Die Finanzwirtschaftler Professor Dr. Martin Weber, Professor Dr. Heiko Jacobs, Professor Dr. Christine Laudenbach, Professor Dr. Sebastian Müller sowie Professor Dr. Philipp Schreiber haben kürzlich ein neues Sachbuch zum Thema individuelle Vermögensstrategie veröffentlicht. Das Expertenteam hat darin einen Leitfaden für ein „finanziell sorgenfreies Leben“ entwickelt und wendet sich damit an alte und neue Anleger. Dabei nutzen die Wissenschaftler neueste Forschungsergebnisse und sensibilisieren die Leser hinsichtlich Anlagehorizont und persönliche Risikotoleranz. In einer kleinen Serie wollen wir die Autoren zu einzelnen Kapiteln und Themenbereichen des Buches „Die genial einfache Vermögensstrategie“ befragen. Heute: Herr Professor Dr. Sebastian Müller zum Thema Investieren im Zeitverlauf.
Herr Müller, in dem Buch geht es unter anderem darum, wie man Geld anlegen sollte, als Einmalanlage oder in zeitlicher Aufteilung (Sparplan). Gibt es dazu eine pauschale Antwort?
Die gibt es nicht, was für Anleger aber auch nicht wirklich ein Problem ist. In unserem Buch zeigen wir, dass keine der beiden Alternativen, also sofortige Einmalanlage oder zeitliche Streckung, der anderen überlegen ist. Die Sofortanlage ist riskanter, aber auch lukrativer, weil man sein Geld sofort vollständig riskant investiert und somit höhere Ertragschancen hat. Das bedeutet nicht, dass eine zeitlich gestückelte Anlage schlechter wäre. Vielmehr ist diese Variante vergleichbar mit einer stärkeren bzw. längeren Anlage in den risikoarmen Teil des Portfolios, da das Geld beispielsweise länger auf einem Tagesgeldkonto geparkt wird.
Die gute Nachricht für Anleger ist also, dass sie mit dem Anlegen so starten können, wie sie es für richtig halten. Man macht nichts verkehrt, wenn man sofort eine größere Summe anlegt und genauso ist es ok, wenn man die zur Verfügung stehende Anlagesumme stückchenweise investiert. Natürlich wird sich eine der beiden Varianten im Nachhinein als die bessere Wahl herausstellen, aber wie heißt es so schön: Im Nachhinein ist man immer schlauer. Im Vorfeld sind beide Möglichkeiten aus ökonomischer Perspektive gleich sinnvoll.
Der Begriff Cost-Average-Effekt wird oft in Zusammenhang mit Sparplänen in der Literatur erwähnt: Anleger sollen demnach bei Wertschwankungen die Anteile bei gleichbleibenden Raten günstiger erhalten können. Aus Ihrer Sicht ist das ein Mythos. Warum?
Tatsächlich erweckt gerade die Werbung von Banken oft den Eindruck, dass es sich beim Cost-Averaging um eine Art Rendite-Wundertüte handelt, mit der Privatanleger die Schwankungen an den Märkten auf besonders clevere Weise zu ihrem Vorteil nutzen können. Im Buch zeigen wir, dass das nicht generell der Fall ist, sondern dass es davon abhängt, wie sich die Finanzmärkte im Zeitverlauf entwickeln. Gerade diese Entwicklung kennen Sie als Anleger aber nicht, wenn Sie mit dem Investieren starten.
Einen systematischen Vorteil durch das Cost-Averaging gibt es somit leider nicht. Das ändert aber natürlich nichts an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit von Sparplänen, die gerade für Börseneinsteiger und Menschen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten ein ideales Instrument zum langfristigen Vermögensaufbau sind.
Es ist allgemein bekannt, dass langfristig orientierte Anleger Marktschwankungen weitgehend ignorieren können. Auch Sie sind dieser Meinung. Trotzdem weisen Sie daraufhin, dass es Feinadjustierungen für das Portfolio geben sollte. Wann sind diese notwendig?
Für Privatanleger ist es wirklich nicht besonders sinnvoll, fortlaufend Anpassungen des Portfolios als Reaktion auf Veränderungen des allgemeinen Marktumfelds vorzunehmen. Das ist teuer, kostet Zeit und wird für die meisten Anleger langfristig keinen Extraertrag in Form einer höheren Rendite liefern. Dennoch glauben wir, dass es ganz ohne Feinadjustierungen von Zeit zu Zeit aber auch für den konsequent passiven Investor nicht gehen wird.
