Zu Jahresbeginn lassen zahlreiche Medien in vielen Ländern jeglicher Kulturkreise Tiere auf unterschiedliche Arten Aktien auswählen, um die Performance dieser zufällig zusammengestellten Portfolios mit den Ergebnissen von Profis oder Indices zu vergleichen. Am bekanntesten dürfte Adam Monk sein, ein Schimpanse im Auftrag der Chicago Sun, der jedes Jahr in einem aufgeschlagenen Wall Street Journal einzelne Titel ankreuzt oder einkringelt. Aus Russland sind Schimpansen bekannt, die Bauklötze stellvertretend für Aktien aussuchen oder Dartpfeile werfen, in Südkorea durfte unlängst ein Papagei Vermögensverwalter spielen und ein Portfolio zusammenpicken.


Warum der Schimpanse mit Dartpfeil keine Lösung ist


Muster für Stiftungen, um 2022 erfolgreich zu investieren? Wohl eher nicht, im Falle des Misserfolgs könnte es schwierig werden, gegenüber der Stiftungsaufsicht zu argumentieren. Der gelegentliche Erfolg der tierischen Aktienselektierer geht ohnehin überwiegend auf einen zuletzt aussterbenden Effekt zurück: Lagen in den zurückliegenden Jahren zumeist mehr als 70 Prozent der dem MSCI ACWI (All Countries World Index) angehörenden Aktien oberhalb des Durchschnitts, waren es 2020 nur noch gut 40 Prozent. Heißt: Nicht mehr der breite Markt, der durch die Zufallsauswahl adressiert wird, bringt den Gewinn, sondern einige wenige Aktien performen deutlich besser als der Index und ziehen ihn nach oben. Heißt: In der Breite lässt sich weniger als bisher vereinnahmen, vielmehr muss man für eine Outperformance mindestens einen Teil der besseren Aktien selektiert haben.


Leider wird das zukünftig noch kritischer, folgt man der Meinung vieler Experten. Nicht nur in der Breite winken weniger Renditemöglichkeiten, auch Momentumaktien könnten sich zunehmend rar machen. Dies war bereits im abgelaufenen Jahr zu sehen: Eine Sektorrotation weg von Technologieaktien hatte die einschlägigen Fonds teilweise in rotes Terrain gedrückt, und auch das Momentum vieler „Leistungsträger“ in nachhaltigen Fonds nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung erlahmte im Frühjahr. Spürbare Rücksetzer blieben nicht aus. Das ändert nichts an den übergeordneten Trends, dass Technologie- und Nachhaltigkeitsaktien – am besten beide Eigenschaften kombiniert in einem Titel – perspektivisch als besonders attraktiv angesehen werden. Doch falls es bei den zum Teil noch jungen Produkten noch keine ausschüttungsfähigen Reserven gibt, kann eine Ausschüttung durchaus drastisch schrumpfen oder ausfallen.


Ein Jahrzehnt niedrigerer Renditen?


Nicolai Tangen zum Beispiel sagt: „Wir bereiten uns auf ein Jahrzehnt mit niedrigerer Rendite vor. Vielleicht wird sie sogar negativ“. Wer ist Tangen, warum ist seine Aussage bedeutsam? Nun, er ist Chef des Pensionsfonds von Norwegen. Der Fonds hat zum Jahresende einen Marktwert von umgerechnet rund 1,2 Billionen Euro und ist damit der größte Staatsfonds der Welt. Über dieses Vehikel werden die Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung angelegt. Etwa 70 Prozent des Vermögens sind in Aktien allokiert, was die Norweger zum größten Einzelaktionär der Welt macht. Die durchschnittliche Rendite der vergangenen 25 Jahren betrug sechs Prozent p.a. „So wird es nicht weitergehen, davon bin ich überzeugt“, sagte Tangen in einem Interview mit der FAZ. Und weiter: „Die Zukunft wird für uns weniger attraktiv sein als die Vergangenheit.“ Die größte Gefahr für die Aktien- und Anleihemärkte sei die Inflation. „Ich glaube, das wird noch viel ernstere Folgen haben, als zurzeit üblicherweise angenommen wird.“


