Gold Recycling von Edelmetallen zunehmend attraktiver
Was früher Schrott war, heißt heutzutage Sekundärrohstoff. Angesichts steigender Preise für Industrie- und Edelmetalle wird die Wiederverwertung von alten Elektrogeräten immer attraktiver.
Um ganz andere Größenordnungen geht es beim industriellen „Urban Mining“, der Rückgewinnung von wertvollen Rohstoffen aus Schrott und Abfällen. So werden in Europa jedes Jahr 40 000 Tonnen Kupfer, 120 Tonnen Silber und 14 Tonnen Gold aus Elektroschrott gewonnen. Allein acht Tonnen Gold im Wert von über 400 Millionen US-Dollar recycelt das schwedische Unternehmen Boliden pro Jahr. Noch. Der Konzern ist gerade dabei, seine Recyclingkapazität nahezu zu verdreifachen: von 45 000 auf 120 000 Tonnen Elektroschrott pro Jahr. Nach der Erweiterung werden die Schweden einen Anteil von rund 60 Prozent am europäischen Markt für Elektroschrott-Recycling haben. Bolidens Expansion kommt nicht von ungefähr. Immer mehr elektronische Geräte kommen auf den Markt, und zugleich werden die Produktzyklen immer kürzer. Bis 2020, besagt eine Studie der Vereinten Nationen, wird jeder Bürger der EU 24 Kilogramm Elektroschrott pro Jahr produzieren. Im Jahr 2008 waren es immerhin bereits sechs Kilo. Das Problem ist, dass aktuell nur 30 bis 40 Prozent dieses Elektroschrotts nach EU-Standards wiederverwertet werden. Der Rest landet entweder auf Deponien oder gelangt nach Afrika oder Asien.
Dort werden die Altgeräte häufig in Hinterhofwerkstätten auseinandergebaut, was schlecht ist für die Gesundheit der Arbeiter und für die Umwelt. Zudem ist die Ausbeute viel geringer als beim professionellen Recycling. Aus Handys und Leiterplatten lassen sich 90 Prozent des Metallanteils wiedergewinnen. Bei Gold und anderen Edelmetallen liegt die Ausbeute sogar bei 95 Prozent. Demgegenüber schafft das nicht professionelle Recycling nur eine Goldausbeute von 25 Prozent. Nicht nur den Wiederverwertern ist also daran gelegen, dass der Elektroschrott in Europa fachgerecht recycelt wird. Auch die Politik hat den Wert der sogenannten Sekundärrohstoffe erkannt. Denn Länder wie Deutschland sind arm an Rohstoffen und deshalb stark auf Importe angewiesen. Allein in den Jahren 2000 bis 2008 sind nach Zahlen der Bundesanstalt für Rohstoffe die Einfuhren von 54 auf 127 Milliarden Euro gestiegen. Der Export von Elektroschrott in Entwicklungsländer soll nun wirksamer bekämpft werden. Eine neue EU-Richtlinie sieht vor, dass der Exporteur von elektronischen Altgeräten künftig nachweisen muss, dass die Geräte auch tatsächlich funktionieren.
Althandys als begehrte Ressource
Zweifellos ist Recycling eine sehr effiziente Art, an Rohstoffe zu gelangen. So lassen sich aus einer Tonne alter Handys rund 200 Gramm Gold gewinnen. Wollte man dieselbe Menge aus Erz fördern, müssten im Durchschnitt 35 bis 40 Tonnen bewegt werden. Daneben stecken in Handys noch viele andere wertvolle Rohstoffe wie Silber, Zink, Nickel, Kupfer und Seltene Erden. Das Problem ist nur, dass viele dieser Schätze nicht in die Sammlung kommen oder auf dem Restmüll landen. In Deutschland werden jährlich knapp 1,9 Millionen Tonnen Elektrogeräte verkauft, aber nur 700 000 Tonnen kommen im Recycling an. Dazwischen klafft eine Lücke von 1,2 Millionen Tonnen. „Viele wertvolle Technologiematerialien befinden sich zu Hause in den Schubladen“, sagt Pieter Busscher, Manager des SAM Smart Materials Fund. Und auch Jörg Lacher, Sprecher des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE), meint: „Man muss sich künftig sicher stärker bemühen, an die gebrauchten Handys heranzukommen.“
In diese Richtung zielt auch ein Vorstoß der Grünen-Bundestagsfraktion. Sie fordert, dass die Regierung ein effizientes Pfandsystem für Mobiltelefone und Smartphones schafft. Denkbar sei ein Pfand von zehn Euro beim Handykauf. Auf europäischer Ebene geht der Weg in eine etwas andere Richtung. Nach einer neuen EU-Richtlinie soll der Handel stärker in die Pflicht genommen werden. Unabhängig vom Kauf eines Neugeräts sollen Verbraucher in größeren Elektromärkten ihre alten Geräte, die kleiner als 25 Zentimeter sind, zurückgeben können. „Im Lauf dieses Jahres rechnen wir mit einem ersten Arbeitsentwurf des Umweltministeriums, wie die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen ist“, sagt BVSE-Sprecher Lacher. Die Zielvorgabe der Europäischen Union ist, die Sammelquote bei Elektroschrott ab 2016 auf 45 Prozent der durchschnittlich in den vergangenen drei Jahren verkauften Neugeräte anzuheben. Später sollen es sogar 65 oder 85 Prozent werden. Derzeit gilt in der EU das Sammelziel von vier Kilogramm pro Person und Jahr. Viele Länder liegen jedoch bereits jetzt über dieser Vorgabe. So gibt jeder Deutsche im Schnitt sieben bis acht Kilo Elektroschrott pro Jahr zum Recyceln.
Recycling: Von Masse zu Klasse
Doch gilt es künftig nicht nur die Sammelmengen zu erhöhen, sondern auch das Erfassungssystem zu verbessern. „Vor dem Hintergrund einer effektiven Rohstoffgewinnung ist unser derzeitiges System noch sehr mangelhaft“, kritisiert Sabine Flamme, Expertin für Kreislaufwirtschaft an der FH Münster. „In der Aufbereitung liegt das Augenmerk heute hauptsächlich auf der Rückgewinnung von Massenströmen.“ Es wird also darauf geachtet, dass möglichst viel recycelt wird. Hinzu kommt, dass werthaltige Geräte als Gemische erfasst werden. So landen Handys in der Sammelgruppe „Informations- und Unterhaltungselektronik“, obwohl sie einer gezielteren Behandlung bedürften. „Wertvolle Rohstoffe gehen dadurch verloren.“ An einer Studie, die die komplette Erfassungs- und Verwertungskette von Elektroaltgeräten unter die Lupe nimmt, wir derzeit gemeinsam an der TU Berlin und der Fachhochschule Münster gearbeitet. Für Flamme ist klar: „Das bisherige Erfassungssystem muss optimiert werden, um Rohstoffe gezielter zurückgewinnen zu können.“ Auch Anlegern eröffnet das Chancen. Denn das Urban Mining dürfte in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen und stark wachsen. „Dieser Markt wird für uns immer interessanter“, sagt Fondsmanager Busscher. „Selbst Länder wie China fangen an, Rückgabeprämien für Elektroschrott einzuführen.“