Es klingt fast wie ein Märchen. 1837 gründen ein irischer Seifenmacher und ein englischer Kerzenzieher in den USA eine Firma. Sie läuft gut. So gut, dass das Unternehmen ab 1890 eine Dividende zahlt. Dann kommen zwei Weltkriege, die Große Depression, zwei Ölkrisen und ein globales Schuldendebakel. Aber das Unternehmen zahlt weiter. Bis heute, 122 Jahre lang, schüttet es ununterbrochen einen Gewinnanteil an die Aktionäre aus. Nur zur Erinnerung: So lange hat noch kein deutscher Staat seine Anleihen bedient. Das Unternehmen heißt Procter & Gamble. Der Konsumriese vereint heute bekannte Marken wie Blend-a-med, Gillette, Lenor oder Duracell unter seinem Dach. Dank der prächtigen Dividendenhistorie gilt er als Inbegriff der Solidität. Und als Exempel dafür, warum Ausschüttungen bei Investoren so beliebt sind. Sie sorgen nicht nur für zusätzliche Einnahmen. Sie weisen auch auf Unternehmen hin, die auf Erfolgskurs bleiben, auf die Felsen in der Börsenbrandung sozusagen. Ob sich mit dieser Erkenntnis ohne großen Aufwand Geld verdienen lässt, hat €uro am Sonntag getestet. Die Redaktion hat zwei Dividendenstrategien in einen Dauerlauf gegen den DAX geschickt: Top-12-Dividenden und O’Higgins. Bei ihnen wandern ein- bis zweimal jährlich Aktien mit hoher Dividendenrendite aus dem deutschen Leitindex ins Depot. Zuerst die gute Nachricht: Der Ertrag dieser einfachen Börsenformeln überzeugt. Seit 1989 werfen sie einen durchschnittlichen Jahresgewinn von rund neun Prozent ab. Zum Vergleich: Der DAX kommt nur auf ein Plus von 6,8 Prozent. Der Unterschied mag moderat erscheinen. Aber über die fast 24 Testjahre ergibt sich daraus eine beachtliche Summe. Wer 1989 ein Startkapital von 10 000 Euro in die Top-12-Dividenden-Strategie steckte, hat heute rund 87 000 Euro auf dem Konto — ohne Steuern und Gebühren gerechnet. Ein DAX-Investment wuchs im gleichen Zeitraum nicht mal auf 50 000 Euro an. Es scheint also etwas dran zu sein an der Überlegenheit der Dividendenkönige.

Patzer im Risikotest
Nun die schlechte Botschaft: Im Risikotest patzte Top-12-Dividenden. Obwohl die Dividendenstars als robuste Aktien gelten, bietet die Strategie in Crashphasen kaum Schutz vor Verlusten. Der O’Higgins-Ansatz ist zwar weniger krisenanfällig, hat aber auch einen Schönheitsfehler: Bei der Titelauswahl greift er auf ein fragwürdiges Verfahren zurück. So sind beide Formeln nicht vorbehaltlos zu empfehlen. Enttäuschend schnitten die Dividendenmethoden vor allem in der Finanzkrise ab. Seit 2008 rutschten sie tiefer in die roten Zahlen als der DAX. „In den Krisenjahren mussten einige Unternehmen ihre Ausschüttungen kürzen“, erklärt Thomas Schüßler die Schwäche. Er managt den DWS Top Dividende, einen Aktienfonds, der weltweit in Titel mit hoher Ausschüttung investiert und damit beachtliche Renditen erzielt (ISIN: DE 000 984 811 9). Die Strategien Top-12-Dividenden und O’Higgins weisen noch ein weiteres Manko auf. Manchmal setzen sie auf Aktien, bei denen die Dividenden nicht nachhaltig sind. Beispiel Deutsche Telekom: Der Konzern reicht mehr Geld an die Aktionäre weiter, als er verdient. Auf Dauer kann sich ein Unternehmen diese Ausschüttungspolitik nicht leisten. Die T-Aktie lockt derzeit mit einer üppigen Dividendenrendite von 7,5 Prozent. Weil der Investor stur nach dieser Kennzahl auswählt, landet das Papier in den aktuellen Depots. Zur Ehrenrettung der Dividendensysteme ist allerdings zu sagen: Es gibt kaum Strategien, deren Überrenditen so akribisch nachgewiesen wurden. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Formeln den US-Aktienmarkt schon seit den 60er-Jahren deutlich übertreffen — auch wenn sie zwischenzeitlich immer wieder Durststrecken überwinden mussten. Abschreiben sollten Anleger die Methoden daher nicht. Genauso wenig, wie sie Dividenden gegenüber Kursgewinnen unterschätzen sollten. Denn langfristig tragen die Ausschüttungen je nach Börsenlage und Land rund 30 bis 50 Prozent zur Gesamtrendite von Aktien bei.