Staat müsste man sein: Beim Schuldenmachen Geld verdienen


Besonders krass sieht es schon heute auf der Anleiheseite aus. Die Bundesrepublik Deutschland hat 2021 tatsächlich 5,855 Milliarden Euro mit Schuldenmachen verdient. Bei der Emission von Bundeswertpapieren zur Finanzierung des Haushalts einschließlich Sondervermögen wurden diese Zahlungen vereinnahmt. Wegen der hohen Coronakosten hat sich der Bund 2021 die Rekordsumme von rund 483 Milliarden Euro am Finanzmarkt geliehen. Die Durchschnittsrendite der emittierten Bundeswertpapiere lag demnach bei minus 0,56 Prozent. Dennoch waren die Auktionen 1,7-fach überzeichnet, wie der Antwort des Finanzminiteriums auf eine kleinen Anfrage aus der Fraktion der Linken im Bundestag zu entnehmen war. Versicherer, Rückversicherer oder Pensionskassen mit regelmäßigen Auszahlungsverpflichtungen mögen aus regulatorischen Gründen wie den Anforderungen an die Solvabilität gezwungen sein, zu diesen Konditionen einschlägige Papiere anzukaufen – für Stiftungen allerdings ist das nichts. Sie sollten vielmehr auch darauf achten, dass die Fonds, die sie nutzen, nicht in solche Minuspapiere investieren.


Eintrübung der Aussichten in vielen Sektoren


Die ganz grundsätzlichen Rahmenbedingungen und der daraus resultierende Zwang für Stiftungen, die Anlage des liquiden Vermögens über die lang gepflegte Strategie 70 Prozent Anleihen, 30 Prozent Aktien hinaus zu entwickeln wurde hier bereits dargelegt. Seitdem haben sich die Rahmenbedingungen weiter verschärft. Die Inflation ist nicht nur zurück, sondern hat mächtig Fahrt aufgenommen. Es ergibt sich also zum Beispiel für den Dezember 2021 die fast schon apokalyptische Situation von einerseits im Monatsschnitt Minuszinsen bei der Umlaufrendite von etwa minus 0,4 Prozent und einer Monatsinflationsrate von sechs Prozent. Zur Erinnerung: Die Umlaufrendite ist der durchschnittliche Renditewert aller inländischen Anleihen erster Bonität, insbesondere Staatsanleihen, die sich zum jeweiligen Stichtag im Umlauf befinden und in Euro denominiert sind. Die Umlaufrendite für Deutschland wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und ist somit eine offizielle Zahl, gewissermaßen der DAX für Anleihen.


Produktivvermögen: Auch hier lauern mannigfaltig Risiken


Also raus aus Anleihen und alles rein in Aktien, Gold und andere Assetklassen? Natürlich nicht. Denn auch beispielsweise für die Beteiligung am Produktivvermögen dürfen zahlreiche Bedrohungen nicht übersehen werden: Lieferkettenprobleme, die Kosten der De-Globalisierung, die Auswirkungen von Umweltkatastrophen/Pandemien, stark wachsende Migrationsbewegungen, die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen wie etwa an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine und zahlreiche weitere Risiken gilt es abzuwägen. Dennoch: Hält das aktuelle Inflationstempo an, dann verlieren Geldvermögen bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts rund 40 Prozent ihrer aktuellen Kaufkraft. Wer sich dem entziehen möchte, wird um eine weitreichende Umschichtung des Stiftungsvermögens in Sachanlagen kaum herumkommen. Viele Stiftungsfonds und stiftungsgeeigneten Fonds reagieren mit der Erweiterung ihrer Anlageuniversen im Bereich Aktien und Anleihen, der Einführung von Wertsicherungs-Mechanik, Dachfonds-Teilstrategien bei Satelliten-Investments und der Entdeckung Alternativer Investments. Das war die angemessene Reaktion für 2021. Für 2022 ff. wird das nicht ausreichen. Der Anlageprozess von Stiftungen muss sich weiter professionalisieren im Sinne eines elaborierten Anlageprozesses. Natürlich sollten Stiftungsfonds, wie sie auf der Plattform www.stiftungsmarktplatz.eu in der Fondsfibel für Stiftungen und NGOs im „Club der 25“ vorgestellt werden, weiterhin die Grundlage bilden. Es bedarf angesichts der Herausforderungen aber der Auffächerung des Fondskosmos.


