Nach einem sehr starken Jahresauftakt hat der ausländische Kapitalstrom nach Indien in den vergangenen zwei Monaten deutlich nachgelassen. Grund dafür waren Sorgen über die makroökonomische Entwicklung des Landes sowie mögliche Änderungen in der Steuerpolitik. Mitte April hat Indiens Zentralbank die Märkte dann überrascht, indem sie zum ersten Mal seit 2009 die Leitzinsen senkte — um 50 Basispunkte auf acht Prozent. Das Land reiht sich damit in die Riege der Emerging-Markets-Nationen ein, die bereits begonnen haben, die Zinsen wieder zu senken. Wir glauben, dass Indien genügend Spielraum besitzt, die geldpolitischen Zügel noch weiter zu lockern. Die Kerninflationsrate ist zuletzt unter fünf Prozent gefallen. Der entscheidende Grund für die Zinssenkung der indischen Zentralbank dürfte jedoch das sich abschwächende Wirtschaftswachstum gewesen sein. Im dritten Quartal 2011 wuchs das indische Bruttoinlandsprodukt nur noch um 6,1 Prozent und lag damit unter dem langjährigen Wachstumstrend. Wir glauben, dass sich die Stimmung in den kommenden Monaten wieder aufhellen wird. Der inländische Konsum dürfte weiterhin robust bleiben und der Investitionszyklus wieder an Dynamik gewinnen. Die indische Wirtschaft wird deshalb in den kommenden zwölf Monaten real um 7,0 bis 7,5 Prozent zulegen. Die Unternehmensgewinne könnten um 13 bis 15 Prozent steigen.
Wachstumstreiber dürften neben dem steigenden Konsum der Ausbau der Infrastruktur sowie der Trend zum Outsourcing sein. Denn zahlreiche westliche Unternehmen verlagern einen Teil ihrer Aufgaben an indische Firmen. Inflation und steigende Ölpreise stellen jedoch eine Gefahr für Indiens Wachstum dar. Die weiteren geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank hängen deshalb davon ab, inwieweit die Regierung fiskalische Disziplin wahrt und die Inflationserwartung für die gesamte indische Wirtschaft kontrollieren kann.
Naganath Sundaresan, Anlageberater des BGF India Fund (BlackRock)