Kaum hat EZB-Chef Mario Draghi eine Ausweitung seines Anleihenkauf-Programms beschlossen, wird hinter den Kulissen von CDU/CSU versucht, ihm einen Plan für eine Rückkehr zu steigenden Zinsen zu entlocken. Draghi ist am Freitag zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wie Bloomberg Business berichtet, solle Merkel den Chef der Europäischen Zentralbank dazu auffordern, eine Exit-Strategie vorbereiten.

Das milliardenschwere Ankaufprogramm läuft 2017 aus. Danach könnte sich auch ein erstes kleines Zeitfenster für steigende Zinsen in Europa öffnen. Die USA gelten dafür als Vorlage. Sollte es Fed-Chefin Janet Yellen gelingen, den Leitzins in den USA in zwei bis vier Schritten wie erwartet weiterhin leicht anzuheben – erwartet wird ein Zinsniveau von maximal einem Prozent bis zum Ende des Jahres – dann steigt auch der Druck auf Mario Draghi.

Bis dahin vergeht jedoch noch viel Zeit. Erst einmal ist der Blick mit Spannung auf die Fed und die Bank of England gerichtet, die traditionell in der Geldpolitik dem Vorbild des US-Federal Reserve Systems folgt. In den nächsten Jahren können sich die Finanzmärkte jedoch erst einmal an Liquidität gewöhnen, die die EZB zum Nulltarif zur Verfügung stellt.

Bislang fehlt es an einem Plan, wie die EZB eine Abhängigkeit der Akteure von dieser Milliardenunterstützung verhindern will. Des Weiteren wird Sparern und Privatanlegern die Möglichkeit genommen, im Niedrigzinsumfeld zu geringem Risiko eine Rendite zu erzielen, die über dem Niveau des Inflationsziels liegt.

Diese ist mit einem Stand von 0,2 Prozent jedoch so niedrig wie eh und je. Draghi hat angekündigt, die Maßnahmen noch zu verschärfen, sollte die Inflation infolge der Anleihenkäufe nicht steigen. Bei Banken und Politikern der CDU/CSU gehen bei diesem Gedanken die Alarmglocken an.

Scharfe Kritik von Bundesbank und Finanzministerium
Innerhalb der CDU herrscht die Meinung, dass die EZB mit ihrem Anleihenkauf-Programm und den niedrigen Zinsen ihr Pulver bereits verschossen hat nun die Zeit gekommen sei, um zu einer normalen Geldpolitik zurückzukehren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erklärte die Geldpolitik der Zentralbank bereits zu einer Gefahr für die Finanzmärkte. Der Überschuss an Liquidität in an den Finanzmärkten neigten diese zur Überreaktion. Die Auswirkungen davon könne man aktuell an der Nervosität in China festmachen, sagte Schäuble am Dienstag in Brüssel.

Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisiert seit Jahren die lockere Geldpolitik Mario Draghis. Die Gewinne von Banken sinken im Niedrigzinsumfeld, denn Zinseinnahmen machen traditionell bei weitem die größte Einnahmequelle der Kreditinstitute aus. Das höhere Risiko, welches die Kreditinstitute eingehen müssten, erhöhe auch die Gefahr über die Entstehung neuer Blasen an den Finanzmärkten.

Während sich Banken in Deutschland wieder steigende Zinsen wünschen, profitieren Regierungen in Europa von dem billigen Geld. Sie können sich so günstig verschulden wie nie zuvor und damit Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft tätigen. Gleichzeitig senkt die EZB damit jedoch den Anreiz der politischen Entscheider, tiefgreifende und modernisierende Wirtschaftsreformen umzusetzen.

Wie das Spiel ausgeht, bleibt abzuwarten. Die Finanzmärkte taumelten indes ins Jahr 2016 –trotz der günstigen Rahmenbedingungen, die die EZB bereitstellt. Der Dax ist zum Ende der Handelswoche am Freitag unter die Marke von 9.500 Punkten gefallen und verlor knapp drei Prozent. Fondsmanager Folker Hellmeyer spricht im Interview mit FondsDISCOUNT.de von „ausgeprägten Unsicherheiten“ an den Märkten. Ähnlich dramatisch sieht es auch Börsenexperte Dirk Müller: Die Krisengefahr werde „massiv unterschätzt“.

Ein Ende der Geldschwemme ist in Zeiten hoher Volatilität und einer scheinbar chronischen Börsenschwäche aus China vorerst nicht Sicht. Es ist unwahrscheinlich, dass die Bundeskanzlerin und EZB-Chef Draghi am Freitag in Berlin zu einem anderen Ergebnis kommen werden. Eine öffentliche Pressekonferenz nach dem Treffen ist zudem nicht geplant.