Während in der Natur der Frühling einzieht, bleibt die Stimmung der Anleger eher verhalten. So haben sich die Börsen seit Jahresanfang zwar erholt und die Notenbanken scheinen einen sanfteren geldpolitischen Kurs anzusteuern – für echte „Frühlingsgefühle“ reiche dies allerdings noch nicht aus, meint Ann-Katrin Petersen von Allianz Global Investors in ihrem Kapitalmarktbrief im Mai.


Trotz bestehender Unsicherheiten würden die Zeichen jetzt allerdings auf „grün stehen“, so die Aktienexpertin. Beim Blick auf die Weltwirtschaft zeigten wichtige Frühindikatoren wie etwa die globalen Einkaufsmanagerindizes zuletzt Anzeichen einer Bodenbildung. Währenddessen würden in China endlich die fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen greifen. Hieraus könnten positive Effekte auf ganz Asien, aber auch auf die exportorientierten Volkswirtschaften im Euroraum ausgehen. „Gleichzeitig ist jedoch der jüngste Ölpreisanstieg im Blick zu behalten, denn er könnte sich als Belastungsfaktor für den – angesichts fester Arbeitsmärkte und steigender Lohneinkommen – bislang robusten Konsum entpuppen“, schränkt Petersen zugleich ein.


Auf politische Ebene zeichne sich etwa im Zuge des Handelskonflikts zwischen China und den USA eine Entspannung ab, zudem verschaffe die Verschiebung der Brexit-Frist auf Ende Oktober wieder etwas Luft. „Gerade für das exportorientierte verarbeitende Gewerbe bleibt ein belastbar konstruktiveres handelspolitisches Gezwitscher zwischen Washington und Peking – ob per Twitter oder auf konventionellerem Weg – eine wichtige Voraussetzung, um die Schwächephase zu beenden“, heißt es im Ausblick.


Diese Rahmenbedingungen könnten der Konjunkturdynamik durchaus wieder etwas Auftrieb verleihen – auch wenn „der bereits seit fast zehn Jahren andauernde Aufschwung der Weltwirtschaft seinen Höhepunkt wohl überschritten hat und mittelfristige Wachstumsrisiken bestehen bleiben. Unsere mittelfristigen strukturellen und finanzmarktbasierten Rezessionsmodelle für die US-Wirtschaft zeigen aktuell eine Rezessionswahrscheinlichkeit von 30–35 Prozent auf Sicht von einem Jahr an. Im Gegensatz dazu liegt das Risiko auf Basis unseres kurzfristigen zyklischen Ansatzes auf Sicht der nächsten sechs Monate bei lediglich sechs Prozent.“


Konsequenzen für die Anlageentscheidungen


Für Anleger könnten sich vor diesem Hintergrund aktiv gemanagte Anlagestrategien einmal mehr lohnen, so Petersen: „Für sich genommen wäre eine temporäre Verbesserung der Makrodaten nicht ausreichend, um das sich abzeichnende Szenario einer spätzyklischen Konjunkturverlangsamung infrage zu stellen. Wir erwarten nach wie vor ein moderateres Marktrenditepotenzial („Beta“) als in der letzten Dekade – in Kombination mit höheren Marktschwankungen. Das ist ein Umfeld, in dem für Investoren eine aktive Vermögensallokation über die Anlageklassen hinweg sowie eine aktive Auswahl von Wertpapieren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die nächsten Monate könnten sich dabei allerdings als ein günstiges Zeitfenster für risikobehaftetere Vermögensklassen herausstellen: Geduldigere Zentralbanken, kombiniert mit einer verbesserten Wachstumsdynamik und niedrigen kurzfristigen Rezessionsrisiken träfen auf eine (noch) zurückhaltende Positionierung von Investoren.“


Blick auf ausgewählte Aktienmärkte: Deutschland, Europa, USA


In Deutschland stehe dem Geschäftswachstum unverändert eine exportgeschwächte Industrie gegenüber, so Petersen. Während sich bei den globalen Frühindikatoren eine zaghafte Beschleunigung abzeichne, deuteten etwa der sinkende ifo-Index auf eine nachlassende Konjunkturdynamik hin. Eine Stütze für Deutschland Aktien blieben die sehr gute Arbeitsmarktlage und kräftige Lohnzuwächse, was den privaten Konsum weiter befeuern dürfte. „Gemessen am langfristigen Durchschnitt sind deutsche Aktien gemäß Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) moderat attraktiv bewertet“, fasst die Kapitalmarktstrategin zusammen.


Im Euroraum habe sich das Wirtschaftswachstum zu Beginn des zweiten Quartals weiter abgeschwächt, wie etwa der sich eintrübende Komposit-Einkaufsmanagerindex zeige. Sorgenkind bleibe die exportgeschwächte Industrie. Auch im Euroraum bleibe aber die robuste Arbeitsmarktentwicklung ein wichtiger Stabilitätsanker, denn „die Arbeitslosenquote liegt mit aktuell 7,8 Prozent (April) nicht mehr weit entfernt von ihrem Allzeittief von 7,3 Prozent im Oktober 2007.“ Bei der Europa-Wahl dürften trotz euroskeptischer Töne die etablierten Parteien stärkste Kraft bleiben. „Gemessen an den Zyklus bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnissen nach Shiller sind die europäischen Aktienmärkte wieder deutlich attraktiver bewertet. Die Dividendenrendite ist im globalen Vergleich mit am höchsten“, beschreibt Petersen die derzeitige Aktienmarkt-Situation.


Und in den USA? Hier zeige der Konjunkturzyklus ebenfalls eine zunehmende Reife, das Wirtschaftswachstum könne sich jedoch weiterhin behaupten. Der US-Arbeitsmarkt erweise sich als robust, allerdings dürften die steigenden Lohnkosten allmählich auf die Gewinnmargen drücken, so Petersen in ihrer Analyse. „Die Gewinnentwicklung dürfte somit ihren Gipfel überschritten haben. Nach insgesamt neun Zinsschritten seit dem Jahr 2015 auf ein Zielband von nunmehr 2,25-2,5 Prozent lässt sich eine „geduldigere“ US-Notenbank Federal Reserve (Fed) mit einer weiteren Anhebung Zeit. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Fed künftig für eine begrenzte Zeit Inflationsraten über dem Ziel tolerieren könnte („durchschnittliches Inflationsziel“). Gleichzeitig wird das Abschmelzen der Bilanz gedrosselt, und damit auch der Liquiditätsentzug für die Märkte verlangsamt. Die angekündigte Pause im Zinserhöhungszyklus verlängert das grundsätzlich positive Aktienumfeld. Allerdings liegen die Aktienbewertungen in den USA auf einem hohen Niveau, welches das langfristige Renditepotenzial entsprechend reduzieren könnte.“