Im Gegensatz zum volatilen Aktienmarkt gilt der Immobiliensektor doch eher als bedächtig – lange Zeit kannten die Preise zudem nur eine Richtung: nach oben. Nun jedoch grassieren Meldungen über die Entnahmestopps von gleich mehreren großen britischen Immobilienfonds, zurückgeforderte Anteile werden nicht mehr ausgegeben. Hintergrund ist die große Unsicherheit, die das Brexit-Votum bei den Investoren erzeugt hat. Aus Sorge vor einem Absturz der Immobilienpreise und die weitere Entwicklung des Immobilienmarkts in Großbritannien wollen immer mehr Anleger ihre Anteile zurückgeben – zu viele, wie man etwa bei Standard Life Investments befand. Die Gesellschaft hat schnell reagiert und die Ausgabe von Anteilen ihres „Standard Life UK Real Estate Fund“ am 4. Juli eingestellt. Der Fonds investiert hauptsächlich in Gewerbeimmobilien und verwaltet ein Vermögen von umgerechnet rund 3,4 Milliarden Euro. Am nächsten Tag sahen sich zwei weitere Vermögensverwalter zu diesem Schritt gezwungen. So sind Anteilsrücknahmen nun auch beim "M&G Property Portfolio" ausgesetzt, der mit rund 5,2 Milliarden Euro der größte britische Immobilienfonds am Markt ist. Und auch beim „Aviva Investors Property Trust“ wurde die Geldentnahme gestoppt. Wie das Handelsblatt berichtet, soll nun bei allen drei betroffenen Fonds im Abstand von jeweils 28 Tagen über eine mögliche Wiedereröffnung beraten werden.

Für die investierten Anleger sind diese Fondsschließungen ärgerlich – für den britischen Immobilienmarkt jedoch symptomatisch. Normalisiert sich das überhitzte Preisniveau nun einfach wieder? Oder sind hier Parallelen zur großen Finanzkrise zu sehen, die ebenfalls am Immobilienmarkt ihren Ausgang nahm? Erste Prognosen gehen von fallenden Hauspreisen im Vereinigten Königreich aus – die Meinungen, wie drastisch dieser Preisverfall zu Tage treten wird, sind jedoch geteilt. Manche Beobachter sehen vielmehr ein Einfrieren des Immobilienmarktes kommen. Die britische Zentralbank sieht in ihrem jüngsten Stabilitätsbericht nach Angaben der FAZ sogar die Zunahme systemischer Risiken, dies schürt die Angst vor einer neuen Finanzkrise. Zur Erinnerung: Im Jahr 2008 zogen Investoren mehr als die Hälfte des Vermögens aus offenen Immobilienfonds ab.

Deutsche Immobilienfonds-Anleger können in Bezug auf ihr Investment aber recht entspannt sein – plötzliche Kapitalabflüsse im großen Stil sind bei inländischen Produkten rein rechtlich nicht mehr möglich. Damit hat der Gesetzgeber auf die hohen Mittelabflüsse während der Finanzkrise reagiert, als ebenfalls zahlreiche Anleger ihr Kapital zurück haben wollten und die Fonds dadurch in Bedrängnis brachten. Einige der großen Immobilienfonds befinden sich heute noch in Abwicklung. Um eine Wiederholung zu vermeiden, schreibt das Kapitalanlagegesetzbuch seit 2013 unter anderem eine Haltefrist von 24 Monaten sowie eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten für alle Neuanleger vor. Wer neu in einen Immobilienfonds investiert, muss nun zwei Jahre warten, bis die Anteile wieder verkauft werden dürfen. Anleger müssen sich zudem ein Jahr gedulden, bevor sie ihr Geld bei einem Verkauf erhalten. Durch diese Regelung sollen offene Immobilienfonds besser vor massenhaften Rückgaben geschützt und Liquiditätsengpässe sowie etwaige Fondsschließungen verhindert werden. Hierzulande stehen die Fondsmanager derzeit vielmehr vor dem Problem, dass das Interesse an Immobilienfonds sehr stark gestiegen ist. Die hohen Mittelzuflüsse können aufgrund des leergefegten Immobilienmarkts jedoch nicht zügig investiert werden. Aus Sorge vor Renditeeinbußen aufgrund der gestiegenen Liquidität sind nun die meisten Fondsgesellschaften dazu übergegangen, nur noch dann Anteile auszugeben, wenn auch ein konkretes Investitionsobjekt in Aussicht ist.