Seit Längerem erwarten Strategen in Fondshäusern und Banken, dass Anleger wegen der globalen Niedrigzinsen Geld aus den Rentenmärkten abziehen und in die Aktienmärkte umleiten. Nun gibt es neue Hinweise, dass diese „große Rotation“ mehr als nur reines Wunschdenken ist: In der Woche vom 2. bis zum 9. Januar hatten Aktienfonds, die ausschließlich auf steigende Kurse setzen, mit 8,9 Milliarden US-Dollar weltweit die größten Mittelzuflüsse seit März 2000 — dem Höhepunkt der Interneteuphorie. Nimmt man Fonds hinzu, die sowohl auf steigende als auch auf fallende Aktienkurse setzen können, pumpten Anleger in der ersten Januarwoche sogar 22 Milliarden Dollar in Aktienfonds, so der Datenanbieter EPFR Global. Das sei der vorläufige Höhepunkt eines Trends, der Mitte Dezember begonnen habe. Ein erheblicher Teil des Rekordzuflusses stamme von Privatanlegern, die nach dem Haushaltskompromiss in den USA (Fiscal Cliff) und dem Abebben der Schuldenkrise wieder Raum für steigende Kurse sehen. Die Suche nach Rendite ist in vollem Gang und lockt Anleger zurück an die Aktienbörsen. Diese haben im vergangenen Jahr deutlich zugelegt. Der deutsche Leitindex DAX stieg 2012 um fast 30 Prozent auf 7600 Punkte und ist nur noch 500 Zähler von seinem Höchststand aus dem Jahr 2007 entfernt. Der breite US-Index S & P 500 brachte es auf ein Plus von rund 15 Prozent.

Die Rentenmärkte kamen da nicht mit. Seit der Finanzkrise halten die Notenbanken die Leitzinsen, an denen sich auch die Zinsen für Staats- und Unternehmensanleihen orientieren, extrem niedrig. Auf der Suche nach Extraprozenten haben die Investoren ein Rentensegment nach dem anderen abgegrast und dort die Erträge gedrückt. Die Renditen sicherer Staatsanleihen aus Deutschland oder den USA sind ebenso gefallen wie jene erstklassiger Konzerne wie Nestlé oder VW. Kursgewinne bei diesen Anleihen haben darüber bisher hinweggetröstet, doch die könnten der Vergangenheit angehören. „Da sich das Renditeniveau sicherer Anleihen der Nullprozentmarke genähert hat, sind Kursgewinne kaum noch möglich“, sagt Bert Flossbach, Manager des Mischfonds FvS Multiple Opportunities. Selbst Hochzinsanleihen bieten mit rund sechs Prozent keine hohen Zinsen mehr. Das steigere die Attraktivität von Aktien. „Die Karawane zieht weiter“, so Flossbach.

Experten erwarten Umschichtung
Bei Großbanken wie Goldman Sachs oder der Citigroup teilt man diese Einschätzung. Denn nicht nur Privatanleger sind auf der Suche nach Rendite. Manager von Pensionsfonds waren in der Finanzkrise aus Angst vor weiteren Börsencrashs an die Rentenmärkte geflüchtet. Ihnen wird es dort künftig schwerfallen, die angepeilten sechs bis acht Prozent Ertrag pro Jahr zu erwirtschaften. Wegen der Niedrigzinsen sei ihre Rückkehr an die Aktienmärkte nun „absehbar“, glaubt Tobias Levkovich, Stratege der Citigroup, und erwartet deshalb steigende Aktienkurse. Diese Rückkehr könnte nun begonnen haben, wie die Zahlen über Geldbewegungen am Fondsmarkt zeigen. Dennoch sollte man sie nicht überbewerten. So wurde in der ersten Januarwoche laut EPFR Global nicht nur Geld in Aktienfonds gepumpt. Auch Anleihefonds hatten Mittelzuflüsse, wenn auch weniger. Anders in Europa: Hier dominieren die Zuflüsse in Rentenfonds nach wie vor, wie die aktuellsten Zahlen des Analysehauses Lipper und des deutschen BVI zeigen, die sich jedoch auf November beziehen. Dennoch habe es erstmals seit acht Monaten überhaupt wieder Mittelzuflüsse in Aktienfonds gegeben, meldet der BVI. Mögliche Gründe: Die Europäer sind wenig aktienaffin, zudem hinken Europas Finanzmärkte denen der USA hinterher. Außerdem hat das Bekenntnis zum Euro von EZB-Chef Mario Draghi eine Aufholjagd bei Staatsanleihen aus Spanien und Italien ausgelöst. Die Rekorde könnten aber auch auf ein saisonales Muster zurückgehen. Schon zu Beginn der vergangenen Jahre gab es Umschichtungen in Aktien, wenn auch in geringerem Maß. Die Entwicklung kehrte sich aber im Lauf des Jahres immer wieder um. So groß wie zum Jahresbeginn 2013 war die Aktieneuphorie bisher aber nur auf dem Höhepunkt der Internetblase. Und das stimmt bedenklich: Denn nach den Rekordzuflüssen im März 2000 stürzten die Börsen weltweit ab. Der S & P 500 fiel um 37, der DAX um 53 Prozent.