Inhalt


Marktvolumen steigt 2022 um 15 Prozent


ESG-Integration und Best-in-Class-Ansatz verlieren an Bedeutung


Greenwashing-Vorwürfe schaden Entwicklung


Tendenz für die Definition einer „nachhaltigen Geldanlage“


Optimistischer Blick in die Zukunft


Der Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) e. V. befragte insgesamt 56 Finanzdienstleister, 14 Spezialbanken mit Nachhaltigkeitsfokus und elf Asset Owner für den diesjährigen Marktbericht, der am 4. Juli in Berlin veröffentlicht wurde. Während der Wachstumskurs nachhaltiger Geldanlagen sich auch dieses Jahr bestätigt hat, kristallisierten sich zudem wichtige entwicklungsrelevante Herausforderungen heraus, die die Markteilnehmenden beschäftigen. Dazu gehört insbesondere das Thema Greenwashing sowie die Umsetzung glaubwürdiger Produkte anhand eines einheitlichen Standards. Wir schauen uns den FNG-Marktbericht 2023 für das Jahr 2022 genauer an.


Marktvolumen steigt 2022 um 15 Prozent


Obwohl das Wachstum im Vergleich zum Vorjahr etwas abflachte, übertrafen nachhaltige Geldanlagen weiterhin die Entwicklung des deutschen Gesamtmarktes. Das Gesamtvolumen nachhaltiger Geldanlagen stieg 2022 um 15 Prozent auf 578 Milliarden Euro. Der Markt für nachhaltige Geldanlagen umfasst dabei Anlagen in nachhaltigen Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds sowie nachhaltig verwaltete Kundeneinlagen und Eigenanlagen.


Insbesondere im Bereich der Publikumsfonds verzeichnete die Branche weiterhin hohe Zuwächse. Das Volumen stieg um 29 Prozent auf 317 Milliarden Euro an und ist damit mittlerweile fast doppelt so groß wie das Volumen für Mandate und Spezialfonds, die ausschließlich an institutionelle Kunden vertrieben werden (Rückgang um drei Prozent auf 159 Milliarden Euro). Zu den größten institutionellen Investoren nachhaltiger Anlagen gehörten insbesondere Wohlfahrts- und kirchliche Organisationen sowie öffentliche Pensionsfonds.

Obwohl das jährliche Wachstum geringer ausfiel als in den Vorjahren, entwickelten sich nachhaltige Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds zweistellig und steigerten ihren Marktanteil auf 12,5 Prozent (gegenüber 9,4 Prozent im Vorjahr). Das Gesamtvolumen aller Fonds und Mandate in Deutschland dagegen ging zum 31. Dezember 2022 um zwölf Prozent auf 3,8 Billionen Euro zurück. Im Jahr 2022 beliefen sich die Kundeneinlagen der Spezialbanken mit Nachhaltigkeitsfokus sowie die nachhaltig verwalteten Eigenanlagen insgesamt auf 45,2 Milliarden Euro und blieben damit auf Vorjahresniveau (45,8 Milliarden Euro).


Bernhard Engl, Vorstandsvorsitzender des FNG, betonte: „Das vergangene Jahr war von vielen Unsicherheiten geprägt. Zudem belastete das schwierige Börsenjahr. Nachhaltige Geldanlagen erreichen – so ein zentrales Ergebnis unserer diesjährigen Erhebung zum Marktbericht – zwar nicht die Wachstumsraten der früheren Jahre, legen aber weiterhin deutlich zu. Mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass nachhaltige Geldanlagen krisenresistenter als konventionelle Produkte sind. Sie sind weiterhin sehr gefragt.“


ESG-Integration und Best-in-Class-Ansatz verlieren an Bedeutung


Die Methodik zur Erhebung der Marktzahlen orientierte sich erneut an der EU-Regulatorik, wobei die Klassifizierung nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung die Grundlage für die Definition nachhaltiger Geldanlagen bildete.



In dem Marktbericht hat Studienleiter Sebastian Füllgraf auch die gängigsten nachhaltigen Anlagestrategien analysiert. Ausschlüsse – insbesondere in den Themenfeldern Waffen und Menschenrechte – wurden bei 95 Prozent der betrachteten Vermögenswerte angewendet und belegten damit den ersten Platz. Es folgten Engagement bei 90 Prozent und Stimmrechtsausübung bei 88 Prozent der Vermögenswerte. Die Umfrage ergab, dass die ESG-Integration als Nachhaltigkeitsstrategie nur noch bei 64 Prozent der befragten Anbieter explizit auf Produktebene angewendet wird. Dies liegt eventuell daran, dass für die sozialen und Governance-Aspekte bei ESG die Datenlage noch unzureichend ist. Der Best-in-Class-Ansatz wurde nur noch bei 22 Prozent der Produkte (65 Prozent im Vorjahr) genannt, während Impact Investments nur noch bei einem Prozent der Anbieter zum Einsatz kamen, was ebenfalls auf die fehlende Regulatorik zurückgeführt werden könnte. In Österreich dagegen waren die UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und die EU-Taxonomie die am häufigsten verwendeten Ansätze zur Messung des Impacts.


