Nachhaltigkeitsfonds gewinnen für immer mehr Anleger an Bedeutung. Haben Sie diesen Trend kommen sehen? Immerhin gelten Sie als Pioniere in diesem Bereich, Ihre Wurzeln reichen bis in die 1970er Jahre zurück…

Gunter Schäfer: In den 70er Jahren haben die Gründer der Ökoworld den Trend und dessen heutiges Ausmaß nicht auf dem Schirm haben können. Es ist ja mehr oder weniger in den Anfängen „passiert“, dass Alfred Platow und Klaus Odenthal sich dem Thema Kapitalanlage verschrieben haben. Ökoworld wurde ursprünglich vor über 40 Jahren aus der alternativen Szene von Alfred Platow und Klaus Odenthal als kollektive Versicherungsagentur für alternative Betriebe in einer Garage in Hilden bei Düsseldorf gegründet. Die beiden Vorreiter der ethisch-ökologischen Kapitalanlage, der eine Sozialarbeiter, der andere Mathematiker, bewirkten und revolutionierten über die Jahre einen grünen Bewusstseinswandel im Geldwesen. Ein transparentes Vorhaben, das nun sehr erfolgreich bis heute und auch in Zukunft so weitergeführt wird.


Sehen Sie in diesem Boom eventuell auch die Gefahr eines Etikettenschwindels oder anders gefragt: Ist tatsächlich überall Nachhaltigkeit drin, wo es das Label suggeriert?

Gunter Schäfer: Wenn man sich in der Landschaft der sogenannten „grünen Fonds“ umschaut, so ist deren Marketingverpackung oft grüner als der tatsächliche Inhalt. Also ist es keine drohende Gefahr, sondern gefährliche Realität. Verbraucher sollten daher immer darauf achten, welche Kriterien und Richtlinien dem Fonds zugrunde liegen. Ansonsten finden die Anlegerinnen und Anleger in ihrem Fonds Unternehmen, die so überhaupt nichts mit der eigenen Wertevorstellung und dem persönlichen Weltbild zu tun haben. Wer Kinder liebt und eine eigene Familie hat, sollte nicht in ausbeuterische Kinderarbeit investieren, oder? Wer Ökostrom bezieht, sollte keinen Atomkraftbetreiber mitfinanzieren und an dessen Gewinnen partizipieren. Wer Pazifist ist, darf keine Aktien von Rheinmetall kaufen. Und wer Mitglied bei Greenpeace ist, sollte nicht in den Bayer-Konzern investieren. Man könnte das unendlich weiterführen, welche Widersprüche sich hier auftun.


Investoren wollen in der Regel Gewinne erzielen. Verträgt sich das Bestreben nach mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit grundsätzlich mit dieser Wachstumsmaxime?

Gunter Schäfer : Die Frage ist so alt, wie die kommunikative Klammer und Überschrift „Nachhaltigkeitsfonds“. Schaut man sich unsere erzielte Rendite der vergangenen Jahre an, so wird man zweifelsohne erkennen, dass man mit zukunftsfähigen Investments auch eine ordentliche Rendite erwirtschaften kann. Dies ist eine logische Konsequenz, denn die wirtschaftlichen Folgen der Erderwärmung wären katastrophal. Investitionen in umweltfreundliche Geschäftsmodelle erzeugen selbstverständlich neben ökologischen auch ökonomischen Mehrwert. Die globalen Herausforderungen durch das Bevölkerungswachstum und damit verbundenen Investmentchancen heißen insbesondere Gesundheit, Bildung und Ernährung. Rendite und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch bzw. dürfen kein Widerspruch sein. Nach Angaben des FNG-Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2018 ist der Anlagemarkt in Deutschland in diesem Segment um neun Prozent gewachsen, nachhaltige Investmentfonds legten um 30 Prozent zu. Mit einem Anlagevolumen von rund 171 Milliarden Euro hat die Summe nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland einen neuen Rekordwert erreicht. Gegenüber dem Vorjahr wuchs das Vermögen um neun Prozent. Insgesamt betrug die Summe des verantwortlichen Investierens zum 31. 12. 2017 in Deutschland rund 1,4 Billionen Euro. Wichtig im Rahmen der Wachstumsmaxime ist, dass es im Sinne eines gesunden, maßvollen und achtsamen Kapitalismus um eine gesunde Gewinnorientierung geht und nicht um Gewinnmaximierung um jeden Preis.


