Für Stiftungsverantwortliche, die das Vermögen ihrer Organisation so anlegen müssen, damit der Stiftungszweck kontinuierlich erfüllt werden kann, sind herausfordernde Zeiten angebrochen. Zum einen hat das anhaltende Niedrig- bzw. Nullzinsumfeld früher geltende Regeln weitgehend außer Kraft gesetzt – wer Rendite will, darf sich dem typischerweise eher volatilen Aktienmarkt nicht mehr gänzlich verschließen –, zum anderen wurde die Finanzwelt durch die Corona-Krise kräftig durcheinandergeschüttelt. Was bedeutet das nun für die Vermögensaufstellung von Stiftungen? Was muss ein guter Stiftungsfonds vor diesem Hintergrund leisten können? Und wie kann eine sinnvolle Kapitalanlage auch im Post-Corona-Zeitalter aussehen?


Tobias Karow vom stiftungsmarktplatz.eu und Dr. Elmar Peine vom RenditeWerk setzen sich tagtäglich genau mit solchen Fragestellungen auseinander und machen ihre Expertise regelmäßig in ihren Publikationen anschaulich. Um auf ganz konkrete Anliegen, Fragen und gegebenenfalls vorhandene Unsicherheiten eingehen zu können, haben die beiden Stiftungsfonds-Experten nun den Virtuellen Tag für das Stiftungsvermögen (#VTFDS2020) initiiert. Am 24. Juni 2020 dreht sich alles um die Themen Fondsanlage sowie den Corona-Crash und die Folgen. Zahlreiche Referenten geben Einblicke, wie das Vermögensmanagement für Stiftungen auch in diesen Zeiten gelingen kann.


Weitere Informationen sowie das Programm zum #VTFDS2020, den Sie via Livestream am PC, Tablet oder Handy verfolgen können, finden Sie hier: #VTFDS2020


Wir haben uns im Vorfeld mit Tobias Karow und Dr. Elmar Peine über ihre „Mission“ in Sachen Stiftungsfonds unterhalten:


FondsDISCOUNT.de: Herr Karow, Herr Dr. Peine – Sie haben sich mit Ihren jeweiligen Publikationen und Services als Experten in Sachen Stiftungsfonds fest im Markt etabliert. Mögen Sie uns jeweils Ihre Leistungen für Stiftungsverantwortliche und Ihre Beweggründe kurz vorstellen?


Tobias Karow (links im Bild): Also für uns sind RenditeWerk und FondsFIbel die beiden Publikationen, die Stiftungen am effektivsten dabei helfen, einen Einstieg in die Fondsanlage zu finden. Es ist ja doch immer noch häufig so, dass Stiftungen ihr Vermögen lieber selber verwalten, dabei hätte die Fondsanlage aus vielerlei Hinsicht heraus Vorteile. Buchhalterisch natürlich, dann das Streuen über Investmentstile und Assetklassen hinweg, und auch das hohe Niveau im Reporting, das Stiftungsverantwortliche einfach sachgerecht entscheiden lässt. Aber genau diese Brücken immer wieder zu bauen, das treibt uns an, und hier werfen wir uns kontinuierlich die Bälle zu.


Was bedeutet das anhaltende Nullzinsumfeld für die Vermögensaufstellung für Stiftungen?


Tobias Karow: Das ist sicherlich für einige Stiftungen sogar existenzbedrohend, für andere wiederum stellt es das bisherige Setup in der Vermögensanlage in Frage. Stiftungen müssen ja ordentliche Erträge erwirtschaften, um sich das Steuerprivileg „zu verdienen“, und das geht eben nur mit Kuponzahlungen, Dividenden, Ausschüttungen von Fonds und so weiter. Das Einfache für Stiftungen ist ja, dass sie relativ gut umreißen können, wie hoch die Zweckmittel sind, die dann verdient werden müssen. Das gibt schon mal die Richtung vor, jetzt muss letztlich die bisherige Allokation dahingehend geprüft werden, ob sie dieses Niveau an notwendigen Erträgen hergibt. Tut sich das nicht, und davon können viele Stiftungen derzeit ein Lied singen, muss gehandelt werden.


Dr. Elmar Peine (links im Bild): Im Grunde ist die traditionelle Kapitalanlageform der Stiftungen nicht erst seit der Niedrigzinsphase ins Wanken geraten. Da ist zum einen die Entwicklung der modernen Finanzmarktheorie, die insbesondere die Vorteile einer aktiven Mischung erkannt hat. Zum anderen ist da die enorme Entwicklung der Beteiligungsmöglichkeiten rund um die Finanzmärkte, die intelligente Anleger ausnutzen können.


Wie ist Ihre jeweilige Einschätzung: Werden Investmentfonds von den jeweiligen Verantwortlichen bereits als fester Bestandteil des Stiftungsvermögens wahr- und angenommen?


Tobias Karow: Also in meinen Augen haben viele Stiftungen Fonds, aber eben zumeist nur Stiftungsfonds und nicht auch andere stiftungsgeeignete Fonds. Genau hier liegt ja die Krux für den künftigen Ordentlichen Ertrag begründet. Nur Stiftungsfonds zu kaufen, weil diese für Stiftungen konzipiert wurden, kann bedeuten, dass ich als Stiftung fünfmal grob die gleiche Allokation kaufe, also immer irgendwas mit 70 bis 80 Prozent Renten und 20 bis 30 Prozent Aktien. Zeitgemäßer wäre es in meinen Augen ohnehin, Stiftungen würden sich ein Portfolio aus verschiedenen stiftungsgeeigneten Fonds zusammenstellen, da können dann ein zwei Stiftungsfonds, ein Income-Fonds, ein ausschüttungsstarker Aktien- oder Rentenfonds, ein Mikrofinanz- und ein Immobilienfonds dazugehören. So aufgestellt wäre Vieles von den Problemen, die Stiftungen jetzt haben und für sich sehen, Makulatur.


