Es macht sich so ein wenig Bräsigkeit breit. Mei, der Nullzins, das sei nun mal so, das macht es uns auch nicht einfach mit den ordentlichen Erträgen, ist das neue Normal. Derlei ist aus Stiftungsgremien zu hören, aber gleichzeitig eben auch von Stiftungsfonds-Lenkern. Dabei hätten Stiftungsverantwortliche durchaus den Hebel in der Hand, mal Inventur bei ihren Stiftungsfonds zu machen und zu schauen, ob es nicht vielleicht andere, in der Jetzt-Zeit stiftungsgeeignetere Fondsprodukte gibt. Denn nicht der Nullzins gibt die Richtung vor, sondern der Stifterwille.


Der Nullzins ist sicherlich eine unangenehme Sache für Stiftungen, aber das ist er schon seit geraumer Zeit. Genauso ist der Stifterwille eine glasklare rote Richtschnur für Stiftungsverantwortliche, denn dieser sieht die Verwirklichung des Stiftungszwecks vor. Genau dafür braucht es aber ordentliche Erträge, und selbst wenn durch die Stiftungsrechtsnovelle eine Erleichterung der Verwendung außerordentlicher Erträge aufgegleist wird, so ist das trotzdem die erste Bedingung. Entsprechend müssen Stiftungsfonds auf den ordentlichen Ertrag abstellen. Können Sie das nicht, können sie trotzdem Stiftungsfonds heißen, aber sie müssen sich dann hinterfragen lassen, ob die Stiftungseignung noch in jedem Punkt voll gegeben ist.


Stiftungsfonds und die Stiftungsziele


Damit wir uns nicht falsch verstehen: Stiftungsfonds sind nach wie vor ein stimmiges Investment aus Stiftungssicht, denn diese wurden entlang der Vorgaben von Stiftungen für die Veranlagung des Stiftungsvermögens aufgelegt. Sie setzen eine Strategie verlässlich um, diese Strategie mischt in der Regel Anleihen mit Aktien, letztere werden mit 10, 20, 30 oder manchmal etwas mehr Prozent beigemischt. Bei 4% Leitzins funktionierte dies wunderbar, fast egal wie hoch die Aktienquote war, 3 oder gar 4% Ausschüttung konnten Stiftungen fast schon fix einplanen bei ihren Stiftungsfonds-Investments. Inzwischen aber gilt es, bei vielen Stiftungsfonds genauer hinzuschauen, denn manche Konzepte zahlen mittlerweile zu wenig auf das gewichtigste Stiftungsziel (in der Kapitalanlage) ein.


Japanifizierung in Stiftungsfonds?


Dieses Ziel ist nicht das des Kapitalerhalts, sondern eben des ordentlichen Ertrags. Den brauchen Stiftungen zuvorderst, den brauchen sie, weil es ihre Pflicht ist Zwecke zu erfüllen. Bastelt sich nun ein Stiftungsfonds eine Allokation mit 10 oder 20% Aktien zusammen, gepaart mit ganz sicheren zehnjährigen Bundesanleihen, dann wird es aber schwierig mit dem ordentlichen Ertrag. In Zeiten von Nullzinsen wird dann gerne von der Japanifizierung von Stiftungsfonds gesprochen, und ein bisschen was ist da sogar dran. Denn hohe, nullverzinsliche Anleiheanteile unterminieren die fondsimmanente Finanzkraft schon ganz erheblich, sprich: wirken sich deutlich negativ auf die Ausschüttungshöhe und damit auch die künftige Ausschüttungsgüte aus.


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Die Rolle der Stiftungsgremien in der Fondsanlage


Problematisch ist nicht dieser Umstand an sich, denn Stiftungen können immer noch entscheiden, den Stiftungsfonds dann anders einzusetzen, etwa als Cashersatz oder als Baustein, um kürzerfristig auslaufende Anleiheinvestments erst einmal parken zu können. Ein Stiftungsfonds kann auch umgewidmet werden, vom Basis-Investment zum Traditions-Investment, das eine Stiftung ggf. machen muss, weil sie nicht ihr gesamtes Stiftungsvermögen nach neuen Parametern investieren kann und will. Hier können dann ja auch die Stiftungsgremien eine Rolle spielen, in denen sich die ProtagonistInnen ja auch einbringen bzw. durchsetzen wollen, und die Traditionalisten werden auch traditionelleren Anlageformen und -konzepten bestehen. Manche wollen es eben doch immer weiter so machen wie bisher.