Konzerne wie RWE etwa argumentieren vor dem Hintergrund des geplanten Kohleausstiegs mit dem Wegfall von Arbeitsplätzen. Was würden Sie hier entgegnen?

Gunter Schäfer : Der Wegfall der Arbeitsplätze ist natürlich eine unbequeme Begleiterscheinung. Aber jahrzehntelang wurde hier zugunsten wirtschaftlicher Interessen gegen Sinn und Verstand einfach weiter Raubbau an der Umwelt betrieben ohne den Blick nach vorne zu richten und die Folgen abzusehen. Diese Arbeitsplätze standen schon lange auf dünnem Eis und tönernen Füßen. Die proaktive Gestaltung des Strukturwandels wurde sicher zu spät begonnen. Politik und Gewerkschaften müssen neue Perspektiven für diejenigen schaffen, deren Arbeitsplätze vom Strukturwandel betroffen sind, wie Arbeitnehmer aus der fossilen Energiewirtschaft. Und neue Geschäftsmodelle werden natürlich neue Arbeitsplätze schaffen. Wir leben im Change. Aber der Wandel ist nicht erst seit gestern bekannt. Zu lange wurde an den gestrigen Geschäftsmodellen festgehalten. Dies rächt sich jetzt. Aber dies darf kein Grund sein, den Kopf in den Sand zu stecken und die Augen vor der Realität zu verschließen. Sicher ist, dass die erheblichen Kosten von Kraftwerksstilllegungen, Eingriffen in Tagebaue und dem resultierenden Personalabbau kompensiert werden müssen. 40 Milliarden Euro Strukturhilfe sollen in den kommenden 20 Jahren in die betroffenen Reviere fließen. Alleine 15 Milliarden ins Rheinische Braunkohlerevier. Mit dem Geld sollen neue industrielle Arbeitsplätze geschaffen werden. Aber auch die Geschäftsmodelle der Zukunft werden neue Arbeitsplätze schaffen. Wir müssen mutig sein. Um neue Wege gehen zu können.


Lassen Sie uns gerne auf einige Ihrer Fonds zu sprechen kommen. Mit dem ÖkoWorld Klima (ISIN: LU0301152442) können Anleger in Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien bzw. Energieeffizienz investieren. Im Portfolio findet sich z. B. aber auch die amerikanische Fast-Food-Kette Chipotle Mexican Grill. Wie passt dies zusammen?

Gunter Schäfer : Was auf den ersten Blick verwundert, hat einen nachvollziehbaren Grund: Das Unternehmen verwendet ausschließlich Biolebensmittel aus regionaler Produktion, was den Ressourcenverbrauch zugunsten des Klimas niedrig hält.


Ein weiterer Themenfonds aus Ihrem Hause ist der 2008 aufgelegte ÖkoWorld Water for Life (ISIN: LU0332822492), der sich im Bereich Wasserver- und entsorgung engagiert. Welche Chancen bietet dieses Segment?

