Nachhaltiges Investieren lässt sich über zahlreiche Strategien umsetzen. Der direkte Weg über ökologische Pure Plays etwa aus den Bereichen erneuerbarer Energien oder der Elektromobilität stellen für viele den Königsweg dar. Das Etikett der Nachhaltigkeit tragen aber auch zahlreiche Fonds, die lediglich einen best-in-class-Ansatz verfolgen, also in den jeweiligen Ziel-Branchen diejenigen Unternehmen ins Portfolio aufnehmen, die am wenigsten Umweltschaden anrichten. ESG-Fonds erweitern das Nachhaltigkeitsspektrum um soziale Aspekte und Fragen zur Governance. Stark zugenommen haben zudem Fonds, die in Unternehmen investieren, die direkt die Sustainable Development Goals der UN adressieren. In unterschiedlichen Ausprägungen kommen zumeist Ausschlusskriterien hinzu, was Unternehmen, Branchen und Länder komplett aus dem Anlageuniversum kicken kann.


Aber welche konkreten Ziele und Maßnahmen wünschen Investoren genau? Was ist Ihnen am wichtigsten, über welche Umwelt- oder Sozialsünden sehen sie noch am ehesten hinweg? Dieser Frage ging die Acatis Investment KVG mbH mit einem breit angelegten Fragebogen nach. Hintergrund dabei war natürlich der Gedanke, nachhaltige Produkte noch exakter auf die Wünsche der Investoren anpassen zu können: Die Umfrageergebnisse würden künftig bei der Allokation in ACATIS-Fonds berücksichtigt. „Für unseren Investmentprozess sind die Ergebnisse sehr wertvoll, und wir nehmen sie sehr ernst. Nicht alles können wir eins zu eins umsetzen, aber es wird Veränderungen in unseren Portfolios geben“, kündigt Dr. Hendrik Leber, Geschäftsführender Gesellschafter der ACATIS Investment KVG mbH, an.


Der Fragebogen wurde an 6.404 Adressen gesendet, 403 Personen haben ihn anonym beantwortet. Das ist angesichts des ambitionierten  Umfangs von 54 Fragen in drei Themenblöcken ein ansehnlicher  Rücklauf. Natürlich ist die Gruppe der Antwortenden nicht repräsentativ für alle Anleger, dennoch erlaubt die Auswertung Einblicke in die Gedankenwelt nachhaltig ausgerichteter Investoren.


Die drei nachhaltigen Themenblöcke behandelten

1.         Kontroverse Aktivitäten (24)

2.         Environmental-, Social- und Governance-Kriterien (ESG) (13)

3.         Sustainable Development Goals (SDG) der UNO (17)

Die Antwortmöglichkeiten bestanden jeweils aus „Sehr wichtig“, „Wichtig/mit Toleranzgrenze“ oder „Weniger wichtig“.


Pelzverbot vor Kohlebann


Bei den kontroversen Aktivitäten erachteten die Teilnehmer mit deutlichem Abstand es als sehr wichtig, dass Waffen, insbesondere Streumunition und Minen, Fracking, schädliche Chemikalien, Massentierhaltung, Pelztierzucht und kosmetische Tierversuche ausgeschlossen werden. Im Mittelfeld der Wichtigkeit standen Themen wie Kohle-Förderung und Verstromung, Atomkraft oder Tabak.


Das ist insofern überraschend, als die Decarbonisierung der Wirtschaft als zentrales Ziel gilt, um die Erderwärmung abzumildern. Doch auf der Skala von sehr wichtig (gleich 1) bis weniger wichtig (gleich 3) erreicht der Bann von Kohleunternehmen nur einen Wert von 1,6, während das Verbot von Pelzen mit dem zweithöchsten Wert von 1,36 gefordert wird. Bei allem Respekt vor dem Schicksal von Nerzen und anderen Pelztieren scheint an dieser Stelle ein Niedlichkeitsfaktor in die Antworten der Befragten eingegangen zu sein. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil 92% der Antwortgeber als Vermögensverwalter und –berater arbeiten, also professionell unterwegs sind. Als tolerabel betrachtet wurden Verhütungsmittel, Abtreibung und Gentechnik in der Industrie. Ausgesprochen tiefenentspannt zeigten sich die Befragten bei Alkohol und Cannabis, die viele im Depot nicht sonderlich stören würden.


