Die Finanzwirtschaftler Professor Dr. Martin Weber, Professor Dr. Heiko Jacobs, Professor Dr. Christine Laudenbach, Professor Dr. Sebastian Müller sowie Professor Dr. Philipp Schreiber haben kürzlich ein neues Sachbuch zum Thema individuelle Vermögensstrategie veröffentlicht. Das Expertenteam hat darin einen Leitfaden für ein „finanziell sorgenfreies Leben“ entwickelt und wendet sich damit an alte und neue Anleger. Dabei nutzen die Wissenschaftler neueste Forschungsergebnisse und sensibilisieren die Leser hinsichtlich Anlagehorizont und persönliche Risikotoleranz. In einer kleinen Serie wollen wir die Autoren zu einzelnen Kapiteln und Themenbereichen des Buches „Die genial einfache Vermögensstrategie“ befragen. Heute: Frau Professor Dr. Christine Laudenbach zum Thema Behavioral Finance.


Frau Laudenbach, Behavioral Finance hat in Ihrem neuen Buch ein ganzes Kapitel bekommen. Diese Thematik ist auch eines Ihrer Hauptforschungsgebiete. Können Sie kurz umreißen, worum es dabei geht?


Im Bereich Behavioral Finance geht es darum, die für klassische ökonomische Modelle übliche Annahme von einer perfekt rational handelnden Personen zu hinterfragen und zu analysieren, welche Auswirkungen diese Abweichungen von rationalem Verhalten auf die Finanzmärkte, aber auch auf die finanzielle Situation von Privatpersonen haben. Als Ausgangspunkt wird, wie der Namensteil „Behavioral“ verrät, auf psychologische Erkenntnisse und verhaltenswissenschaftliche Phänomene zurückgegriffen.


Sie schreiben in dem Zusammenhang oft von menschlichen Fallstricken, zum Beispiel Ungeduld und Selbstüberschätzung. Wie äußern sich diese Eigenschaften gegenüber meinem Anlageverhalten?


Wenn wir im täglichen Leben – nicht nur im Bereich Finanzen – Entscheidungen treffen, müssen wir heute und morgen gegeneinander abwägen – wie gesund leben wir heute, wie viel sparen wir. Ungeduld äußert sich darin, dass für manche Menschen das heute einen deutlich höheren Stellenwert hat als das morgen. Daran ist zunächst einmal nichts falsch. Schwierig wird es dann, wenn man sich nicht an das hält, was man sich vorgenommen hat oder die Vorlieben sich ändern, wenn morgen dann heute ist. Man spricht hier von zeitlicher Inkonsistenz. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass man heute mehr konsumiert und weniger spart, als man es sich eigentlich vor ein paar Jahren vorgenommen hat, um im Alter ein sicheres, angenehmes Leben führen zu können. Zeitliche Inkonsistenz führt also dazu, dass wir wichtige Entscheidungen immer wieder aufschieben und beispielsweise mit dem Sparen gar nicht anfangen – erst morgen dann.


Selbstüberschätzung hat im Finanzkontext drei Facetten: absolute Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, relative Überschätzung der eigenen Fähigkeiten im Vergleich zu anderen, auch bekannt als „Better-Than-Average“ Effekt, und Fehlkalibrierung. Der erste Fall der Selbstüberschätzung tritt auf, wenn Menschen denken, sie seien besser in etwas, als sie es tatsächlich sind, zum Beispiel darin, Aktienkurse vorherzusagen. Durch den „Better-Than-Average“ Effekt schätzen „zu viele“ Menschen ihre Fähigkeiten als besser als der Durchschnitt ein – wenn zum Beispiel 80 Prozent der Männer glauben, sie fahren besser Auto als der durchschnittliche Autofahrer. Fehlkalibrierung tritt auf, wenn Menschen sich in ihren Einschätzungen zu sicher sind, d.h. Abweichungen von ihren Einschätzungen für unwahrscheinlicher halten als sie es tatsächlich sind. Welche Beobachtung in der Finanzwelt häufig mit Selbstüberschätzung erklärt wird, ist das hohe Handelsvolumen an Finanzmärkten. Denn, abgesehen von Rebalancing- und Konsummotiven, handelt eine Person dann, wenn sie denkt, bessere Informationen als das Gegenüber zu haben. Insgesamt führt dies zu hohen Handelskosten und damit zu einer geringeren Rendite.