Gunter Schäfer : Mit anhaltendem Wirtschaftswachstum und zunehmender Weltbevölkerung steigt der Bedarf nach sauberem Wasser überproportional. Dazu kommt der Einfluss des Klimawandels, der in ohnehin trockenen Gebieten zu noch weniger Niederschlägen führt. Es braucht also Lösungsansätze. Zwar werden immer wieder Stimmen laut, die fordern, Wasser zu einem Allgemeingut zu machen. Ökoworld hält davon wenig, denn Wasser als Allgemeingut erzeugt deutlich geringere Anreize für wassersparendes und umweltschonendes Verhalten. In vielen Ländern ist das kostbare Nass darüber hinaus zu billig, sein Preis spiegelt nicht seinen wahren Wert wieder. Gerade in den Industrieländern darf es kein Recht auf kostenloses Wasser geben, da dies sonst den nicht nachhaltigen Umgang fördert. Ökoworld meidet Wasserversorger, die keiner Regulierung unterliegen und Menschen von der Versorgung ausschließen können oder Konzerne, die strategisch in Wasserressourcen investieren.  Über 70 Prozent der Erdoberfläche ist mit Wasser bedeckt – aber nur 0,3 Prozent davon ist Trinkwasser. Und dieses Trinkwasser ist für uns überlebenswichtig. Zwar verfügen wir in den Industrieländern über technische Möglichkeiten, das Wasser mit hohem Energieaufwand zu klären und aufzubereiten. Das darf uns aber nicht von einem sorgsamen Umgang mit dieser begrenzt verfügbaren Ressource abbringen. Ökoworld investiert daher in Unternehmen, die für einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit Wasser stehen. Sei es als Hersteller von Komponenten für die Wasserinfrastruktur, als staatlich regulierte Wasserversorger (d. h. die Unternehmen können die Preise nicht willkürlich festsetzen und sind zum Anschluss der Haushalte an die Wasserversorgung verpflichtet), als Abwasserentsorger. Dabei nimmt die Abwasserentsorgung einen ebenso wichtigen Stellenwert ein wie die Versorgung mit Frischwasser. Die in den Abwässern enthaltenen Schadstoffe richten in den Oberflächengewässern (Flüsse, Seen oder Meere) sowie im Grundwasser großen Schaden an und gefährden die Wasserversorgung. Regulierte Versorger sind daher Teil des Anlageuniversums. Bei uns ist dem eigentlichen Fondsmanagement ein Nachhaltigkeitsresearch vorgelagert. Dort werden jene Firmen identifiziert, die unseren Kriterien in Puncto Nachhaltigkeit entsprechen.


Im zweiten Schritt sucht der Fondsmanager Nedim Kaplan in diesem Universum dann Unternehmen heraus, die ein Teil der Lösung des Wasserproblems sein können, fundamental attraktiv aussehen und eine Wachstumsstory zeigen. Und damit die Chance auf eine attraktive Rendite bieten.


Neue Wege haben Sie mit Ihrem ÖkoWorld Rock’n’Roll-Fonds (ISIN: LU0380798750) beschritten. Der Fonds richtet sich an Eltern, die für ihre Kinder vorsorgen möchten. Was macht das Konzept aus?

Gunter Schäfer : Der ÖkoWorld Rock'n'Roll Fonds ist ein Generationenfonds mit gesellschaftspolitischen Inhalten. Die Bezeichnung verschiedener sozialer Bewegungen der 1960er Jahre gilt als „68er-Bewegung“. Sie bezieht sich nicht auf Einzelereignisse jenes Jahres, sondern auf eine Epoche zivilgesellschaftlicher Proteste, die in mehreren westlichen Staaten mindestens ein Jahrzehnt umfassten und von Staat zu Staat unterschiedliche Verlaufsformen hatten. Im Ursprung ging es immer darum, für seine Überzeugung aufzustehen, um seine Meinung DAFÜR oder DAGEGEN frei, öffentlich und deutlich zu äußern. Genauso funktionieren die Anlagekriterien des ÖkoWorld Rock'n'Roll Fonds. Es geht um Moneten mit Moral. Der ÖkoWorld Rock'n'Roll Fonds ist positioniert als „erster Elternfonds der Welt“. Ganz einfach, weil die Generation der 68er-Bewegung und die, die dem Spirit dieser Community folgen, eine klare Werteorientierung und Konsequenz in sich tragen. Teil der Lösung sein – nicht Teil des Problems. Diese Positionierung soll nun auch in der Geldanlage gelebt werden. Ein passender Verwendungszweck ist die Anlage für die Kinder und Enkelkinder und für alle Menschen, denen es um mehr als irgendeine Geldanlage geht. Wenn man Geldanlage und Investment als langfristigen Vorgang versteht, dann geht es um eine gesunde Gewinnorientierung. Eine Aktie darf nicht als „Spielball des Kapitalmarktes“ gesehen werden, sondern muss wieder als Beteiligung an einem Unternehmen verstanden werden. Zum einen findet Ökoworld die Unternehmen, die zukunftsfähig und nachhaltig agieren. Zum anderen ist unser Anlageuniversum mit Unternehmen aus den Bereichen Energieeffizienz, E-Mobilität, Bildung, Ernährung, Gesundheit, Kommunikation und anderen spannenden Zukunftsthemen gegenüber konventionellen Investmentansätzen mehr als konkurrenzfähig. Und das Ganze, ohne verantwortungslos mit fehlendem Sinn und Verstand Gewinnmaximierung um jeden Preis zu betreiben. Ein wichtiger und ganz entscheidender Verkaufsansatz und ein klares Statement gegenüber der Zielgruppe ist, dass dies ein Fonds ist, in den man unter der Mindestanlage von 10.000 Euro nicht anlegen kann. Die Kundinnen und Kunden, die das meiste Geld ohne Sinn und Ertrag ungenutzt auf den Konten liegen haben, sind die Generationen, die der Elternfonds primär ansprechen soll. Mit unsere Geldanlage können wir für unsere Kinder, unsere Jugendlichen, unsere Töchter, Söhne und Enkel und für uns selbst ein sehr klares Statement abgeben. Im Ökotest-Magazin 10/2018 steht der ÖkoWorld Rock'n'Roll FONDS im Vergleichstest mit 30 grünen Mischfonds übrigens auf dem ersten Rang. Der Spirit der 68er, der Aufbruch und das politische Interesse sind bei unseren heutigen Jugendlichen, Schülern, Studenten, den jugendlichen Erwachsenen wieder stärker ausgeprägt. Schülerinnen und Schüler schwänzen die Schule und demonstrieren gegen den Klimawandel und für den Umweltschutz. Junge Menschen stehen Schulter an Schulter mit älteren Menschen auf, um den Hambacher Forst zu retten. Das ist ein Zeitgeist, der diesen Generationenfonds braucht. Hören Sie sich den aktuellen Song von Udo Lindenberg an. Der Song heißt „Wir ziehen in den Frieden“ und thematisiert solche Sachen. Damit ruft Udo Lindenberg zu einer neuen Friedensbewegung auf!

