Stiftungen und andere konservative Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen stellen – nicht zuletzt bedingt durch gesetzliche Regelungen – den Kapitalerhalt in den Fokus ihrer Anlageentscheidungen. Während des Stiftungstages in Berlin wurde deutlich: Selbst dieses Minimalziel ist ohne ausgeweitetes Risikobudget nicht zu erreichen.


Reale Renditen weiterhin im negativen Bereich


Die Rechnung ist denkbar einfach: Wenn der durchschnittliche Coupon von Anleihen in einem Portfolio mit Investmentgrade derzeit zwei bis drei Prozent ausmacht, ist das zwar ein Vielfaches dessen, was im vergangenen Jahr zu erzielen war. Angesichts einer Inflationsrate auf Jahresbasis von mehr als sieben Prozent ergibt sich dennoch eine stark negative Rendite. Stiftungen müssen also, wie andere Anleger auch, weit über Anleihen oder reine Anleihefonds hinaus denken, um wenigstens den Kapitalerhalt sicherzustellen. Das bedeutet in einer bestimmten Sichtweise das Eingehen von mehr Risiko. Ob das wirklich so ist, lässt sich kaum mit Sicherheit bestimmen, denn wie die Kapitalmarktentwicklungen in den vergangenen Monaten gezeigt haben, waren Anleihen nicht weniger risikobehaftet als andere Assetklassen. Bei einer Veranstaltung der Allianz Pension Consult im Rahmen des Stiftungstages ging es um das Level der Risikoaversion, die Stiftungen sich heutzutage noch leisten sollen, können oder vielleicht sogar müssen. Dr. Reinhardt Berndt (BDO) stellte in seiner Rolle als Wirtschaftsprüfer grundsätzlich klar: „Risiko ist immer vorhanden.“ Stiftungen können so gesehen Risiken gar nicht vermeiden, „aber sie müssen sich mit ihnen befassen, erkennen und adressieren.“


Alternative Anlagen rücken in den Blick


Beim Thema Risiko komme es stark auf die Dosierung an, befand Dr. Markus Faulhaber (Allianz Pension Consult): „Wer zu wenig Risiko eingeht, fliegt aus dem Markt, wer zu viel Risiko nimmt, geht Pleite“, lautete seine Einschätzung. Übersetzt in den Stiftungsbereich: Zu wenig Risiko bedeutet Einstellung des Stiftungszweckes, zu viel den Verlust des Stiftungskapitals – oder für Privatanleger den Verlust des eingesetzten Kapitals. Den versammelten Stiftungsvertretern machte er ganz klar deutlich: „Alte Regeln gelten nicht mehr.“ Jeder habe während der jüngsten Marktphasen sehen können, dass selbst Bonds nicht mehr sicher sind, da sie zum Teil sogar höhere Verluste hatten hinnehmen müssen als Aktien. Ein Unterschied besteht indes: Anleihen können Investoren bis zur Endfälligkeit halten, sich bis dahin den Coupon und schließlich den Nennbetrag zur Fälligkeit auszahlen lassen. Genau das ist eine Strategie, die von vielen Anleihe- und Mischfonds derzeit umgesetzt wird. Auch Aktieninvestoren müssen Buchverluste natürlich nicht realisieren, der Pfad zum Kapitalerhalt ist aber ungleich unwägbarer.


Faulhaber warb ganz grundsätzlich für eine neue Herangehensweise: „Transformation, das heißt für uns vor allem Investitionsmöglichkeiten.“ Ob das tatsächlich mit mehr Risiko einhergeht, darüber lässt sich trefflich streiten – siehe Anleihedebakel 2022. Chancen zum Investieren, da müsse man weit über Aktien und Anleihen hinausdenken. Ausdrücklich betonte Faulhaber die Eignung auch von alternativen Anlagen für Stiftungen. Denn das Zauberwort lautet Diversifikation. Infrastructure Debt, Private Debt, Renewables, Infrastructure Equity und generell Private Equity umfasste seine lange Vorschlagsliste. (Attraktive einschlägige Angebote zu einigen der genannten Assetklassen finden sich ja insbesondere auf dieser Plattform).


Man konnte fast sehen wie die Stiftungsvertreter die Ohren spitzten, als Faulhaber referierte, mit diesem Mix selbst im schwierigen Jahr 2022 ein klares Plus eingefahren zu haben. Das liegt an der Illiquiditäts- sowie der Komplexitätsprämie, die Experten wie Allianz Pension Consult und natürlich weitere Anbieter solcher Vehikel vereinnahmen – denn als Direktinvestment werden zumeist umfängliche Tickets nicht selten im dreistelligen Millionenbereich aufgerufen. Für Stiftungen sind diese Assetklassen dennoch gut zu investieren, da mittlerweile eine ganze Reihe Fonds mit akzeptablen Mindestinvestments verfügbar sind.


Aber dürfen Stiftungen in diese Vehikel investieren?