Dr. Elmar Peine: Nach unseren Befragungen sind heute knapp die Hälfte der deutschen Stiftungen mindestens in einem der sogenannten Stiftungsfonds investiert. Das ist für kleine und mittlere Stiftungen häufig die richtige Anlageform. Trotzdem ist es nicht verboten, sich weiter zu entwickeln. Für Stiftungen bedeutet das, Sie sollten auch neue Entwicklungen nicht außer acht lassen, etwa die preiswerten ETFs einbeziehen oder für sich genommen riskante Produkte – natürlich nur nach eingehender Beratung und in passenden also kleinen Dosen – ins Auge fassen. Und die Fondsanbieter müssen unseres Erachtens sich schnell von der fatalen 70 zu 30 Fixierung für Stiftungen lösen. Mindestens 70 Prozent Anleihen sind heute zu riskant.


Was muss ein guter Stiftungsfonds heutzutage leisten können?


Tobias Karow: In meinen Augen müssen Stiftungsfonds sich ein klareres Profil geben. Ein Stiftungsfonds mit einer 85/15-Allokation aus Anleihen und Aktien ist für eine Stiftung ein Cashersatz-Baustein, während ein Stiftungsfonds mit einer Aufteilung 50/50 ein Instrument ist, eine grundsätzliche Haltung in der Anlagepolitik einer Stiftung schon ein Stück weit abzudecken. Was ein Stiftungsfonds aber vor allem braucht, ist ein hohes Maß an Ausschüttungsvisibilität, eine Allokation die diesem Oberziel Genüge tun kann und dann auch noch eine stiftungsspezifische Informationspolitik. Haben Sie sich mal die Factsheets von Stiftungsfonds angesehen, auf wie vielen dort die Ausschüttung als für Stiftungen relevanteste Information enthalten ist? Auf den wenigsten, aber das muss ein Fonds künftig liefern, denn auf welcher Grundlage soll eine Stiftung sonst entscheiden.


Inwiefern wird die Corona-Krise auch die Vermögensplanung bzw. die finanzielle Aufstellung – und damit unweigerlich auch die leistbare Arbeit – von Stiftungen beeinflussen?


Dr. Elmar Peine: Gute Frage. Für mich ist das noch nicht klar. Ich hoffe allerdings, dass es nicht zu einer neuen Risikoverweigerung führt.


Tobias Karow: Die Corona-Krise wird auch die Handlungsfähigkeit betreffend ein Umdenken mit sich bringen, da bin ich sicher. In einem Crash muss eine Stiftung, müssen ihre Verantwortlichen handlungsfähig sein, und in vielen Fällen waren sie das nicht. In meinen Augen werden sich Stiftungen vermehrt mit dem Thema Anlagerichtlinie auseinandersetzen, also mit dem Rahmen für die Kapitalanlage, und dort dann auch festlegen, was wer machen kann, wenn es an den Märkten knallt. Und natürlich, die Abkehr von der Anleihe und die breitere Aufstellung des Stiftungsvermögens mit Anleihen, Aktien, Immobilien, Mikrofinanz, das wird durch Corona befördert werden. Aber hierfür braucht es eben dann die Sparringspartner, und in meinen Augen dürften viele Stiftungen diese am ehesten bei Fondsanbietern finden.  


Am 24. Juni 2020 findet erstmals der von Ihnen initiierte Virtuelle Tag für das Stiftungsvermögen #VTFDS2020 statt. Wie wichtig ist ein solcher Informationsaustausch und was erwartet die Teilnehmer?


Tobias Karow: Da der Deutsche Stiftungstag ja dieses Jahr gar nicht stattfindet, sind solche Formate sicherlich Gold wert. Aber klar, das muss ich als Veranstalter auch sagen (lacht). Was Stiftungen vom #VTFDS2020 (www.vtfds2020.de) erwarten können sind konkrete praktische Anregungen für die tägliche Praxis, und zwar entlang der drei Themenblöcke Anlageziel, Anlagerichtlinie und Anlagepolitik. Wir wollen Stiftungen unterstützen, sich in der Kapitalanlage besser zu präparieren und nehmen dementsprechend gerne auch die Frage- und Problemstellungen in das Programm mit, versuchen also sehr nah an den tatsächlichen Bedürfnissen von Stiftungen die Inhalte und Diskussionen zu entwickeln.


Dr. Elmar Peine: Für mich ist es dieses Präparieren für die tägliche Praxis, das wir unterstützen wollen, vor allem aber wollen wir Knowhow teilen und Stiftungen relativ weit vorne abholen. Viele fragen sich, wie sie ihre Anlagerichtlinie auf die nächsten zehn Jahre anpassen, wie sie ihr Anlageziel finden und wie sie das dann in Lösungen übersetzen. Diesen roten Faden wollen wir Stiftungen mit dem #VTFDS2020 an die Hand geben.


Herr Karow, Herr Dr. Peine, herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!


Dr. Elmar Peine ist Geschäftsführer und Herausgeber von RenditeWerk, einem unabhängigen Fachdienst, der seit 2009 über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die praktische Umsetzung der Stiftungsvermögensanlage berichtet (www.renditewerk.net). Tobias Karow ist Gründer von www.stiftungsmarktplatz.eu und Herausgeber der FondsFibel für Stiftungen & NPOs (www.fondsfibel.de), dazu bloggt er zur Fondsanlage regelmäßig auf #stiftungenstärken.