Hierfür existieren im Wesentlichen zwei Gründe: Zum einen können Veränderungen in der eigenen Lebenssituation es notwendig machen, das Portfoliorisiko neu zu adjustieren. Man kann zum Beispiel an den Start ins Berufsleben denken, eine Hochzeit, die Geburt eines Kindes, ein Berufswechsel, den Erwerb von Wohneigentum, den Renteneintritt und so weiter. Auch unschöne Dinge wie Unfälle, Krankheiten, Scheidung oder Arbeitsplatzverlust können darunterfallen. Bei solchen signifikanten Ereignissen sollte man sich stets fragen, ob das Portfolio noch zur eigenen Risikoeinstellung passt oder ob man das Risiko des Portfolios senken sollte oder erhöhen darf.
Zum anderen können unterschiedliche Wertentwicklungen der Indexfonds und ETFs im Portfolio zu Verschiebungen der Portfoliogewichte etwa zwischen Aktien und Anleihen im Zeitablauf führen. Diese Gewichte sollten in regelmäßigen Abständen auf die Zielwerte zurückgesetzt werden, die man zu Beginn der Investition definiert hat. Denn ansonsten besteht ebenfalls die Gefahr, dass das Portfoliorisiko irgendwann nicht mehr zum Anleger passt.
Anleger brauchen sich aus Ihrer Sicht keine Gedanken um das jeweils aktuelle Zinssatzniveau zu machen, um beispielsweise die Anleihequote anzupassen. Wieso macht das keinen Sinn?
Weil es aus unserer Sicht schlicht nicht möglich ist, die Entwicklung des Zinssatzniveaus zuverlässig zu prognostizieren. Vielen scheint es schwer zu fallen, das zu akzeptieren, gerade in der derzeitigen Niedrigzinsphase. Dabei sind gerade die letzten Jahre seit der Finanzkrise 2008 ein Paradebeispiel dafür, wie schwierig es ist, die zukünftige Richtung der Zinssätze abzuschätzen. Jahrelang glaubten viele Anleger, dass die Zinsen nun ein absolutes Tief erreicht hätten und nicht weiter sinken könnten. Doch genau das ist dann passiert.
Ich denke, die Anleger sind da auf dem falschen Fuß erwischt worden, weil viele von ihnen bei Zinsen an eine Rückkehr zu einem „normalen“ Zinsniveau glauben, also eine Regression zur Mitte, durch die die Zinsen irgendwann wieder auf einen durchschnittlichen Wert steigen müssten. Eine solche Tendenz zur Mittelwertrückkehr ist bei Zinsen aber bestenfalls über sehr langfristige Zeiträume beobachtbar und für konkrete Anlageentscheidungen damit nur wenig hilfreich.
Interessanterweise ist mein Eindruck, dass nun während der Coronakrise bei vielen Anlegern ein Umdenken einsetzt, sodass mittlerweile viele die Ansicht zu vertreten scheinen, dass die Zinsen noch lange Zeit auf niedrigen Niveaus verharren werden. Aber auch darauf würde ich nicht wetten.
Herr Müller, herzlichen Dank für die spannenden Einblicke.
Sebastian Müller, Jahrgang 1981, ist als Professor für Finance am Campus Heilbronn der TUM School of Management tätig. Er beschäftigt sich innerhalb seiner Forschungsarbeit vor allem mit den Themenbereichen Preisbildung auf Finanzmärkten, Anlageentscheidungen von institutionellen Investoren und Privatanleger sowie Digitalisierung der Finanzindustrie. Seine Forschung wurde vielfach ausgezeichnet und in weltweit führenden Fachzeitschriften veröffentlicht.
Tipp: Das Buch „Die genial einfache Vermögensstrategie“ ist im Campus Verlag erschienen und über diverse Kanäle online bestellbar.
ARERO - Der Weltfonds (ISIN: LU0360863863)
Das DWS-Managementteam um Jens Lueckhof investiert in Aktien, Renten und Rohstoffe. Die jeweiligen Anlageklassen werden dabei über repräsentative und breit gestreute Indizes in einem einzigen Produkt abgebildet. Die Gewichtung der Anlageklassen basiert auf einem wissenschaftlich fundierten Konzept zur Vermögensanlage. Ziel ist es, ein besonders günstiges Rendite-Risiko-Verhältnis zu erreichen.
Wertentwicklung im Fünf-Jahreszeitraum