Die deutschen Anleger haben im vergangenen Jahr 16 Milliarden Euro aus Publikumsfonds abgezogen. Gleichzeitig kommt auf die Asset-Management-Industrie eine gewaltige Regulierungswelle zu. Beide Entwicklungen — Mittelabflüsse bei Privatanlegern und steigende Regulierung der Anlagebranche — sind aber nur Symptome eines tiefer liegenden Problems: einer massiven Vertrauenskrise aufseiten der Anleger. Die Anlageindustrie hat es versäumt, Antworten für die zentralen Probleme der Anleger zu liefern. Bislang haben wir als Branche die neue Investmentwelt, in der wir seit dem Ausbruch der Finanzkrise leben und in den kommenden Jahrzehnten leben werden, lediglich beschrieben. Die Anleger kennen mittlerweile die relevanten Schlagwörter: Niedrigzinsumfeld, volatile Märkte, Deleveraging, Aufstieg der Emerging Markets, demografischer Wandel. Unsere Kunden, egal ob Privatanleger oder institutionelle Investoren, verlangen von uns aber zu Recht mehr. Sie erwarten, dass wir ihnen sagen, wie man sich in dieser neuen Welt bewegt, wie man auch hier seine Renditeziele erreichen kann. Das ist die zentrale Aufgabe, vor der das Asset Management in den kommenden Jahren steht. Kurz gesagt, möchten die Anleger eine schlüssige Antwort auf die alles entscheidende Frage: „Was soll ich mit meinem Geld tun?“ Solange diese Frage nicht beantwortet wird, parken sie ihr Geld lieber auf dem vermeintlich sicheren Festgeldkonto. Dort ist allerdings nur der reale Kapitalverlust sicher.

Auch im Niedrigzinsumfeld gibt es attraktive Renditen
Wir bei BlackRock sind der Überzeugung, dass die Antwort auf die Herausforderungen der neuen Investmentwelt in dynamischeren und diversifizierteren Portfolios liegen muss. Beim Aufbau solcher Portfolios können sich die Anleger an fünf Leitlinien orientieren.

Erstens: Bedenken Sie die Kosten und Risiken von Cash. Niedrige Zinssätze machen die Geldanlage anfälliger für die Auswirkungen der Inflation und vermindern die Kaufkraft. Dieser Effekt verstärkt sich, je länger das Geld bei niedrigen Zinsen angelegt ist. Selbst niedrige Inflationsraten führen zu substanziellen Verlusten. Ein Beispiel: Wer 10 000 Euro über 20 Jahre zu durchschnittlich 1,5 Prozent Zinsen pro Jahr anlegt, wird nach 20 Jahren bei einer Inflationsrate von zwei Prozent pro Jahr nur noch über 9046 Euro Wert verfügen.

Leitlinie Nr. 2: Erschließen Sie neue Ertragsquellen. Die gute Nachricht ist, dass es auch im Niedrigzinsumfeld nach wie vor nachhaltige und sogar steigende Ertragsquellen gibt — wenn man weiß, wo man danach suchen muss, und risikobereit genug ist, um entsprechend zu handeln. Anteile an Unternehmen, die Dividenden ausschütten, stellen eine attraktive Ertragsoption dar. Derzeit ist die Rendite durch Dividendenausschüttungen bei vielen Aktien mehr als doppelt so hoch wie bei traditionellen Staatsanleihen. Außerdem können Dividenden im Gegensatz zum festen Zinskupon bei Anleihen im Verlauf der Zeit steigen. Oftmals sogar in einem Ausmaß, bei dem die Inflationsrate mehr als ausgeglichen wird. Daneben bietet die Aussicht auf steigende Aktienpreise Potenzial für langfristigen Kapitalzuwachs. Gleichwohl gibt es keine Garantie dafür, dass ein Aktieninvestment eine wirksame Absicherung gegen künftige Inflation bietet, da jedes Aktieninvestment ein Kursrisiko beinhaltet.