Bei der Veranlagung des Stiftungsvermögens wird gerne auf die großen Vorbilder der Ivy-League-Universitäten wie Harvard oder Princeton hingewiesen, deren Stiftungsveranlagungen mit zweistelligen Renditen die Finanzierung des hohen Levels sicherstellen. Das war in dieser Form in Deutschland bislang nicht möglich, da restriktive Regelungen im Stiftungsrecht das Anlageuniversum stark eingeschränkt haben. Hier deutet sich eine Verbesserung an, denn zum 1. Juli 2023 tritt das neue Stiftungsrecht hierzulande in Kraft. Was ist zu erwarten? Zunächst, dass die Novellierung bei weitem nicht für eindeutige Klarheit sorgen, sondern die Gerichte in vielen Fragen mit ihrer Auslegung erst die Antworten definieren werden.


Prof. Gregor Roth (Universität Leipzig) machte deutlich, dass sich Stiftungen über ihre Vermögenspositionen klar werden müssen, etwa, wie Zustiftungen oder Umwidmungen sonstigen Vermögens gehandhabt werden sollten. Das Grundstockvermögen „ungeschmälert“ zu erhalten, wie es im Gesetz heißt, bedinge ein Vermögensverwaltungs- und ein Vermögenserhaltungskonzept. Die genaue Ausgestaltung des Erhalts wird vom Gesetz nicht vorgegeben: „real, nominal, gegenständlich“ – das werde individuell auszulegen sein, so Roth. Dr. Katharina Gollan (Poellath) bestätigte, dass die sogenannte Business Judgement Rule Stiftungen deutlich mehr Beinfreiheit bei der Vermögensanlage eröffnet. Die Regel besagt, dass ein Stiftungsvorstand wie ein ehrbarer Kaufmann prinzipiell in alle Assetklassen investieren kann, sofern er sich umfassend informiert hat und diese Informations- und Abwägungsprozesse nachvollziehbar und vollumfänglich dokumentiert.


Nachhaltigkeit: Metzler zeigt denkbare Zielkonflikte auf


Neben der absolut unstrittigen, dringlichen Empfehlung zur Diversifikation in der Grundstockanlage gilt die Berücksichtigung von ESG-Kriterien als weiterer Grundpfeiler in der Vermögensverwaltung von Stiftungen. Dabei gilt es jedoch eine Reihe von Fallstricken zu beachten, erläuterten Daniel Sailer, Head of Sustainable Investment Office, und Philip Schätzle, Geschäftsführer, während eines Business Lunches. Denn: Bis ein Windrad Strom liefert, ist viel Ressourcenverbrauch notwendig. Das Endprodukt besteht zu 75 Prozent aus Zement und zu 23 Prozent aus Stahl und Aluminium. Und ganz grundsätzlich bedürfe die Energiewende zahlreicher Metalle und weiterer zum Teil knapper Rohstoffe. Heißt im Klartext: Ohne Bergbauunternehmen kommt die Wende kaum voran. Aber wie soll eine Stiftung darauf reagieren? Sailer und Schätzle stellten verschiedene Taxonomien vor, mit der Gesamtportfolios hinsichtlich der ESG-Qualität bewertet werden können, zum Beispiel die sogenannte Portfolio-Temperatur oder der CO2-Ausstoß pro Umsatzeinheit.


Die Metzler-Experten mahnten zur Beachtung des „S“ und des „G“ in ESG und legten dazu interessante Statistiken aus dem US-Bankenbereich vor. Dort seien die Anforderungen an die Qualifikation der Executives spürbar geringer, was zu einer hohen Zahl an Aufsichtsverfahren trotz geringerer Regulatorik und Einsprüchen bei Hauptversammlungen führt. Als weiteres Beispiel wurden Photovoltaikunternehmen aus China als objektiv nicht investierbar benannt, da sie unter anderem von Zwangsarbeit profitieren. Insgesamt, so die Metzler-Stiftungsexperten, bedingt die Integration von Nachhaltigkeit in ein Stiftungsportfolio der Priorisierung der Nachhaltigkeitsziele. Metzler sieht eine zunehmende Bedeutung der 1,5-Grad-Konformität in einem Gesamtportfolio, also Fortschritte auf dem Weg sogenannter Paris-aligned Kapitalanlagen.


Zusammengefasst


Zahlreiche Fragen der Stiftungsvertreter während des Stiftungstages zeigten, dass in vielen Stiftungsgremien offenbar intensiv über die qualitative Verbesserung der Vermögensanlage diskutiert wird. Spätestens mit Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelungen dürfte sich einiges tun – denn der Zinsanstieg verändert die Lage grundsätzlich. Das bedeutet zudem, dass sich auch die Stiftungsfonds weiterentwickeln müssen, um den Renditeanforderungen der Stiftungen gerecht zu werden.


Zum Autor: Dieser Text wurde von Stefan Preuß im Auftrag von www.stiftungsmarktplatz.eu erstellt. Er ist freier Autor, spezialisiert unter anderem auf das Segment Stiftungsfonds und stiftungsgeeignete Fonds. Er fungiert zudem als redaktioneller Leiter für die FondsFibel für Stiftungen & NPOs (www.fondsfibel.de).