Der Abwärtstrend bei der ESG-Integration, dem Best-in-Class-Ansatz oder bei Impact Investments könnte mit den Greenwashing-Vorwürfen oder der Herabstufung vieler Artikel-9-Produkte auf Artikel-8-Produkte zu tun haben. Während Produkte nach Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung nur noch drei Prozent der Publikumsfonds ausmachen, spielen sie bei Spezialfonds und Mandaten kaum noch eine Rolle.


Greenwashing-Vorwürfe schaden Entwicklung


Neben quantitativen Daten wurden auch qualitative Antworten der Expert*Innen zur Einschätzung der Branche einbezogen, um ein umfassendes Stimmungsbild über die Entwicklungen und Anforderungen zu erhalten.


Die Befragten äußerten den Wunsch nach einer kohärenten und effizient umsetzbaren Regulierung sowie der Etablierung von Standards, um eine klare Abgrenzung zwischen nachhaltigen Geldanlagen und Investitionen in „Transformationsunternehmen“ zu ermöglichen. Es wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine Verbesserung der Datenverfügbarkeit notwendig ist, um hochwertige und vertrauenswürdige Produkte entwickeln zu können.


Ein weiteres Thema, das in der Branche diskutiert wird, ist das sogenannte Greenwashing, welches viele Gesellschaften immer mehr belastet. Als Ursachen für die wachsende Relevanz dieses Themas werden unter anderem die fehlende eindeutige Definition nachhaltiger Geldanlagen, missverständliche EU-Regulierungen, fehlende Standards, die Medienberichterstattung und Unterschiede im Verständnis von Nachhaltigkeit genannt. Insbesondere die vielen Ansätze zur Definition nachhaltiger Geldanlagen wie etwa Taxonomie, Offenlegungsverordnung, MiFID-II, SRI-Labels, ESG-Skala, ESMA u. v. m. dürften ein wichtiger Grund für die „Unsicherheit“ auf dem Markt sein. So sind 90 Prozent der Befragten der Meinung, dass Greenwashing-Vorwürfe das Potenzial haben, dem Wachstum nachhaltiger Geldanlagen zu schaden.


MiFID-II-Konformität: Tendenz für die Definition der „nachhaltigen Geldanlage“


Im FNG-Marktbericht 2023 zeigt sich, dass die sogenannten Principal Adverse Impact Indicators (PAIs) als bevorzugtes Instrument dienen, um einen Fonds als nachhaltig einzustufen. Dies weist auf eine zunehmende Regulierungskonformität im Bereich nachhaltiger Geldanlagen hin. Die PAIs zielen darauf ab, potenziell negative Auswirkungen einer Investitionsentscheidung wie bspw. Treibhausgasemissionen, Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen sowie die Achtung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit zu berücksichtigen. Gemäß der aktuellen Befragung werden die PAIs vor allem in Verbindung mit den Definitionen der EU-Offenlegungsverordnung angewendet. Im Gegensatz dazu spielen die Vorgaben aus der EU-Taxonomie derzeit keine Rolle bei der Nachhaltigkeitsklassifizierung eines Fonds.


Optimistischer Blick in die Zukunft



Für die Zukunft sind die Befragten weiterhin optimistisch gestimmt. 80 Prozent erwarten ein erneutes Wachstum im laufenden Jahr, während knapp zwölf Prozent mit einem Rückgang und weitere rund acht Prozent mit einem gleichbleibenden Volumen rechnen. 43 Prozent der Befragten gehen sogar von einem Wachstum von mehr als zehn Prozent im Bereich nachhaltiger Geldanlagen aus.


„Sowohl der aktuelle Marktbericht als auch die Einschätzungen der Branche zeigen, dass nachhaltige Geldanlagen weiterhin auf Erfolgskurs sind“, erläuterte Sascha Görlitz, Geschäftsführer des FNG. „Für uns sind nachvollziehbare Regelungen, verlässliche Rahmenbedingungen sowie Transparenz und Qualität der nachhaltigen Finanzprodukte von großer Bedeutung.“

Außerdem wurden für eine allgemeine nachhaltige Entwicklung in der Finanzbranche wichtige Ansatzpunkte wie etwa grüne Finanzbildung, Förderprogramme für grüne Finanzen („Sustainable Finance Literacy“), Klimaverträglichkeitstests oder der Ausbau der Siegelbekanntheit angesprochen. Die Green Finance Agenda des Finanzministeriums von Österreich ist dabei ein spannendes Pilotprojekt.


Der Marktbericht des FNG verdeutlicht das anhaltende Wachstum und die Bedeutung nachhaltiger Geldanlagen in Deutschland. Trotz einiger großer Herausforderungen bleiben die Aussichten positiv, da sich immer mehr Anleger für nachhaltige Investitionen interessieren. Zudem entwickelt sich die Branche in eine Richtung, in welcher der Fokus darauf liegt, klare Standards und Regulierungen zu etablieren, das Vertrauen der Investoren zu stärken und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung von Gesellschaft und Planet zu agieren.