Anlagerichtlinie führt aus der Sackgasse


Problematisch wird es für Stiftungen an dem Punkt, an dem keine Ersatzstrategie in der Schublade liegt, die Stiftungsverantwortlichen also nicht so recht aus der Sackgasse Stiftungsfonds herausfinden. Diese muss beginnen bei der Anlagerichtlinie, die sich von Quoten etwa für Anleihen und Aktien löst, sich dem Ziel des ordentlichen Ertrags zuwendet und Kriterien nennt, die ein stiftungsgeeigneter Fonds mitbringen muss. Die Ausschüttung ist dann das erste, die Ausschüttungshistorie muss belastbar sein und zeigen, dass sich die Stiftung auf die Erträge verlassen kann. Dazu braucht es eine gewisse Marktresilienz, ausweislich des Corona-Crashs im März 2020.


Japanifizierte Stiftungsfonds verlieren im Nullzinsumfeld ihre USPs


Die Frage lautet dann: Hat der Fonds den Drawdown genauso rasch wieder aufgeholt wie dieser entstanden ist, oder einigermaßen zeitnah wenigstens? Beziehungsweise ist das Konzept dazu überhaupt in der Lage? Oder krebst er noch nahe den Tiefs aus dem März 2020 herum? Bei tendenziell japanifizierten Stiftungsfonds kommt hier noch Eines hinzu. Je länger das Niedrigzinsumfeld andauert, dieser die kurzfristigen Marktschwankungen überlagernde Zustand, desto weniger werden diese in der Lage sein, noch auskömmliche Erträge zu liefern. Sie sind also aus Stiftungssicht kurz- wie mittelfristig verletzlich ihre Leistungsdaten betreffend. Bei der Inventur des Fondsportfolios einer Stiftung ist das ein ganz entscheidender Punkt.


Stifterwille ist Pflicht, nicht Kür


Setzt eine Stiftung nur auf Stiftungsfonds, dann wird sie viele Fonds mit hohen Anleiheanteilen im Portfolio haben, die nicht gänzlich unempfindlich in Crashsituationen wie jene im März 2020 sind (weil Aktien dann fallen, und einige Anleihen sich im Kurs auch zumindest bewegen) und deren Basis für ordentliche Erträge fortwährend erodiert (da neue Anleiheengagement fast ausnahmslos in niedriger rentierlichen Papieren erfolgt). An diesem Punkt schließt sich aber damit der Kreis zum Stifterwillen, dessen Erfüllung Pflicht eines jeden Stiftungsverantwortlichen ist. Kann ein Fonds weder einen Beitrag zum Verwirklichen des Stiftungszwecks qua ordentlichen Erträgen bzw. zum Erhalt der Leistungskraft der Stiftung leisten, dann kann er eigentlich nicht länger präferiert werden. Sprich: Er muss durch Fonds ersetzt werden, der das Attribut stiftungsgeeignet mit Leben und Inhalt füllen kann.


Zusammengefasst


Bei Inventuren will man ja mal den Bestand wissen, stellt den Soll-Ist-Vergleich an. Bei Stiftungsfonds kann dies aus Stiftungssicht jetzt ein sinnvoller Zeitpunkt sein. Der Corona-Crash ist 15 Monate her, die Delle müsste aufgeholt sein, und der Ausblick zu den Ausschüttungen dürfte jetzt auch wieder valider sein. Dort, wo sich Unschärfen ergeben, müssen Stiftungen bzw. deren EntscheiderInnen überlegen, zu handeln, denn es ist ihre Pflicht, das Ziel Zweckverwirklichung zu erreichen – vor dem Kapitalerhalt. So gesehen ist der Zeitpunkt für eine Inventur des Fondsportfolios einer Stiftung vielleicht jetzt gerade genau der richtige.


Der Autor dieses Textes


Tobias Karow ist Gründer und Geschäftsführer von stiftungsmarktplatz.eu und im Stiftungswesen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Liechtenstein seit 10 Jahren aktiv. Er ist Herausgeber der FondsFibel für Stiftungen & NPOs, der führenden Arbeitshilfe zu Stiftungsfonds und stiftungsgeeignete Fonds (www.fondsfibel.de) und Veranstalter des Virtuellen Tags für das Stiftungsvermögen (www.vtfds.de), der ersten TV-Show rund um Stiftungsvermögen. Zu den Themen ‚Stiftungen und ihr Weg in die digitale Welt‘ sowie ‚Fondsanlage für Stiftungen‘ bloggt er regelmäßig auf #stiftungenstärken (www.stiftungenstärken.de).