FondsDISCOUNT.de: Frau Paus, bei Bündnis 90/Die Grünen denkt man direkt an den Umweltschutz, weniger an Finanzen. Wie passen diese beiden Themen inhaltlich zusammen und was gerade fasziniert Sie daran ihre Arbeit im Bundestag diesem Thema zu widmen?
Lisa Paus (Foto links, ©DBt, Stella von Saldern): Nun, Geld gestaltet die Welt. Für eine zukunftsfähige Mobilität macht es einen Riesenunterschied, ob sie Diesel-Treibstoff vergünstigen oder öffentliche Verkehrsmittel. Aber wir Grünen stehen ja nicht nur für Ökologie, sondern auch für soziale Gerechtigkeit. Ich setze mich beispielsweise seit Jahren für eine Kindergrundsicherung ein. Gesetze aus allen Bereichen landen am Ende im Finanzausschuss. Das macht die Arbeit dort für mich sehr spannend.
In einer Rede im Bundestag im Juni dieses Jahres haben Sie gesagt, dass in 100 Milliarden Euro verdientem Geld im Immobiliensektor, 20 Milliarden Euro Schwarzgeld stecken. Eine erstaunlich hohe Zahl. Wie gehen Sie als Politikerin gegen Geldwäsche im Immobiliensektor vor?
Das Problem wurde von der Politik jahrelang ignoriert. Die Folge: Während im Finanzbereich bei Prävention, Aufsicht und Kontrolle einige Fortschritte erzielt wurden, ist davon im Immobilienbereich quasi nichts vorhanden. Was wir brauchen ist eine Transparenzoffensive: Unternehmen, die in Deutschland eine Immobilie kaufen wollen, müssen ihren Letzteigentümer offenlegen und in das Transparenzregister eintragen. Und die Notarin muss prüfen, woher das Geld stammt, mit dem die Immobilie gekauft wird. Gibt es da Ungereimtheiten, darf der Kauf erst gar nicht zustande kommen, sondern muss den Behörden gemeldet werden.
Sie gehen davon aus, dass Schwarzgeld die Immobilienpreise zusätzlich steigen lässt. Wie lange geht der Preisanstieg noch gut? Erwarten Sie womöglich einen Crash in Deutschlands Großstädten?
Im Moment habe ich wenig Hoffnung, dass sich die Lage auf dem Immobilienmarkt so schnell entspannt. Der Zuzug in die Städte hält genauso wie die Niedrigzinsphase an, und die Angebotslücke werden wir auch nicht von heute auf morgen durch Neubau schließen können. Mit oder ohne Crash - die sozialen Folgen der Immobilienblase sind schon heute immens. Durch die schnell steigenden Hauspreise driften die Einkommen und Vermögen von Immobilienbesitzern und Mietern dramatisch auseinander. Das bedroht unser soziales Gefüge.
Kann das Konzept Miete auf lange Sicht überhaupt noch funktionieren?
Das muss es! Der Blick nach Irland oder Spanien zeigt, dass hohe Eigentumsquoten nicht vor Immobilienspekulation und den negativen Folgen platzender Immobilienblasen schützen – im Gegenteil. Und auch hier in Deutschland steigen die Immobilienpreise deutlich schneller als die Mieten. Gut funktionierende Mietwohnungsmärkte und starker Mieterschutz sind aus meiner Sicht ein wichtiger Schutz gegen Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass Mieten bezahlbar bleiben und es für jeden Geldbeutel und jede Lebenslage passende Angebote gibt.
Deutschland braucht dringend neuen Wohnraum. Derweil entsteht aber der allgemeine Eindruck, dass der Wohnungsbau stockt. Investoren kritisieren Behörden wegen fehlender Genehmigungen. Die Behörden verunglimpfen diese Investoren als Spekulanten. Wer hat recht?