Sie bieten den Lesern natürlich auch Lösungen an. Wie kann ich denn mein Anlageverhalten verbessern bzw. optimieren?


Zum Kampf gegen die Ungeduld eignen sich Tools zur Selbstverpflichtung – wie wenn ich mich mit einer Freundin zum Joggen zu festen Terminen verabrede oder meiner Umwelt mitteile, dass ich jetzt aufhöre zu rauchen. Im Finanzkontext sind Sparpläne ein sinnvolles Instrument, da man durch diese die Selbstdisziplin reduziert, die man in Zukunft zum Sparen aufbringen muss. Hierbei gibt es verschiedene Mechanismen, die das Konzept noch verfeinern, wie Strafzinsen bei vorzeitigem Zugriff auf das Sparvermögen oder automatisierte Erhöhungen der Sparrate. Gleichzeitig beugen Sparpläne, wenn sie in einen breit diversifizierten, passiven Fonds fließen, auch der Selbstüberschätzung vor, da der Sparplan zukünftiges Stock Picking oder Market Timing ausschließt, wenn meine Investitionen automatisiert in einen passiven Fonds fließen. Was bei Selbstüberschätzung auch helfen kann, ist Visualisierung. Wenn ich mir zum Beispiel bewusst mache, wie die Preisfindung auf Märkten funktioniert und mir vorstelle, dass auf der anderen Seite meines Trades ein Team von professionell Investierenden sitzt, die nichts anderes in ihrem Leben machen, als zu probieren, auf der Gewinnerseite eines Trades zu stehen, dann überlege ich es mir vielleicht zweimal, ob meine Idee doch noch so erfolgsversprechend erscheint. Darüber hinaus ist es natürlich immer sinnvoll, sich seiner eigenen „Menschlichkeiten“ bewusst zu werden, indem man sich über typische Fallstricke auf auseinandersetzt.


Hinsichtlich der Bewertung eines Wertpapieres weisen Sie die Leser darauf hin, dass die historische Wertentwicklung nicht allzu stark im Fokus stehen sollte. Anhand welcher Kriterien sollte man denn seine persönlichen Einschätzungen vornehmen?


Die Forschung hat gezeigt, dass Kurse einzelner Aktien schwer bis gar nicht vorhersagbar sind - persönliche Einschätzungen sind folglich gar nicht notwendig. In effizienten Märkten sind alle einfach zugänglichen, kursrelevanten Informationen bereits in Kursen enthalten und zusätzliche kursrelevante Informationen so teuer oder schwer zugänglich, dass sich aus ihnen netto kein Gewinn mehr schlagen lässt. Abweichungen vom Marktportfolio, also einer möglichst breit gestreuten Anlage, führen für Privatanlegende daher in der Regel nur zu Diversifikationsverlusten und Transaktionskosten. Aus diesem Grund macht es für sie am meisten Sinn in einen breit diversifizierten, passiven Fonds beziehungsweise ETF zu investieren und die Zeit, die sie ansonsten in persönliche Einschätzungen investiert hätten, lieber den schönen Dingen des Lebens zu widmen.


Frau Laudenbach, herzlichen Dank für die spannenden Einblicke.


 


Christine Laudenbach, Jahrgang 1983, ist Professorin für Finance an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Innerhalb Ihrer Forschungsarbeit analysiert sie Finanzentscheidungen von Privathaushalten. Dabei liegt der Fokus auf der Betrachtung des Risikoverhaltens und des Risikoverständnisses bei Anlageentscheidungen. Die Ergebnisse wurden mehrfach in international führenden Fachzeitschriften veröffentlicht.


Portrait: T:K Photography Thomas Kohnle


Tipp: Das Buch „Die genial einfache Vermögensstrategie“ ist im Campus Verlag erschienen und über diverse Kanäle online bestellbar.


 


ARERO - Der Weltfonds (ISIN: LU0360863863)


Der Fonds bildet die Anlageklassen


Das DWS-Managementteam um Jens Lueckhof investiert in Aktien, Renten und Rohstoffe. Die jeweiligen Anlageklassen werden dabei über repräsentative und breit gestreute Indizes in einem einzigen Produkt abgebildet. Die Gewichtung der Anlageklassen basiert auf einem wissenschaftlich fundierten Konzept zur Vermögensanlage. Ziel ist es, ein besonders günstiges Rendite-Risiko-Verhältnis zu erreichen.



 


Wertentwicklung im Fünf-Jahreszeitraum