Herr Lingnau, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Verhältnis von Bevölkerungsstruktur und Volkswirtschaft. Wie lassen sich in diesem Bereich Unternehmen identifizieren, die von Veränderungen in diesem Bereich profitieren?


Unser Anlageprozess beginnt mit einer soziodemografischen Länderanalyse. Es geht dabei um Bevölkerungswachstum, Alterungsprozesse und die wichtigsten Themen der jeweils zahlenmäßig stärksten Generationen (Klimawandel, Feminismus, digitale Innovation; aber auch negative Themen, wie Revanchismus, Kriminalität oder Nationalismus). Im zweiten Schritt erfolgt die Selektion der zur jeweiligen demografischen Struktur am besten passenden Branchen.


Sie geben bei der Beschreibung des Auswahlprozesses für den Guliver Demografie Invest (ISIN: DE000A2DL395) an, dass Volkswirtschaften mit einem hohen Bevölkerungsanteil von Personen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren einen besonderen Stellenwert darstellen. Wieso ist das so?


Wenn zahlenmäßig starke Jahrgänge in das Berufsleben einsteigen, führt das oft zu Innovationssprüngen. Ich habe dazu demografische und wirtschaftliche Daten bis hinein in das 19. Jahrhundert analysiert und eine hohe Korrelation gefunden. Ungefähr 20 Jahre nach einem Geburtenhoch kam es regelmäßig zu Phasen innovativer Quantensprünge, den sogenannten Kondratjew-Zyklen. In diesen Phasen lagen die Renditen an den Aktienmärkten mehr als doppelt so hoch, wie in den Phasen zwischen diesen Superzyklen. Wenn die jungen Boomer nicht mehr versorgt werden müssen, sondern selbst berufstätig werden, stehen mehr Mittel für private Investitionen zur Verfügung und der Staat kann sich Steuererleichterungen leisten. Die Jungsporne wollen sich gegen die Älteren dursetzen und müssen dabei neue Wege beschreiten. Innovationen haben es somit leichter. Die Faktoren befeuern sich lange gegenseitig, was oft in einer gefährlichen Blase endet. Und dann sollte man als Anleger vorsichtig werden.


In Ihrem 2014 erschienen Buch „Auch die sicheren Häfen sind in Gefahr“ haben Sie den Einfluss der Babyboomer-Generation auf die Aktienmärkte beschrieben. Können Sie das kurz erklären?


Als auszubildende Generation lenkten die Babyboomer, wie gerade schon beschrieben, wirtschaftliche Aktivitäten und Finanzmittel in nicht produktive Bereiche. Im Alter zwischen 20 und 40 machten sie Karriere und sorgten für Wachstum, niedrige Zinsen und Innovationen. 2022 wird der stärkste Jahrgang der europäischen Babyboomer 58 Jahre alt, spart für die Rente und tilgt noch vorhandene Kredite. Der dazu notwendige Konsumverzicht führt zu Nachfragerückgängen und somit zu deflationären Zuständen. Diese Entwicklung ist nur durch die Folgen der Corona-Pandemie vorübergehend unterbrochen. Gleichzeitig sinkt die Innovationsbereitschaft in Europa und wir laufen Gefahr, den Anschluss an innovativere Länder weiter zu verlieren. Die USA haben es da besser. Dort sind die sogenannten Millennials, der stärkste Jahrgang wird jetzt 31 Jahre alt, seit 2011 die zahlenmäßig stärkste Generation. Das zeigt sich auch an den Aktienmärkten.


Mit einem Top-down-Ansatz schauen Sie bezüglich der Titelauswahl zuerst auf Länder und Branchen. Beim Guliver Demografie Invest ist ein eindeutiger Fokus auf die USA und auf Technologie feststellbar. Wie unterscheidet sich der Fonds beispielsweise von einem Aktienfonds mit global growth-Ansatz?


