Der Senior Vice President bei Franklin Templeton verwaltet mit seinen Teams ein Vermögen von rund 145 Milliarden US-Dollar. FondsDISCOUNT.de sprach mit dem amerikanischen Rentenfonds-Experten über die derzeitige Situation im Euroraum und mögliche Folgen der Krise.

FondsDISCOUNT.de: Herr Dr. Hasenstab, die Krise im Euroraum verunsichert viele Anleger. Ein Zerfall der Eurozone wird von zahlreichen Beobachtern nicht mehr ausgeschlossen. Wie schätzen Sie die Situation ein? Als US-Amerikaner haben Sie ja eventuell eine andere Perspektive…
Michael Hasenstab: Die Lage ist heikel, doch Weltuntergangsstimmung ist meines Erachtens nicht angebracht. Griechenland liegt finanziell offenbar in den letzten Zügen, Italien und Spanien, wie ich es sehe, aber keinesfalls. Ich denke, die Eurozone bleibt bestehen. Ich denke, dass das europäische Finanzsystem auf einen möglichen Ausstieg Griechenlands vorbereitet ist. Langfristig halte ich diese Option unter Umständen für positiv, wenn die Alternative in der unbegrenzten Bezuschussung Griechenlands durch den Rest der EU besteht. Das Schuldenproblem wird der Weltkonjunktur zwar einen Dämpfer verpassen, aber es ist nicht stark genug, um etwa das Wachstum der Schwellenländer aus der Bahn zu werfen.

Ihr „Templeton Global Bond Fund“ zählt mit einem Volumen von rund 45 Milliarden US-Dollar zu einem der größten Investmentfonds am deutschen Anlegermarkt. Der Fonds investiert weltweit in Staatsanleihen. Welche Regionen sind derzeit besonders attraktiv, wo sehen Sie langfristige Perspektiven?
Als Investor glaube ich nach wie vor an Anlagechancen in Ländern, die Wachstum verzeichnen, allem Anschein nach verantwortungsvolle Fiskalpolitik betreiben und kein Fremdkapital abbauen.

China galt noch vor nicht allzu langer Zeit als absolute Wachstumsregion. Nun mehren sich die Hinweise auf eine bevorstehende „unsanfte Landung“ Chinas Wirtschaft. Ist diese Befürchtung berechtigt?
2010 wuchs Chinas BIP um 10,5 Prozent, 2011 um 9,2 Prozent. Für dieses Jahr werden Wachstumsraten um 7 bis 8 Prozent prognostiziert. Ein hartes Aufsetzen stellt dieser allmähliche Rückgang in meinen Augen keinesfalls dar.

Doch was könnte eine unsanfte Landung auslösen?
Voraussetzung dafür wäre ein massiver politischer Fehler durch eine Übersteuerung in China, die das Land in die Rezession treiben würde. Das halte ich für unwahrscheinlich. China befindet sich meiner Ansicht nach definitiv im Abschwung eines Minizyklus, steht aber keineswegs vor einem drastischen Einbruch. Ein weiterer Auslöser für eine harte Landung wäre eine Krise im Bankensystem, für die ein Land wie China mit künstlich niedrig gehaltenen Zinsen besonders anfällig sein kann. Mit drei Billionen US-Dollar an Devisenreserven ist China meines Erachtens gegen eine solche Krise aber sehr gut gewappnet.

Anleihen gelten ja gemeinhin als relativ risikoarme Kapitalanlage. Trifft diese Annahme – oder auch der Vertrauensbonus, der dahinter steckt – in Zeiten von Schulden-, Währungs- und Wirtschaftskrisen überhaupt noch zu?
Ich denke, es gibt keine risikofreie Anlage. Die Frage ist, ob man für eingegangene Risiken entschädigt wird. Die Lage ist zwar ernst, doch die Welt wird meines Erachtens nicht untergehen. Chancen gibt es immer, und mit langfristiger Perspektive können sie sich meiner Ansicht nach auszahlen.

Auch das Thema „Inflation“ beschäftigt derzeit die Experten, aber auch private Sparer. Sehen Sie hier akute Gefahren?
Wenn die großen Volkswirtschaften Geld drucken und ihre Währungen dadurch abwerten, sucht sich das Publikum in der Regel Wertspeicher. Das Verpacken von Rohstoffen in Finanzinstrumente halte ich für eine direkte Folge dieser anhaltenden quantitativen Lockerungspolitik. Anziehende Rohstoffpreise machen sich gewöhnlich zuerst auf Schwellenmärkten bemerkbar, die stärker vom Rohstoffverbrauch abhängen und höhere Preise nicht so gut absorbieren können. Auf manchen dieser Märkte haben wir vorübergehend rückläufige Inflation festgestellt, doch sie ist immer noch ein Grundthema, das sich kaum verflüchtigen dürfte. In Anbetracht dieses außergewöhnlichen Experiments mit geldpolitischen Lockerungen müssen wir damit ausgesprochen defensiv umgehen.

Herr Dr. Hasenstab, vielen Dank für das Gespräch!