Für Anleger, die bereit sind, ein höheres Risiko einzugehen, bieten zahlreiche Unternehmensanleihen attraktive Ertragschancen. Sie erzielen in der Regel höhere Renditen als US-Bundesanleihen oder Bundesschatzbriefe, da sie mit einem höheren Ausfallrisiko behaftet sind, also der Gefahr, dass das geschuldete Geld nicht zurückgezahlt wird. Wer jedoch Unternehmen mit starken Bilanzen sowie robusten Geschäftsmodellen herausfiltert, findet hinter solchen Anleihen vielversprechende Investitionsmöglichkeiten.

Die dritte Leitlinie lautet: Nutzen Sie Alternativen. Das alte Sprichwort „Setze nicht alles auf eine Karte“ ist auch in der neuen Investmentwelt bei der Zusammenstellung eines Portfolios eine verlässliche Faustregel. Eine breite Streuung — über alle Märkte, Anlageklassen und Anlagestile hinweg — kann dazu beitragen, das Risiko zu senken. Um den persönlichen Anlagemix breiter aufzustellen und das Anlageuniversum zu erweitern, kommt alternativen Investments eine wachsende Bedeutung zu. Ein Anlagemix, der etwa Immobilien, Aktien, Rohstoffe oder Absolute-Return-Strategien berücksichtigt, ist mittlerweile nicht mehr nur institutionellen Anlegern vorbehalten. Ein konservatives Portfolio, das sorgfältig alternative Investments beimischt, kann bessere Renditen erwirtschaften und Risiken mindern.

Viertens sollten Anleger ETFs (Exchange Traded Funds) aktiv beimischen. Finanzexperten debattieren seit geraumer Zeit darüber, ob sich Anleger eher „aktiv“ oder „passiv“ verhalten sollten. Gemeint ist, ob es sinnvoller ist, in einen aktiv gemanagten Fonds zu investieren oder in einen börsengehandelten Indexfonds (ETF). Die Antwort: beides.

Anleger können beide Investitionsarten kombinieren, um ein breit gestreutes Portfolio mit Mehrwert zu schaffen. Eine Möglichkeit, ein Portfolio zusammenzustellen, ist die sogenannte Core-Satellite-Strategie. Hier entscheidet man sich für ein Basisinvestment — den Kern des Portfolios. Dieser Kern kann aus aktiv gemanagten Investmentfonds oder aus ETFs bestehen — je nach persönlicher Überzeugung, ob man generell einen Markt beziehungsweise einen Index abbilden möchte oder auf ein aktives Fondsmanagement setzt. Diesem Kern werden andere Fonds beigemischt, die wie Satelliten um das Basisinvestment kreisen und das Portfolio ergänzen.

Längere Lebenserwartung bei Anlagerisiko berücksichtigen
Schließlich sollten Anleger ihren Anlagemix an ihre längere Lebenserwartung anpassen. Allein in den vergangenen zehn Jahren ist die Lebenserwartung in Deutschland für Frauen um zwei Jahre, für Männer sogar um 3,2 Jahre gestiegen. Für ein gesundes 65-jähriges Paar besteht heute eine Chance von 50 Prozent, dass zumindest ein Partner das 92. Lebensjahr erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Partner 97 Jahre alt wird, liegt bei 25 Prozent. Das Geld im Ruhestand muss somit länger reichen. Dazu müssen Sie mit einem sorgfältig auf Ihre Bedürfnisse abgestimmten Teil Ihres Kapitals in risikoreicheren Anlageformen wie Aktien investiert bleiben, um von den höheren Ertragschancen zu profitieren.

Fazit:
Aus kurzfristig handelnden Sparern müssen wieder langfristig denkende Investoren werden. Damit wäre nicht nur den Anlegern geholfen. Das Geld, das zurzeit weltweit unproduktiv an der Seitenlinie geparkt ist, würde so wieder an die Arbeit zurückkehren. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte würde wieder gestärkt. Und das brauchen wir, wenn wir die großen nationalen und internationalen Herausforderungen — etwa den demografischen Wandel, die Energiewende oder die europäische Schuldenkrise — bestehen wollen.

Dirk Klee, Vorstandschef BlackRock Asset Management Deutschland