Die historisch niedrigen Zinsen und der damit verbundene Anlagenotstand führen dazu, dass immer mehr klassische Fondsgesellschaften und Private-Equity-Unternehmen der New Yorker Ostküste Niederlassungen im Silicon Valley eröffnen. Ein weiterer gewichtiger Grund ist die Tatsache, dass viele der interessanten und wachstumsstarken Technologieunternehmen viel später oder gar nicht an die Börse gehen. Börsengänge wie die von Facebook und Twitter kamen jeweils mit hohen absoluten Bewertungen zustande, was für professionelle Fonds unter dem Gesichtspunkt des Wertsteigerungspotenzials nicht mehr besonders attraktiv war. Anders ausgedrückt: Die höchsten Wertsteigerungen werden nun meist vor dem Börsengang statt danach erzielt.

Fondsgesellschaften wie Fidelity, T. Rowe Price, Goldman Sachs und Morgan Stanley gehörten in letzter Zeit zu den wichtigsten und größten Investoren bei Spätphasen-Investments (later stage) in große Tech-Startups. Die Unternehmen werden unter dem Begriff Unicorns (Einhörner) subsummiert, wenn sie vorbörslich mehr als eine Milliarde Dollar Bewertung auf die Waage bringen. Zu den größten Unicorns gehören der Fahrdienstanbieter Uber, die Online Bettenbörse Airbnb und der Speicheranbieter Dropbox. Die Milliarden-Dollar-Bewertungen für Unternehmen, die erst ein paar Jahre am Markt sind, haben zu fortwährenden Diskussionen im Silicon Vally geführt. Im Raum stehen die Befürchtungen, die Bewertungen seien zu hoch sind und man könne sich damit unfreiwillig in die nächste Tech-Bubble begeben?

Fidelity glaubt nicht mehr an „Unicorns“
Vor zwei Wochen gab die Fondsgesellschaft Fidelity bekannt, dass sie auf ihre zuletzt getätigten Beteiligungen im Silicon Valley zum Teil erhebliche Abschreibungen vornehmen musste. Der Fidelity Growth Fund mit einem Volumen von 142 Milliarden Dollar hält unter anderem Beteiligungen an bekannten Startups wie dem Datenbankanbieter MongoDB, dem Speicheranbieter Dropbbox und dem Big-Data-Unternehmen Cloudera. Ein Grund für die Abschreibungen ist das aktuell kühle Verhältnis der Wall Street für neue Tech-Börsengänge (IPO) aus dem Silicon Valley. Im Gegensatz zu den Vorjahren mit den IPOs von Facebook, Twitter und Lending Club lief der IPO Markt für Silicon Valley Tech-Unternehmen in 2015 schleppend. Dem Börsenstart des elektronischen Zahldienstleisters Square in der vergangenen Woche wird eine „Eisbrecherfunktion“ an der Wall Street attestiert, ist das Unternehmen doch eines der bekanntesten und glamourösesten Unicorns der Silicon Valley Startup-Szene.

Erfahrene Investoren erinnern sich noch gut, als der NASDAQ-Index im März 2000 zum ersten Mal die Marke von 5.000 Punkten überschritt. Damals war dies der Beginn vom Ende. Die Dotcom-Blase platzte und zwei Jahre später stand die NASDAQ mehr als 75 Prozent tiefer. Nachdem die NASDAQ nun erneut die Marke von 5.000 Punkten überschritten hat, stellt man sich im Silicon Valley die Frage, ob man wieder mitten in einer neuen Bubble 2.0 ist? Immerhin können die Bären unter den Anlegern anführen, dass die Wall Street das schlechteste Quartal innerhalb der letzten vier Jahre hinter sich hat.

Doch Profis sehen genau dies als gutes Zeichen. Reduzierte Bewertungen und ein wenig euphorischer Aktienmarkt sprechen für einen Kontraindikator.

Argumente gegen die Ankunft einer neuen Tech-Bubble
Außerdem ist 2015 anders als 2000. Das Internet ist heute das Rückgrat der Globalisierung und zentraler Bestandteil der Wertschöpfungsketten in der Wirtschaft. Gerade die aktuellen Quartalszahlen der großen Tech-Unternehmen unterstreichen dies eindrucksvoll. Google, Amazon aber auch das soziale Netzwerk LinkedIn oder die beiden FinTech-Unternehmen PayPal und LendingClub haben sehr gute Geschäftszahlen gemeldet. Diese Unternehmen verfügen über starke Marken und herausragende Technologieplattformen. Gleichzeitig generieren die großen Tech-Unternehmen des Valleys gigantische Cash-Bestände in ihren Bilanzen.

Allein Apple und Google zusammen verfügen über rund 300 Milliarden Dollar an Cash – und die Mittelakkumulation dürfte noch größer werden. Genau hierin dürfte der Schlüssel für eine noch rosigere Zukunft für Investoren liegen. Die meist auf niedrig verzinsten Konten liegenden Milliardenbeträge können für Akquisitionen in aufstrebende Startups investiert werden. Das Valley hat davon reichlich, immerhin ist der Club der vorbörslichen Unternehmen mit einer Bewertung von jeweils über einer Milliarde Dollar auf mehr als 100 Unternehmen angeschwollen. Facebook hat mit seinen Milliarden-Akquisitionen in Instagram und What's App gezeigt wie das Kerngeschäft zum Nutzen der Aktionäre befeuert werden kann. Mehr davon werden wir in den nächsten Monaten sehen. Fondsgesellschaften könnten dann wieder die Hauptprofiteure in diesem Spiel sein. Marc Andreessen, Erfinder des ersten Internet-Browsers und einer der wichtigsten Investoren im Silicon Valley meinte denn auch kürzlich lapidar auf die Frage, welche Möglichkeiten es denn für die großen Startups gebe: „Entweder die Unternehmen machen ein IPO oder sie werden gekauft“. Manchmal ist die Welt des Silicon Valley doch wieder so einfach wie genial.

Zur Person
Thomas Rappold, geboren 1971, ist Internetunternehmer und Investor. Bereits mit 14 Jahren erlernte er die ersten Programmiersprachen im Selbststudium auf dem damaligen Kultcomputer Commodore C64. Als einer der ersten Absolventen des europaweit ersten Studiengangs Medieninformatik trug er als Mitarbeiter der Strategiegruppe Internet bei Allianz SE maßgeblich zu damals bahnbrechenden neuen Finanzportalen für Privat- und Geschäftskunden bei.

Seit über zehn Jahren erfolgreicher Unternehmer einer Internet-Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft und Gründer von zahlreichen Internet-Startups ist Thomas Rappold ein profunder Kenner des Silicon Valley und dort als Investor an verschiedenen Startups beteiligt. Mehr über Thomas Rappold und das Silicon Valley finden Sie auf seiner Homepage www.silicon-valley.de.

Im Finanzbuchverlag München veröffentlichte Thomas Rappold jüngst „Silicon Valley Investing. Investieren in die Superstars von heute, morgen und übermorgen".