Agua Caliente bedeutet im Spanischen „heißes Wasser“. Für den größten Solarkonzern der USA, First Solar, ist der gleichnamige Solarpark in der Wüste Arizonas ein sprichwörtlich brandheißes Thema. Anfang September meldete das Unternehmen, dass man den Ausbau nicht mehr mit Hochdruck verfolge. Das Projekt sei bereits über die Planungen hinaus fortgeschritten. An der Wall Street stürzte die Aktie daraufhin ab. Analysten kommentierten, dass First Solar nun seine Solarmodule statt für das eigene Projekt auf Lager produziere. Börsianer fürchteten eine Gewinnwarnung.

Profite sind die Ausnahme
Die blieb bislang aus. Tatsache ist, dass First Solar eines der selten gewordenen Unternehmen in der Solarbranche ist, denen überhaupt noch Gewinne zugetraut werden. Im zweiten Quartal hatte die Firma aus Tempe, Arizona, die Wall Street überrascht: Knapp 960 statt erwarteter 814 Millionen Dollar Umsatz wies Vorstand Jim Hughes aus, der Gewinn lag mit 1,65 Dollar pro Aktie gut 80 Prozent über den Schätzungen. Vor allem das Projektgeschäft der Amerikaner, die ursprünglich ihr Geld ausschließlich mit der Produktion von Solarzellen und Modulen in sogenannter Dünnschichttechnik verdienten, trug zu den überraschend guten Ergebnissen bei. Agua Caliente hatte daran erheblichen Anteil. Rund 250 Megawatt Leistung liefert das größte Solarkraftwerk der Welt inzwischen, 290 Megawatt sind in der endgültigen Ausbaustufe angepeilt. Insgesamt hat Vorstandschef Jim Hughes rund 500 Megawatt Kraftwerksleistung ins US-Netz gebracht. In den Orderbüchern stehen Projekte mit weiteren vier Gigawatt  — das entspricht in etwa der Leistung von vier Atomkraftwerken.

Das Projektgeschäft ist weitaus lukrativer als der Verkauf der vergleichsweise günstig zu produzierenden Dünnschichtmodule. Laut US-Bank JP Morgan bringen diese am Markt nur wenig mehr als die Produktionskosten. „Mit dem Verkauf an Dritte erzielt First Solar keine oder nur geringe Margen“, sagt JP-Morgan-Analyst Christopher Blansett. Wie kritisch Börsianer die Branche beäugen, zeigt der stark schwankende Kursverlauf des US-Primus. Nach fulminanter Aufholjagd im August geriet das Papier wieder unter Druck und hat im laufenden Jahr rund ein Drittel seines Werts eingebüßt. Auf dem deutschen Kurszettel bietet der inzwischen einzig verbliebene Solarkonzern im TecDAX, Solarworld, ein noch traurigeres Bild: Seit Jahresanfang hat die Aktie des Ex-Weltmarktführers bei Solarzellen rund 60 Prozent verloren. Beim Gleichrichterspezialisten SMA war es rund ein Drittel. Grund für die Malaise sind die gewaltigen Überkapazitäten in der Industrie. Es tobt ein erbitterter Preiskrieg. Europäer und Amerikaner werfen den Chinesen vor, ihre Produkte zu Dumpingpreisen zu verkaufen.

Importzölle in der EU erwartet
Die westlichen Anbieter wehren sich neuerdings erfolgreich gegen die augenscheinlich hoch subventionierte Konkurrenz: Eine Klage von Solarworld gemeinsam mit sechs anderen Anbietern in den USA hatte zur Folge, dass Amerika Importzölle auf chinesische Produkte verhängte. Auch in der EU läuft ein Dumpingverfahren. Künftig könnten Solarzellen aus China auch in der EU mit hohen Zöllen belegt werden. Der juristische Sieg, den sich vor allem Solarworld-Chef Frank Asbeck auf die Fahnen schreibt, löst das Problem auch seines Unternehmens auf Dauer nicht: Die Produktionskosten sind zu hoch. Asbeck steuert inzwischen mit umfangreichen Sparprogrammen dagegen. Immerhin hat der Vorstand den Mittelabfluss des TecDAX-Werts im operativen Geschäft im ersten Halbjahr drastisch eingedämmt. Viele Wettbewerber der Bonner sind bereits raus aus dem Spiel. Seit Sommer 2011 sind weltweit 25 größere Unternehmen in die Insolvenz gegangen, darunter auch deutsche Firmen wie Sovello, Solar Millennium, Solon, Q-Cells oder zuletzt der Maschinenbauer Centrotherm. Konzerne wie Schott oder BP haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Die in der Sanierung steckende Conergy meldet soeben neue Millionenlücken und droht zu kippen.