Sicherlich Ihr bekanntester Fonds ist der 1996 aufgelegte ÖkoWorld ÖkoVision Classic (ISIN: LU0061928585). Was zeichnet diesen Klassiker aus und an welchen Anlegertyp richten Sie sich damit?

Gunter Schäfer : Mit dem ÖkoWorld ÖkoVision Classic setzen Anleger auf einen erfahrenen Weltenbummler. Einen global anlegenden Aktienfonds, der bereits im Jahr 1996 aufgelegt wurde. Dieser konsequente „Öko-Klassiker“ wurde von der Verbraucherzentrale Bremen und der Stiftung Finanztest im Vergleich mit 43 Investmentfonds als einziger mit 100 Punkten ausgezeichnet. Investiert wird global in ausgewählte Unternehmen, die in ihrer jeweiligen Branche und Region unter ökologischen, sozialen, ethischen und fundamentalen Aspekten führend sind sowie die größten Ertragsaussichten besitzen. Das Ökoworld-Prinzip sieht eine vollständige Trennung von Sustainability Research und Asset Management vor. Das heißt: Die Portfolio Manager dürfen ausschließlich in Titel investieren, die aufgrund der Überprüfung von vorab definierten sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien in das Anlageuniversum aufgenommen wurden. Das Team des Sustainability Research überprüft daher die für das jeweilige Anlageuniversum der Ökoworld-Fonds in Frage kommenden Unternehmen. Dafür werden in der Nachhaltigkeitsanalyse stufenweise über spezielle Filter z. B. die Titelprofile für den unabhängigen Anlageausschuss erstellt, der für den die ÖkoVision-Fonds über die Aufnahme von Unternehmen in das Anlageuniversum befindet. Dieses unabhängige Expertengremium überprüft, unterstützt vom Ökoworld-Nachhaltigkeits-Research, die vorgeschlagenen Unternehmen, wählt die Titel für das Anlageuniversum des ÖkoWorld ÖkoVision Classic aus und überwacht diese fortlaufend. Dem Ausschuss gehören Vertreter von Umwelt-, Menschenrechts- und Verbraucherschutzorganisationen sowie Experten in Sachen ökologischer und sozialverträglicher Wirtschaft an.


Herr Schäfer, herzlichen Dank für das Interview.