Wir sind in den USA überwiegend in Technologie- und Konsumwerten investiert. In China haben wir fast nur Aktien aus dem Bereich Gesundheit und in Deutschland dominieren Unternehmen der Wohnungswirtschaft, die von Einwanderung, Urbanisierung und niedrigen Zinsen profitieren. Insgesamt ist unser Portfolio auf langfristige Trends wie Digitalisierung, Gesundheit und Dekarbonisierung ausgerichtet. In Branchen wie Öl, Kohle oder Banken sind wir so gut wie gar nicht investiert, also genau in den Branchen, die durch die Corona-Folgen vorübergehend besonders gut gelaufen sind.


Die Bevölkerungsstruktur ändert sich auch massiv in China und weiteren Schwellenländern. Warum ist dieser Markt im Fonds unterrepräsentiert?


Die Wachstumsraten in vielen Schwellenländern sind zwar hoch, aber der Bedarf an öffentlicher Infrastruktur verdrängt Investitionen in konsumnahe Zweige. Verteilungskämpfe und Inflation werden dadurch wahrscheinlicher. Das hat dann negative Auswirkungen auf die Aktienmärkte. In Russland sind wir aus demografischen Gründen seit 2014 nicht mehr investiert. China ist nach Amerika und Europa trotz Reduzierungen im letzten Jahr immer noch die drittwichtigste Region. Dort investieren wir beispielsweise auch in den Bereich erneuerbare Energien.


Der Aktienfonds Guliver Demografie Invest ist innerhalb Ihrer Demografie-Fondsreihe der am offensivsten ausgerichtete Fonds. Was sind die Vorzüge dieses Produktes gegenüber den defensiveren Schwesterfonds?


Als reiner Aktienfonds sollte dieser langfristig immer Performance-Vorteile gegenüber Mischfonds erzielen, was der Invest auch bisher getan hat. Nur sind nicht alle Anleger bereit, die dadurch höheren Schwankungen auszuhalten. Unsere Demografie-Fonds werden alle nach der gleichen Strategie gemanagt. Aber die Mischfonds enthalten zusätzlich zu Aktien auch Anleihen und Gold. Gerade jetzt sind viele Anleger erleichtert, wenn ihre Mischfonds die Finanzmarkt- und politischen Risiken zumindest teilweise abfedern.


Für welchen Anlegertyp ist der Guliver Demografie Invest geeignet?


Als Aktienfonds eignet sich der Guliver Demografie Invest vor allem für langfristig orientierte Anleger. Durch seine besondere Strategie können die demografischen Nachteile in einer zunehmend überalterten europäischen Gesellschaft in Performance-Vorteile umgewandelt werden. Aber auch von anderen Langfristtrends wie Digitalisierung und der Energiewende profitieren Anleger unseres Fonds. Für dieses Jahr planen wir die offizielle Einstufung des Fonds als nachhaltig gemäß Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung. Bereits jetzt bekommt der Fonds sehr gute ESG-Ratings.


 


Herr Lingnau, wir danken Ihnen für die interessanten Einblicke.


 


Wertentwicklung im Vergleich zur Peergroup (Aktienfonds All Cap Welt, seit Auflage)


 



 


Investmentfonds unterliegen Kursschwankungen. Damit sind Kursverluste bis hin zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals möglich. Bei Wertpapieren, die nicht in Euro notieren, sind zudem Währungsverluste möglich. Die frühere Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung. Allein verbindliche Grundlage des Kaufs eines Investmentfonds sind die derzeit gültigen Verkaufsunterlagen („Wesentliche Anlegerinformationen“, Verkaufsprospekt sowie Jahres- und Halbjahresberichte, soweit veröffentlicht). Diese Unterlagen, die in englischer und/oder deutscher Sprache vorliegen, erhalten Sie unter /fonds/de000a2dl395/ oder direkt beim Emittenten. Dieser Text dient ausschließlich Informationszwecken und stellt kein Angebot, keine Aufforderung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.