Es war ein symbolträchtiger Tag in der Berliner Kalkscheune. Etwa 200 Menschen kamen, um den FNG-Marktbericht zu hören. Bei erdrückender Hitze wurden die Zahlen zur Umfrage vorgestellt. Der Vorstandsvorsitzende Volker Weber präsentierte stolz: 219,1 Milliarden Euro wurden 2018 in Deutschland in nachhaltige Anlagen investiert. Das sind 48 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Im deutschsprachigen Raum, also Österreich und Schweiz mit einberechnet, lag die Zahl noch höher. 474 Milliarden Euro wurde nach ESG-Kriterien (Öko, Soziales und Unternehmensführung) investiert.


Zählt man die sogenannten „verantwortlichen Investments“ hinzu – also solche Investments, die nur nach der Unternehmensführung bewertet wurden - sind es im deutschsprachigen Raum ganze 2,9 Billionen Euro. Zu dieser Entwicklung trugen vor allem die institutionellen Anleger bei. Kirchen, Versicherungen, Versorgungseinrichtungen und andere waren in Deutschland für 93 Prozent der nachhaltigen Geldanlagen verantwortlich. In der Schweiz zeigt sich allerdings, dass 33 Prozent aller nachhaltigen Geldanlagen aus den Geldbeuteln von Privatanlegern kommen. „Die haben früher damit angefangen ihre Kunden über nachhaltige Geldanlagen zu beraten“, sagte Volker Weber über die Schweizer Vermögensverwalter. „Deutschland hat das in gewisser Weise verpennt.“


Kohle neu unter Top 10 Ausschlusskriterien


Als wichtiger Treiber gilt der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Die Befragten gaben an, die regulatorischen Maßnahmen der EU-Kommission seien wichtig. Künftig müssen Vermögensberater ihre Kunden fragen, ob sie Interesse an einer nachhaltigen Anlage haben. Auch ein EU-Siegel für Finanzprodukte soll kommen. Allerdings sei der EU noch nicht ganz klar, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet, bemängelt das FNG. Bisher galt die Klassifizierung in der Staatengemeinschaft mehr den ökologischen Faktoren, weniger den Sozialen und Governance-Faktoren. „Wir müssen aufpassen, dass Nachhaltigkeit nicht verwässert“, so Weber.


Aber die Richtung stimmt. Darüber ist sich auch FNG-Geschäftsführerin Claudia Tober sicher: „Viele Akteure wissen um das Risiko, nicht mit dem Trend zu gehen.“ Nicht umsonst ist Kohle in die Top 10 der Ausschlusskriterien für ein nachhaltiges Investment avanciert. Vor der Kohle im Ranking der Nicht-Investment-Kriterien stehen nur Arbeitsrechtsverletzungen, Korruption und Bestechung, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung. 72,8 Prozent gaben bei der FNG-Erhebung an, nicht mehr in die Kohleindustrie zu investieren.


„Ich erkläre Ihnen gleich warum“


Nach der Vorstellung hörten die Gäste den Vortrag von Prof. Schellnhuber. Der Gründer des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung eröffnete seine Rede mit einem Paukenschlag: „Heute Mittag soll es 35 Grad geben. Ich werde Ihnen gleich erklären warum.“ Was folgte war eine Präsentation über den fortschreitenden Treibhauseffekt, Dürresommer, stehende Luftwellen und die Zusammenhänge zwischen dem Schmelzen der Polkappen, den Strömungen im Meer und dem Amazonas. Aber nicht nur auf der wissenschaftlichen Seite konnte Schellnhuber die Aufmerksamkeit der Gäste gewinnen. „Nachhaltigkeit ist mehr als nur die Lösung des Klimaproblems“, sagte er. Die „Goldgräberökonomie“ müsse enden. Die tue nämlich nur zweierlei: „Sie steckt einen kleinen Markt ab und verteidigt diesen mit allem was sie hat.“ Und weiter: „Es muss ein Buykott stattfinden.“ Schellnhuber rät sofort aus der Kohle auszusteigen, das Geld anders zu verteilen.


Schellnhuber über den Kapitalismus: „Der Film der so schön begonnen hat, scheint ein schlechtes Ende zu nehmen.“ Das australische Great Barrier Reef sei nicht mehr zu retten. Bald würde der Treibhauseffekt ganz Indonesien treffen. Städte wie Jakarta bauten schon jetzt Dämme, um sich auf die Fluten vorzubereiten. Aber es gebe Hoffnung und Ideen. Schellnhuber schlägt vor alle neuen Häuser fortan aus Holz zu bauen. „Wir könnten uns mit Holz zu 30 – 40 Prozent aus der Klimaerwärmung herausbauen.“ Ein irrer Einfall, mit Sinn. Holz als industrielles Baumaterial wäre bei der Verarbeitung nicht nur umweltfreundlicher – Sandgewinnung für Beton zerstört weite Teile der Umwelt – sondern würde auch ganz natürlich CO2 aus der Luft speichern.


EU-Aktionsplan im Diskussionszentrum


Im Anschluss gab es eine Podiumsdiskussion mit Experten unter der Leitung von Journalistin Susanne Bergius. Die Fragestellung: Werden die nationalen Finanzmärkte durch den EU-Aktionsplan nachhaltig? Die stellvertretende Generalsekretärin vom Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), Yvonne Zwick, war sich sicher: „Die Unternehmerische Informationsbereitstellung muss besser laufen.“ Nur so könnten auch die Asset-Manager ihre Kunden zu nachhaltigen Investitionen effizient raten. Letztendlich ging es auch hier um das Wort Nachhaltigkeit. „Es muss Vertrauen aufgebaut werden, zu dem was Nachhaltigkeit überhaupt ist“, mahnte Zwick.



(v.l.n.r. Matthias Kopp, Mario Krimmel, Dr. Henrik Pontzen, Susanne Bergius, Dr. Nicole Röttmer, Yvonne Zwick) 


Dr. Henrik Pontzen, Leiter der ESG-Abteilung bei Union Investment fand lobende Worte für den EU-Aktionsplan. „Die Verpflichtung den Kunden zu beraten ist der wichtigste Schritt“, so Pontzen. Dennoch liege die Entscheidung am Ende beim Kunden, ob dieser in ein nachhaltiges Finanzprodukt investiert. Aber immerhin: „10 Prozent der variablen Vergütung von unseren Portfoliomanagern hängt mit der Bemühung nach Nachhaltigkeit zusammen.“ Marion Krimmel, Managing Director und Co-Head Multi Asset Strategies bei DWS steht ebenso für den EU-Aktionsplan ein. „Jeder der heute investiert, muss wissen, worauf lasse ich mich ein?“, so die Fondsmanagerin. „Anlageberatung braucht einen klaren festen Rahmen.“


Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance, WWF Deutschland, ging es nicht weit genug. Auf die Frage, ob der EU-Aktionsplan schnell Lösungen bringt, antwortete Kopp: „Mir geht es nicht um Geschwindigkeit, sondern um Effektivität." ESG-Investments allein seien eine Nische. „Wir müssen uns um den gesamten Finanzmarkt kümmern.“


Nichtsdestotrotz rücken die nachhaltigen Anlagen immer weiter in den Mainstream-Markt vor. Das bestätigte auch Grünen-Bundestagsabgeordnete Lisa Paus in einem anschließenden Impulsvortrag. „Physik ist nicht verhandelbar“, mahnte die finanzpolitische Sprecherin. Aber auch sie gibt die Hoffnung nicht auf. „Noch haben wir alle Chancen den Turnaround zu schaffen.“