Ausgangssituation


Ein Immobilienprojekt kann üblicherweise nicht zu 100 Prozent mit einem Bankdarlehen finanziert werden. Das Kreditinstitut fordert vielmehr einen gewissen Eigenkapitaleinsatz des Projektentwicklers, der je nach Risikoeinschätzung der Bank meist zwischen zehn und 25 Prozent des Projektvolumens liegt. Um den eigenen Kapitaleinsatz zu reduzieren, ersetzt der Projektentwickler einen Teil des von ihm geforderten Eigenkapitals durch eine nachrangige Crowdfinanzierung. Das Darlehen der Bank ist dabei regelmäßig mit einer erstrangigen Grundschuld abgesichert. Sollte sich das Immobilienprojekt nicht wie geplant entwickeln und der Projektentwickler in Zahlungsverzug geraten, kommt es im Worstcase zu einer Zwangsvollstreckung und Versteigerung des Grundstücks. Aus dem Verwertungserlös wird zunächst das Bankdarlehen und gegebenenfalls andere Verbindlichkeiten zurückbezahlt, anschließend das nachrangige Darlehen der Crowd. Sofern dann noch Vermögen übrig ist, erhält der Projektenwickler sein eingesetztes Eigenkapital zurück. Das Eigenkapital steht also bei der Verteilung an letzter Stelle.


Eigenkapitaleinsatz des Projektentwicklers


Betrachtet man die einzelnen Crowdinvesting-Projekte genauer, stellt sich heraus, dass die Projektentwickler oft gar kein „echtes“ Eigenkapital einbringen, sondern die erforderlichen Mittel nur in Form von Gesellschafterdarlehen zur Verfügung stellen. Dieser Sachverhalt geht allerdings aus den Verkaufsunterlagen der einzelnen Projekte oft nicht oder nicht eindeutig genug hervor. Problematisch ist der Ersatz von Eigenkapital durch Gesellschafterdarlehen deshalb, weil sich damit die Haftungsreihenfolge zu Ungunsten der Anleger verändern kann. Gemäß § 39 Absatz 2 der Insolvenzordnung besteht die gesetzliche Vermutung, dass ein vertraglicher Nachrang (beim Crowddarlehen) im Rang hinter einem Gesellschafterdarlehen steht.


Bei Exporo spricht man regelmäßig von „Eigenkapital“, auch wenn der Projektgesellschaft die Eigenmittel über Gesellschafterdarlehen zugeführt werden. Ob es sich im Einzelfall tatsächlich um „echtes“ Eigenkapital oder nur um Gesellschafterdarlehen handelt, geht aus den Verkaufs- und Vertragsunterlagen der jeweiligen Projekte nicht hervor. Exporo weist darauf hin, dass nur von Eigenkapital gesprochen wird, wenn es auch als solches zu betrachten ist. Durch die Abgabe einer Rangrücktritts- und Darlehensbelassungserklärung werden Gesellschafterdarlehen nach Handelsgesetzbuch und Bilanzrecht dem Eigenkapital zugeordnet, so Exporo. Auf das tatsächliche Vorhandensein dieser Erklärungen und deren Durchsetzbarkeit müssen die Anleger allerdings vertrauen, weil dieser Sachverhalt aus den Verkaufs- und Vertragsunterlagen nicht hervorgeht.


Auch bei Zinsland wird regelmäßig der Begriff „Eigenkapital“ verwendet, auch wenn die Mittel tatsächlich nur über ein Gesellschafterdarlehen in die Projektgesellschaft fließen. So wurde zum Beispiel beim Projekt „Alex 65“ ein Eigenkapital von 4,7 Millionen Euro ausgewiesen, obwohl das Eigenkapital laut Zinsland „u.a. durch Darlehen aus dem Gesellschafterkreis der HeBa Immobilien GmbH dargestellt“ wird. Zinsland weist auf eine Absprache mit dem Projektentwickler hin, dass die aus dem Gesellschafterkreis zur Verfügung gestellten Mittel nicht vor der Crowd zurückgeführt werden dürfen. Es liegt auf der Hand, dass solche Vereinbarungen nicht „unter der Hand“ getroffen werden sollten, sondern in die Vertragsunterlagen der Crowd-Darlehen gehören. Leider ist das nicht der Fall. Inwieweit bei Zinsland grundsätzlich auf die Problematik des § 39 Absatz 2 der Insolvenzordnung geachtet wird, bleibt im Ergebnis unklar. Die Rangstellung der gegebenenfalls in einem Projekt vorhandenen Mittel aus Gesellschafterdarlehen wird je Projekt individuell betrachtet und entsprechende Absprachen mit dem Projektentwickler getroffen beziehungsweise vorhandene Rangrücktrittserklärungen eingefordert, so Zinsland.


Realität


Projektgesellschaften werden also oft anteilig nur über Gesellschafterdarlehen finanziert, obwohl in den Unterlagen der Crowd-Plattformen von Eigenkapital die Rede ist. Somit besteht die Gefahr, dass diese Gesellschafterdarlehen dann – im Gegensatz zum vermuteten Eigenkapital – im Rang vor den Crowd-Darlehen stehen. Problematisch ist aus Sicht von Elisabeth Nanakkal, Rechtsreferentin im Projekt Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Hessen, dass derartige Informationen sich nicht aus den Vertragsunterlagen ergeben, sondern von den Plattformen erst auf Nachfrage erteilt werden. Zudem haben Anleger überhaupt keine Möglichkeit, die zwischen der Projektgesellschaft und den jeweiligen Gesellschaftern getroffenen Vereinbarungen zu überprüfen. Sie können somit nur darauf vertrauen, dass diese tatsächlich so lauten, wie von den Plattformen angegeben.


Fazit


Die Crowd-Plattformen verwenden die Begriffen „Eigenkapital“, „Eigenmittel“ und „Gesellschafterdarlehen“ eher undifferenziert. Darüber hinaus bleiben sie eine nachvollziehbare Darstellung der tatsächlichen Gegebenheiten in den Vertragsdokumenten für die Crowd weitestgehend schuldig. Eine derartige Handhabung ist nicht sachgerecht. Wenn eine Projektgesellschaft über ein Gesellschafterdarlehen finanziert wird, dann sollte in den Verkaufsunterlagen nicht von „Eigenkapital“ gesprochen werden. Das ist nicht nur formal unzutreffend. Bedeutsam ist vielmehr, dass sich damit aufgrund des § 39 Absatz 2 der Insolvenzordnung die Haftungsreihenfolge zu Ungunsten der Anleger verändern kann.


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