Bei der Geldanlage gibt es dem legendären Investor Warren Buffett zufolge zwei elementare Regeln. „Verliere niemals Geld!“, lautet die erste. Und Regel 2 besagt: „Vergiss niemals Regel Nummer 1!“ Buffetts Ratschlag klingt scherzhaft, doch der Hintergrund könnte ernster nicht sein. Der Starinvestor will damit klarmachen: Beim Geldanlegen ist nichts wichtiger, als Verluste zu vermeiden. Gewinne lassen zwar die Herzen der Anleger höher schlagen. Doch wer das Vermögen nicht vor der nächsten Baisse zu schützen vermag, wird keinen dauerhaften Erfolg haben. Der Schutz vor hohen Verlusten —dieses Ziel haben sich nicht nur Fondsmanager gesetzt, die ihre aktiv gelenkten Vehikel möglichst unbeschadet durch Bärenmärkte führen wollen. Auch Anbieter passiver Investmentprodukte wollen das Risiko von Rückschlägen für Anleger verringern und bringen entsprechende ETFs auf den Markt. Als passive Fonds, die nur einen Index abbilden, haben ETFs keine Möglichkeit, auf Abschwünge zu reagieren. Sie sind darauf angewiesen, dass Indexanbieter wie MSCI oder Stoxx pfiffige Kursbarometer entwickeln, die die Schwankungen reduzieren. Und an neuen Ideen mangelt es nicht: Immer mehr Strategieindizes werden konstruiert, die sich an gängige Aktienindizes anlehnen. Im Unterschied zu diesen versuchen sie aber, die Bewegungen zu begrenzen und das Risiko zu mindern. So findet sich beispielsweise neben dem breiten Weltaktienindex MSCI World der Tochterindex MSCI World Risk Weighted. Die neuen Kursbarometer begrenzen die oft starken Schwankungen des Aktienmarkts, indem sie eine andere Zusammensetzung wählen als ihr Mutterindex. Die meisten gängigen Benchmarks gewichten die in ihnen enthaltenen Titel nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen. Die Änderung des Aktienkurses eines Konzerns mit einem hohen Börsenwert bewegt den Index stärker als die Kursschwankung eines niedriger bewerteten Unternehmens. Das hat zur Folge, dass Kursänderungen weniger Firmen den ganzen Index stark in Bewegung geraten lassen. Die neuen ausgeklügelten Indizes gewichten die Aktien nun so, dass die Schwankungen geringer ausfallen als im Mutterindex.

Verschiedene Vorgehensweisen
Im Detail unterscheiden sich die Strategien der einzelnen Indizes und damit die darauf basierenden ETFs stark. Die zugrunde liegenden Methoden lassen sich grob in vier Kategorien einteilen. Das Konzept der Gleichgewichtung („equal weight“) gibt allen Aktien eines Index das gleiche Gewicht. In einer Equal-Weight-Variante des DAX hätte also jeder der 30 Titel einen Anteil von 3,33 Prozent. Auf diese Weise wird vermieden, dass wenige Aktien ein Übergewicht erlangen. Bei der zweiten Variante werden in dem Index Aktien, deren Kurse in der Vergangenheit besonders volatil waren, weniger stark gewichtet als solche Aktien, deren Kurse sich kontinuierlich und ohne große Ausreißer entwickelten („risk weighted“). Deutlich anders funktioniert das Minimum-Varianz-Konzept („minimum variance“): Aus allen Indexmitgliedern wird diejenige Zusammensetzung ermittelt, die in der Vergangenheit das niedrigste Risiko zur Folge hatte. Dabei werden Titel mit einer niedrigen Volatilität bevorzugt. Außerdem fließen die Abhängigkeiten der Werte untereinander (Korrelationen) — etwa bei Aktien aus dem Energie- oder Konsumbereich — in die Berechnung ein. Dieser Ansatz hat eine niedrige Volatilität des neuen Index zur Folge, kann aber dazu führen, dass nicht alle Aktien, die im Mutterindex enthalten sind, in die Minimum-Variance-Fassung aufgenommen werden. Zudem können einzelne Titel ein starkes Übergewicht erlangen. Bei der vierten Strategievariante werden die Aktien eines Index in Bezug auf ihr Risiko gleichgewichtet („equal risk“). Auch hier werden bei der Konstruktion des Kursbarometers sowohl die Schwankungen als auch die Korrelationen der Aktien untereinander berücksichtigt. Im Ergebnis sind in einem Equal-Risk-Index alle Werte des Mutterindex enthalten, allerdings sind sie so gewichtet, dass jede Aktie den gleichen Risikobeitrag liefert.

Kein Allheilmittel
Welche der Strategien die beste ist, darüber streiten sich die Experten trefflich. Fest steht, „dass jede Strategie in dem einen oder anderen Marktumfeld ihre Stärken hat“, sagt Detlef Glow, Europa-Chef des Analysehauses Lipper. Soll heißen: Keines der Konzepte liefert ein Allheilmittel gegen sämtliche nervösen Zuckungen des Markts, doch einen gewissen Beruhigungseffekt haben sie alle. Einige Ansätze sind durchaus ermutigend: Die ETFs des französischen Anbieters Ossiam, die die Minimum-Variance-Strategie nutzen, entwickelten sich erfreulich. So federte beispielsweise der Ossiam-ETF für europäische Aktien besonders schwere Kursrückschläge immer wieder ab und konnte seinen Mutterindex auf diese Weise übertreffen. Doch echte Wunder vollbringen die Fonds nicht. So zeigt die Historie risikoreduzierter ETFs, dass sie bei Aufschwüngen dem jeweiligen Mutterindex hinterherhinken. Die Volatilität nach oben scheint genauso gebremst wie die nach unten.

Sinnvolle Ergänzung
Dennoch: „Die risikoreduzierten ETFs sind eine sinnvolle Erweiterung des Angebots“, sagt Lipper-Analyst Glow. Der Europa-Chef sieht in den Indexfonds weniger ein Rundum-sorglos-Produkt als vielmehr eine gute Ergänzung. „Wer zum Beispiel 15 bis 20 Prozent seines Geldes, das in europäische Aktien investiert ist, in eine Minimum-Variance- oder Equal-Risk-Strategie steckt, macht nichts falsch“, sagt er. Viel Kapital ist indes bisher noch nicht in die neuen Indexfonds geflossen. Trotzdem ist sich Glow sicher: „Strategieindizes ganz allgemein werden dieses Jahr einer der großen Wachstumstreiber für den ETF-Markt sein.“ Den Anleger sollte das freuen: Ein breiter gefächertes Angebot erweitert seine Möglichkeiten, das passende Produkt zu finden.