Kosmos der Fondsthemen muss sich erweitern


In dem eingangs verlinkten Blogbeitrag aus dem vergangenen Jahr wurde die Richtung bereits vorgezeichnet, aber die vermehrte Nutzung von Stiftungsfonds, die ihr Anlageuniversum durchaus erweitert haben und auch zum Beispiel in einigen Fällen eine erhöhte Aktienquote allokieren, dürfte angesichts Inflation & Co allein nicht mehr ausreichen: Stiftungen werden nicht umhinkommen sich weiteres, neues Terrain zu erarbeiten. Dazu können zum Beispiel von ihrer Risikostruktur her stiftungsgeeignete Themenfonds zählen, illiquide Fonds aus dem Bereich Private Markets oder Fonds, die speziellen Kapitalmarktstrategien folgen.


Die grundsätzliche Dringlichkeit ist offensichtlich: Durch die Wiederkehr der Inflation, die eher über kurz als über lang auch die Europäische Zentralbank dazu zwingen wird, die Zinsen anzuheben, ist das Thema Kursgewinne der Anleihen durch sinkende Zinsen zunächst beendet. Gleichzeitig sind die Bestandsportfolien der Stiftungen dem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt. Doch die Aussichten bei Anleihen sind noch komplizierter. Einnahmen über den Coupon sind bei Investment Grade (IG)-Papieren bekanntlich kaum zu generieren – wenn nicht noch ein paar 30-jährige aus besseren Zinszeiten im Fonds schlummern. Fondsmanager waren daher gezwungen, weitere Renditewege zu beschreiten. In vielen Fonds-Präsentationen ist so oder so ähnlich zu lesen: „Jede Anleihe muss ihren Anteil zur Performance leisten“. Von daher war bei den hohen Qualitäten im IG-Bereich eine Zurückhaltung zu sehen zugunsten von BBB-Titeln, die eine transparente und glaubwürdige Finanzpolitik ausweisen, womit das fundamentale Risiko gut kompensiert erschien. Diese kleine Renditeanhebung durch Investitionen am unteren Ende der IG-Range ist also schon ausgeschöpft.


Rising Stars: Rising bereits eingepreist


Ein weiteres Thema: Die gezielte Suche nach „Rising Stars“, also Anleihen, deren Hochstufung abzusehen ist. Aufgrund der zunehmenden Popularität des Themas und der Bekanntheit der Emittenten – viele davon waren auch schon vor der Pandemie bereits IG-Emittenten – ist jedoch die Mehrheit solcher ‚Rising Stars‘ bereits so bewertet, als wäre das Upgrade schon vollzogen worden. Es gibt also nur noch wenige „unentdeckte Titel. Bleibt noch die Strategie, in Anleihen ohne Rating zu investieren, höhere Coupons zu vereinnahmen und zudem Kursgewinne bei Initial- und Folgeratings zu sehen.


Fazit


Das werden sehr bewegte Jahre für Stiftungsvermögen. Klar, viele von ihnen haben Epochen und Kriege überstanden. Wer Bestandsimmobilien, Wald und Land besitzt, ist zumeist fein raus. Die Mehrzahl vor allem kleiner und mittlerer Stiftungen muss aber das Vermögen rentierlich am Kapitalmarkt anlegen, um den Stiftungszweck zu erfüllen. Das wird nur mit einem zunehmend elaborierten Anlageprozess möglich sein.


 


Zum Autor: Dieser Text wurde von Stefan Preuß im Auftrag von www.stiftungsmarktplatz.eu erstellt. Er ist freier Autor, spezialisiert unter anderem auf das Segment Stiftungsfonds und stiftungsgeeignete Fonds. Er fungiert zudem als Redaktioneller Leiter für die FondsFibel für Stiftungen & NPOs (www.fondsfibel.de).