Die Konsolidierung hat die globale Produktionskapazität bislang aber nur um zehn bis 15 Prozent reduziert, schätzt die britische Bank Barclays. „Die Konsolidierung geht entschieden zu langsam vor sich“, sagt Barclays-Experte Rupesh Madlani. Neuerdings trifft es auch die Chinesen. Suntech, einer der größten Spieler auf dem Markt, kappte kürzlich die Produktionskapazitäten um ein Viertel. 2012 wird das Unternehmen Schätzungen zufolge erstmals operativ Geld verlieren. Die Konkurrenten Yingli Green Energy, JA Solar oder LDK Solar rutschten bereits 2011 operativ in die roten Zahlen. Im Fall der hoch verschuldeten LDK verweigerten Chinas Behörden jüngst erstmals finanzielle Hilfe, das Unternehmen musste 5000 Jobs streichen.

Total ist die Sonnenfinsternis gleichwohl nicht. Japan hat als Konsequenz aus dem Atomdesaster in Fukushima ein umfangreiches Solarprogramm aufgelegt. Seit Juli zahlt der Staat umgerechnet 43 Cent pro Kilowattstunde Solarstrom, die ins Netz eingespeist wird. Nach deutschem Vorbild ist die Vergütung auf 20 Jahre garantiert. Zum Vergleich: Hierzulande liegt der Satz nur noch bei 18 Cent. Die großzügigen Subventionen werden die Neuinstallationen in Nippon im Jahr 2015 auf 4,5 Gigawatt steigen lassen, schätzt Barclays. Damit dürfte Japan hinter China und den USA zur weltweiten Nummer 3 aufsteigen — und Deutschland als Absatzmarkt überholen. Weil auch Indien, Staaten aus Osteuropa und Südamerika die Sonne entdecken, fällt die Krise in Deutschland oder Italien nicht so stark ins Gewicht. Experten erhöhen ihre Prognosen für die globale Nachfrage: Barclays rechnet für 2012 mit 31 Gigawatt neu errichteter Solarkapazität, das wären 30 Prozent mehr als im Vorjahr. 2013 soll der weltweite Markt demnach um gut sechs Prozent wachsen. „Das Problem ist nicht die Nachfrage“, sagt Analyst Rupesh Madlani. Wegen des Überangebots werden die Preise demnach weiter fallen. Die Preisfrage ist, wer die nächste Pleitewelle überstehen wird. Zwar scheint in China die Zeit rückhaltloser Subventionen vorüber zu sein. Gleichwohl hat das Land ein strategisches Interesse an der Solarindustrie, die Jobs schaffen und eine zusätzliche Energiequelle zur Verfügung stellen soll. Chinesische Firmen mit moderater Verschuldung sowie günstigen Kostenstrukturen dürften somit gute Chancen haben.

Versorger greifen zu
Westliche Firmen brauchen schon besonderes Know-how, um aus der Masse der potenziellen Pleitekandidaten herauszutreten. First Solar etwa unterstützt Versorger mit Kontroll- und Prognosesystemen, mit denen sich die stark schwankenden Strommengen kalkulieren lassen. Solarparks können dadurch leichter in die Kraftwerkslandschaft integriert werden. „First Solar ist der Einzige in den USA, der Sonnenstrom zu einer Alternative statt zu einem Problem für Versorger macht“, lobt Analyst Sanjay Shrestha von Lazard Capital. Das zum Beispiel könnte den Unterschied ausmachen.