Es ist nicht wegzudiskutieren, dass der Bauüberhang – also die Differenz zwischen genehmigten und fertig gestellten Wohnungen – seit Jahren zunimmt. In Berlin ist mittlerweile beispielsweise ein Bauüberhang von über 60.000 Wohnungen angelaufen. Wenn wir den abbauen, wären wir bei der Deckung des Wohnungsbedarfs schon ein großes Stück weiter. Dass da so wenig passiert, ist zum Teil auch auf Spekulation zurückzuführen -baureifes Land ist um ein Vielfaches mehr wert als Grundstücke ohne Baugenehmigung. Das größere Problem sehe ich aber im Fachkräftemangel und den fehlenden Kapazitäten in der Bauwirtschaft. Hier sehe ich die Bauwirtschaft in der Pflicht, gemeinsam mit der Politik nach Lösungen zu suchen, statt den Behörden den schwarzen Peter zuzuschieben und immer mehr Genehmigungen zu fordern.
Müsste es eventuell ein Siegel dafür geben, dass private Investoren leicht erkennen können, wie sozial die Bau- oder Vermietungsvorhaben von geschlossenen Immobilienfonds sind?
Ja, wir Grünen setzen uns für ein EU-Label für nachhaltige Geldanlagen ein, das auch für Immobilienanlagen gelten soll. Privatanlegerinnen müssen wissen, in welche Projekte ihr Geld fließt und welche ökologischen und sozialen Folgen damit verbunden sind. Wir erleben, dass sehr viele Menschen eigentlich auch ethisch, sozialökologisch orientiert anlegen wollen, aber vor dem Problem stehen, dass sie diese Angebote vom Markt nicht bekommen. Auch deswegen wollen wir es breiteren Schichten ermöglichen, dass sie in gemeinnützige Projekte investieren können.
Finanz-Berater werden dank neuer EU-Regelung künftig angehalten sein, ihren Kunden nachhaltige Investments vorzustellen. Wie sieht das im Immobiliensektor aus? Wo fängt die Nachhaltigkeit bei Wohnungen an und wo hört sie auf?
Natürlich denkt man bei Nachhaltigkeit zunächst einmal an die Klimabilanz. Häuser und Gebäude verbrauchen fast 40 Prozent der gesamten Endenergie. Angesichts der Klimakrise ist es dringend notwendig, auch im Gebäudebestand deutlich mehr Energie und Ressourcen einzusparen. Energetische Sanierungen, effiziente Bestandsnutzung, materialsparende Bauweisen und Recycling – die Liste an Möglichkeiten für nachhaltige Investments ist lang. Allerdings ist es gerade im Gebäudebereich wichtig, Ökologie und Soziales zusammenzudenken. Mit teuren – und oft sinnlosen - energetischen Sanierungsmaßnahmen die Mieten in die Höhe und Menschen aus ihrer Wohnung zu treiben, ist nicht nachhaltig.
Noch eine Frage zum Schluss: Professor Schellnhuber vom Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam hat auf einem Vortrag beim diesjährigen Forum für Nachhaltige Geldanlagen gesagt, dass wir uns aus der Klimakrise rausbauen könnten, indem wir künftig alle Häuser aus Holz bauen würden. Die Bäume binden das CO2 und Holz ist billiger Baustoff. Man könnte also die Klimakrise verhindern und zusätzlich billig und somit schnell, viele Wohnungen bauen. Sollte das nicht vielleicht bei den Grünen auf der Agenda stehen?
Das tut es schon - Holzbau ist für uns Grüne das Bauen der Zukunft. Durch die Substitution von Stahl und Beton durch Holz in Kombination mit weiteren Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen kann der Ausstoß von CO2 in die Atmosphäre erheblich verringert werden. Wir Grüne haben deshalb dazu bereits im Jahr 2016 einen Antrag ins Parlament eingebracht, in dem wir fordern, eine nationale Holzbaustrategie aufzulegen und den Einsatz ökologischer Baustoffe im Neubau und bei energetischer Sanierung zu fördern. In Berlin, wo die Grünen mitregieren, setzt das landeseigene Wohnungsunternehmen Howoge bei seinen Neubauprojekten schon auf Holz und zeigt, dass Qualität, Nachhaltigkeit und kostengünstiges Bauen Hand in Hand gehen können.
Haben Sie vielen Dank!