sind von einer Theorie getrieben, die durch die tatsächlichen Geschehnisse widerlegt wurde. Der Weg zu einer neuen Geld- und Finanztheorie wird dann möglich, wenn wir erkennen, dass sich die Theorie zum praktischen Handeln verhält wie die Kunstwissenschaft zur Kunst. Welcher Kunstwissenschaftler würde schon behaupten wollen, seine moderne Wissenschaft befähige ihn, eine bessere Mona Lisa zu malen als Leonardo da Vinci?

Herr Mayer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Buch „Die neue Kunst, Geld anzulegen - Mit Austrian Finance zu einem besseren Portfoliomanagement“ erscheint im FinanzBuchVerlag und kann über diesen Link erworben werden.

Über den Autor:
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und Honorarprofessor an der Universität Witten/Herdecke. Von 2010 bis 2012 war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe, zuvor war er für Goldman Sachs und Salomon Brothers in London und Frankfurt tätig. Bevor er in die Privatwirtschaft wechselte, bekleidete er verschiedene Funktionen beim Internationalen Währungsfonds in Washington und beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Er ist Kolumnist der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.