Wider die Kinderarbeit


Der Themenbereich ESG befasst sich mit guter Unternehmensführung und der Vermeidung nachteiliger Aktivitäten und Tatbestände. Hier priorisierten die Teilnehmer den Ausschluss von missbräuchlicher Kinder- und Zwangsarbeit und die Achtung der Menschenrechtsstandards. Mit Werten von 1,14 und 1,24 werden diesen beiden Punkten besondere Wichtigkeit beigemessen. Es folgten möglichst geringe Umweltverschmutzung und Korruptionsfreiheit. Soziale Standards in der Lieferkette, wettbewerbswidriges Verhalten sowie grüne Produkte bildeten das Ende der Rangliste. „Bei Nachhaltigkeit denken viele zuerst an Natur und Umwelt. Für uns war es daher überraschend, dass Umweltthemen bei den ESG-Kriterien nicht auf dem ersten Platz landeten“, sagt Leber.


Sauberes Wasser als Top-Forderung


Der dritte Themenblock befasste sich mit dem „Impact Investing“ - der gezielten Lenkung von Geldern in Unternehmen, die die Welt im Sinne der von der UNO definierten Sustainable Developments Goals (SDG) besser machen. Die Forderung nach sauberem Wasser für alle Menschen erreicht mit 1,21 eine Top-Dringlichkeit, ebenso wie der Schutz der Meere (1,23). Den Hunger zu beenden, die Bekämpfung des Klimawandels, die Gesundheit zu gewährleisten und den Frieden zu fördern, folgten auf den nächsten Plätzen.


Einigermaßen überraschend sind die beiden Schlussränge: Dauerhaftes Wirtschaftswachstum wurde als nicht so wichtig eingestuft, ebenso die Gleichstellung der Geschlechter, die mit einem Wert von 2,19 Schlusslicht bei den SDG-Zielen ist. Bei dieser Frage gab es die größten Unterschiede in der Beantwortung nach Geschlecht: Von 52 Frauen fanden das nur 7 „weniger wichtig“ (14%), während von 326 Männern 133 (41%) ihr Kreuz bei „weniger wichtig“ setzten. Die Teilnehmer teilten sich auf in 14% Frauen und 86% Männer.


Bezüglich des Geschlechts oder des Alters zeigten sich über alle Bereiche hinweg ansonsten keine großen Unterschiede in der Einstufung der Wichtigkeit der einzelnen Aktivitäten bzw. Kriterien. In fast allem wünschten sich die weiblichen Befragten aber eine etwas strengere Handhabung. Die Umfrage zeigte auch Widersprüche beziehungsweise Konflikte auf. So wurden beispielsweise die Bekämpfung von Hunger und die Vermeidung von Massentierhaltung als gleich wichtig erachtet. „Bei einer wachsenden Bevölkerung wird beides parallel schwierig umzusetzen sein“ gibt Acatis zu bedenken und übersieht dabei die Möglichkeiten einer vegatarischen Lebensweise.


Fazit


Die Ergebnisse zeigen deutlich auf, dass Waffen aller Art von Nachhaltigkeits-Investoren nicht akzeptiert werden. Das ist nicht nur eine Frage auf der Ebene der Hersteller, sondern wenn es um Exporte geht auch der Staaten – und damit deren ESG-Ratings, wie es insbesondere bei Anleihen zum Tragen kommen sollte. Insgesamt spiegelt die Umfrage wider, dass der Nachhaltigkeitsbegriff nach wie vor einigermaßen unpräzise definiert ist. Gerade deshalb sind solche Umfragen wichtig und hilfreich, da auf diesem Weg der Diskussions- und Klärungsprozess vorangetrieben wird.